Saarbruecker Zeitung

Brüssel macht London Vorwürfe

Barnier warnt bereits vor der Verhandlun­gsrunde vor einem Scheitern des Abkommens.

-

(dpa) Vor der wichtigen Verhandlun­gsrunde über die künftigen Beziehunge­n mit Großbritan­nien hat EU-Unterhändl­er Michel Barnier der Regierung in London schwere Vorwürfe gemacht. „Großbritan­nien hat einen Schritt zurückgema­cht – zwei, drei Schritte zurückgema­cht – von seinen ursprüngli­chen Zusagen“, sagte Barnier der britischen „Sunday Times“. Sollte sich Großbritan­nien nicht am Wortlaut der gemeinsame­n Politische­n Erklärung vom Herbst orientiere­n, werde es kein Abkommen geben, warnte der Franzose.

Unterhändl­er beider Seiten beginnen an diesem Dienstag ihre vierte Verhandlun­gsrunde über ein Handels- und Partnersch­aftsabkomm­en für die Zeit nach der Brexit-Übergangsp­hase. Bisher sieht keine Seite entscheide­nde Fortschrit­te. Diese Runde wird auch deshalb besonders wichtig, weil eigentlich schon Ende Juni eine Einigung zum wichtigen Thema Fischereir­echte stehen soll. Auch steht bei einem Gipfel in diesem Monat eine Zwischenbi­lanz an sowie die Entscheidu­ng, ob die Verhandlun­gsfrist um ein oder zwei Jahre verlängert wird. Bisher ist der britische Premiermin­ister Boris Johnson strikt dagegen.

Doch appelliert­e der Londoner Bürgermeis­ter Sadiq Khan eindringli­ch an Johnsons Regierung, einer Verlängeru­ng zuzustimme­n. Großbritan­nien könne keinesfall­s „mehr Chaos und Unsicherhe­it“während der Corona-Krise gebrauchen, schrieb Khan an Staatsmini­ster Michael Gove. „Ich fordere die Regierung auf, die politische Ideologie beiseite zu stellen.“Auch ein Ausschuss des britischen Oberhauses zeigte sich besorgt über die schleppend­en Verhandlun­gen und warnte vor einer Bedrohung für den wirtschaft­lichen Wohlstand und die Stabilität in Nordirland.

Knackpunkt­e in den Verhandlun­gen sind vor allem die Forderung der Europäisch­en Union nach gleichen

„Großbritan­nien hat einen Schritt zurückgema­cht – zwei, drei Schritte zurückgema­cht – von seinen ursprüngli­chen Zusagen.“

Michel Barnier

EU-Unterhändl­er

Wettbewerb­sbedingung­en, das Thema Fischerei und die Rolle des Europäisch­en Gerichtsho­fs bei möglichen Streitigke­iten. In der politische­n Erklärung vom Oktober hatten beide Seiten Eckpunkte vereinbart. Barnier wirft Großbritan­nien vor, davon abzurücken. Die britische Seite bestreitet dies und beklagt ihrerseits, die EU wolle das Land auf Dauer enger als gewünscht an sich binden und EU-Regeln unterwerfe­n.

David McAllister, der Brexit-Beauftragt­e des Europaparl­aments, erklärte: „Als Europäisch­e Union streben wir ein wirklich umfassende­s und maßgeschne­idertes Abkommen mit unserem engen Partner, Nato-Verbündete­n und Nachbarn an.“Allerdings werde das Vereinigte Königreich künftig nicht mehr den gleichen Status genießen wie als Mitgliedss­taat. „Es kann und wird kein Rosinenpic­ken geben“, bekräftigt­e McAllister. Ein Abkommen bis zum Jahresende sei noch möglich. „Dafür braucht es aber endlich konkrete Fortschrit­te.“

Großbritan­nien ist Ende Januar aus der EU ausgetrete­n. Bis Ende des Jahres gilt eine Übergangsp­hase, in der das Land noch zum Binnenmark­t und zur Zollunion gehört. Sollte in dieser Frist kein Abkommen über die künftigen Beziehunge­n gelingen, müssten Zölle und andere Handelsbes­chränkunge­n eingeführt werden.

 ?? FOTO: ARNE IMMANUEL BÄNSCH/DPA ?? EU-Chefunterh­ändler Michel Barnier wirft den Briten vor, von den den bereits im Oktober vereinbart­en Eckpunkten abzurücken. An diesem Dienstag steht eine wichtige Verhandlun­grunde an.
FOTO: ARNE IMMANUEL BÄNSCH/DPA EU-Chefunterh­ändler Michel Barnier wirft den Briten vor, von den den bereits im Oktober vereinbart­en Eckpunkten abzurücken. An diesem Dienstag steht eine wichtige Verhandlun­grunde an.

Newspapers in German

Newspapers from Germany