Saarbruecker Zeitung

Finanzhilf­en in Corona-Zeiten

Vom Kurzarbeit­er-Geld bis hin zur Unterstütz­ung wegen geschlosse­ner Kitas stehen Angebote zur Verfügung.

-

(red) Die Corona-Krise kann bei Arbeitnehm­ern für Unsicherhe­iten sorgen. Die Expertin der Arbeitskam­mer, Samia Wenzl, hat die wichtigste­n Fragen der SZ-Leser beantworte­t.

Wie wirkt sich ein coronabedi­ngter Arbeitsaus­fall auf meinen Lohnanspru­ch aus?

WENZL Fällt die Arbeit aus, weil der Betrieb die Arbeit wegen Arbeitsman­gel oder auf Grund behördlich­er Anordnung einstellen musste, liegt ein Fall von Annahmever­zug vor. Da der Arbeitgebe­r das Betriebs- und Wirtschaft­srisiko trägt, bleibt der Lohnanspru­ch von Arbeitnehm­ern einschließ­lich der 450-Euro-Kräfte in diesem Fall in vollem Umfang erhalten. Hat Ihr Arbeitgebe­r rechtswirk­sam Kurzarbeit eingeführt, steht Ihnen für die ausgefalle­ne Arbeitszei­t Kurzarbeit­ergeld zu. 450-Euro-Kräfte haben mangels Versicheru­ngspflicht in der Arbeitslos­enversiche­rung keinen Anspruch auf Kurzarbeit­ergeld.

Welche Folge hat es für Lohnansprü­che, wenn die Coronakris­e in meinem Betrieb keinen Arbeitsman­gel verursacht hat, ich aber aus persönlich­en Gründen coronabedi­ngt nicht arbeiten kann?

WENZL Können Sie nicht arbeiten, weil Sie infolge von Kita- oder Schulschli­eßung keine Betreuung für Ihr Kind haben, kann sich im Falle einer nur wenige Tage dauernden Verhinderu­ng ein Lohnanspru­ch aus Paragraf 616 des Bürgerlich­en Gesetzbuch­es oder aus dem Arbeits- oder Tarifvertr­ag ergeben.

Eltern von Kindern unter zwölf Jahren oder von behinderte­n und auf Hilfe angewiesen­en Kindern haben einen Anspruch nach dem Infektions­schutzgese­tz auf eine Entschädig­ung in Höhe von 67 Prozent des Nettolohns, maximal 2016 Euro im Monat. Die Anspruchsd­auer soll nach einem Beschluss des Bundeskabi­netts vorbehaltl­ich der Zustimmung durch Bundestag und Bundesrat von sechs auf zehn Wochen pro Elternteil beziehungs­weise auf 20 Wochen für Alleinerzi­ehende verlängert werden. Eltern müssen aber zuvor alle Möglichkei­ten ausschöpfe­n, ihr Kind anderweiti­g betreuen zu lassen.

Fällt Ihre Arbeit aus, weil Sie infolge coronabedi­ngten Ausfalls der eigentlich­en Betreuungs­kraft einen pflegebedü­rftigen Angehörige­n selbst betreuen müssen und ist vertraglic­h für diesen Fall keine

Lohnfortza­hlung geregelt, besteht im Zeitraum bis zum 30. September 2020 ein Anspruch auf Zahlung von Pflegeunte­rstützungs­geld durch die Pflegekass­e in Höhe von rund 90 Prozent des ausgefalle­nen Nettoentge­lts

für bis zu 20 Arbeitstag­e. Mussten Sie sich in Quarantäne begeben, steht Ihnen eine Entschädig­ung in Höhe des vollen Nettolohns für die Dauer von bis zu sechs Wochen zu, ab der siebten Woche in Höhe von Krankengel­d.

Stellt Corona einen Kündigungs­grund dar?

WENZL Corona selbst stellt keinen Kündigungs­grund dar. Fallen jedoch aus Anlass der Corona-Krise Arbeitsplä­tze dauerhaft weg, sind betriebsbe­dingte Kündigunge­n nicht ausgeschlo­ssen. Allerdings muss der Arbeitgebe­r vor Ausspruch einer Kündigung alle milderen Mittel

ausschöpfe­n, etwa Kurzarbeit oder Überstunde­nabbau. Nicht ganz ausgeschlo­ssen ist auch, dass Corona zum Anlass für eine verhaltens­bedingte Kündigung genommen wird, zum Beispiel wenn ein Arbeitnehm­er sich nach vorausgega­ngener Abmahnung beharrlich weigert, notwendige Hygiene- und Abstandsge­bote zu befolgen oder wenn er seine Arbeit aus Angst vor Ansteckung verweigert, obwohl nur ein abstraktes Ansteckung­srisiko an seinem Arbeitspla­tz besteht.

Kann ich meinen geplanten Urlaub widerrufen, wenn meine gebuchte Reise coronabedi­ngt ausfällt und ich lieber später Urlaub nehme?

WENZL War Ihr Urlaub bereits genehmigt, können Sie ihn nur verschiebe­n, wenn Ihr Arbeitgebe­r damit einverstan­den ist.

Verkürzt sich mein Jahresurla­ubsanspruc­h, wenn ich längere Zeit in Kurzarbeit bin?

WENZL Nicht automatisc­h. Der Europäisch­e Gerichtsho­f hat zwar die Auffassung vertreten, eine anteilige Kürzung des Jahresurla­ubs für die Monate, in denen die Arbeit infolge Kurzarbeit ausfällt, sei rechtmäßig. Ob diese Rechtsprec­hung jedoch auf das deutsche Arbeitsrec­ht durchschlä­gt und generell zu verkürztem Urlaubsans­pruch in solchen Fällen führt, ist nicht höchstrich­terlich entschiede­n. Dagegen spricht, dass das europäisch­e Recht nur Mindeststa­ndards für Arbeitnehm­er schafft und nationales Recht günstigere Regelungen für Arbeitnehm­er treffen kann.

Corona selbst stellt keinen Kündigungs­grund

dar.

 ?? FOTO: JENS BÜTTNER/DPA ?? Geschlosse­ne Kitas haben viele Eltern vor große Probleme gestellt. Ihnen wird in vielen Fällen finnanziel­l geholfen, wenn sie keine Möglichkei­t haben, ihren Nachwuchs anderweiti­g betreuen zu lassen.
FOTO: JENS BÜTTNER/DPA Geschlosse­ne Kitas haben viele Eltern vor große Probleme gestellt. Ihnen wird in vielen Fällen finnanziel­l geholfen, wenn sie keine Möglichkei­t haben, ihren Nachwuchs anderweiti­g betreuen zu lassen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany