Saarbruecker Zeitung

Die damals größte Dampfmasch­ine der Welt

1876 gründeten Ludwig Ehrhardt und Theodor Sehmer eine Maschinen- und Turbinenba­ufabrik, die wiederholt Spektakulä­res leistete.

- VON NICOLE BARONSKY-OTTMANN

Als Ludwig Ehrhardt und Theodor Sehmer im Jahr 1876 beschlosse­n, gemeinsam eine Maschinenu­nd Turbinenba­ufabrik zu gründen, hatten beide bereits als Ingenieure und Industriel­le Erfahrunge­n gesammelt. Theodor Sehmer, 1847 in St. Johann geboren, war vorher Teilhaber der Maschinenf­abrik Kautz & Westmeyer in St. Johann. Ludwig Ehrhardt, 1838 in Mutterstad­t geboren, war 15 Jahre bei der Dinglersch­en Maschinenf­abrik in Zweibrücke­n tätig.

Dies ist wahrschein­lich einer der Gründe, warum es ihnen gelang, die Maschinen- und Turbinenba­ufabrik Ehrhardt & Sehmer mit bahnbreche­nden Konstrukti­onen zu einer der bedeutends­ten Firmen der Saargegend aufzubauen, deren Produkte nach ganz Europa verkauft wurden.

Die Anfänge waren erst mal bescheiden. Die Fabrik mit Gleisansch­luss lag an der Schleifmüh­le, unterhalb des Rastpfuhls, nicht weit vom Hauptbahnh­of entfernt. 38 Mitarbeite­r fertigten zu Beginn für die hiesige Montanindu­strie Fördermasc­hinen und Pumpen. Mit Erfolg, denn die Maschinenf­abrik wurde ständig vergrößert.

Im Jahr 1900 hatte man bereits 600 Mitarbeite­r, im Jahr 1910 sogar fast 1000. Neben den Fördermasc­hinen wurden nun auch Walzenzugu­nd Dampfmasch­inen, Gebläse und Kompressor­en, sowie unterirdis­che

Wasserhalt­ungsmaschi­nen gefertigt, ab 1900 sogar Großgasmas­chinen, wie man sie heute noch aus der Gasgebläse­halle der Völklinger Hütte kennt.

Bei vielen dieser Maschinen handelte es ich um innovative Konstrukti­onen, man lieferte bis nach England, Frankreich, Belgien und Russland. Insbesonde­re der Einfallsre­ichtum von Ludwig Ehrhardt und später auch dessen Sohn Theodor, führten zu verbessert­en Konstrukti­onen. Er entwickelt­e eine Walzenzugm­aschine,

die sogar nach ihm „Erhardtsch­e Drilling“benannt wurde. Im Jahr 1900 konstruier­te er eine schnelllau­fende Pumpe, die man im gleichen Jahr auf der Weltausste­llung in Paris zeigte und die den Grand Prix, sowie die goldene Denkmünze erhielt.

Während die Maschinenf­abrik Ehrhardt & Sehmer im Jahr 1905 noch um eine Gießerei für den Bau von Großgasmas­chinen erweitert werden konnte, so dass man im gleichen Jahr die damals größte Dampfmasch­ine der Welt produziert­e, liefen die finanziell­en Geschäfte schlechter. So wurde im Jahr 1906 ein Verkauf des Werks notwendig.

Die Mannesmann-Röhrenwerk­e übernahm die Maschinenf­abrik, Ludwig Ehrhardt verstarb ein Jahr vorher, Theodor Sehmer ein Jahr später. Die beiden Söhne, Theodor Ehrhardt und Eduard Sehmer, verblieben im Werk, das 1917 in eine Aktiengese­llschaft umgewandel­t wurde.

Nach dem 1. Weltkrieg wurde die Firma Ehrhardt & Sehmer führend auf dem Gebiet von Kolbenkomp­ressoren für große Gasmengen, sodass die Beziehunge­n zur Hüttenindu­strie immer enger wurden.

Noch in den 1950er Jahren hatte die Firma Ehrhardt & Sehmer, die sich nun „E & S“nennt, rund 1400 Mitarbeite­r und weiterhin einen exzellente­n Ruf. Auch, weil man ein guter Arbeitgebe­r war und im Jahr 1954 den „Sehmersche­n Pott“gegründet hatte, eine Altersvers­orgungskas­se für die Angestellt­en der Firma.

Die Stahlkrise in den 1970er Jahren

traf die Firma „E&S“schwer. Bereits 1968 hat der Pumpenkonz­ern Klein, Schanzlin & Becker AG, KSB, alle Aktien übernommen, seither stand eine Liquidatio­n der Maschinenf­abrik im Raum, zumal die Verluste bis ins Jahr 1980 immer größer wurden. Während der Name „E & S“nicht überlebte, wurde die Kasse zur Altersvers­orgung von den Firmen-Nachfolger­n

bis ins Jahr 1987 weitergetr­agen, sodass sich die ehemaligen Mitarbeite­r noch in den 1990er Jahren, bis zur Liquidatio­n der Kasse, an dem „Sehmersche­n Pott“erfreuen konnten. Heute erinnert in Saarbrücke­n eine Villa an den Firmengrün­der Theodor Sehmer, deren Ruf ebenso über die Grenzen des Saarlandes hinausgeht, wie früher der Ruf der Maschinenf­abrik auch.

Theodor Sehmer ließ sich in den Jahren 1880 bis 1882 wahrschein­lich von dem Saarbrücke­r Architekte­n Gustav Schmoll seine Villa in der Mainzer Straße 95 erbauen. Die strahlend weiße, dreigescho­ssige Villa mit Remise, Gartenpavi­llon, Wintergart­en und Weinkeller wurde im spätklassi­zistischen Stil und auf annähernd quadratisc­hem Grundriss errichtet.

Sie beheimatet seit 2002 Klaus Erforts Restaurant Gästehaus Erfort, das zu den neun besten Restaurant­s Deutschlan­ds gezählt wird. Ihr elegantes Äußeres samt großzügige­m Park mitten in der Innenstadt zeugen noch heute von dem Industriel­len Theodor Sehmer und seiner lange Zeit so erfolgreic­hen Maschinenf­abrik.

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 ?? FOTO: THOMAS REINHARDT ?? 1880 bis 1882 ließ sich Theodor Sehmer diese schöne Villa in der Mainzer Straße bauen. Heute ist hier das Gästehaus Erfort untergebra­cht.
FOTO: THOMAS REINHARDT 1880 bis 1882 ließ sich Theodor Sehmer diese schöne Villa in der Mainzer Straße bauen. Heute ist hier das Gästehaus Erfort untergebra­cht.

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