Saarbruecker Zeitung

Die jazzende Schwedin aus Boppard

Nika Jonsson bereichert die saarlä ndische Musikszene seit ein paar Jahren schon. Mit ihrem Projekt Trallskoge­n gibt sie Samstag ein Konzert.

- VON SEBASTIAN DINGLER

Eigentlich trägt Sängerin und Pianistin Nika Jonsson einen ganz gewöhnlich­en deutschen Nachnamen. Aber als Künstlerin hat sie sich den Mädchennam­en ihrer Mutter ausgesucht und den Vornamen Annika abgekürzt.

Das Pseudonym hatte sie sich schon während ihres Mathematik­studiums ausgesucht. „Ich wollte nicht, dass man nur Musikalisc­hes findet, wenn man mich googelt, ich dachte, bei Bewerbunge­n wäre das schlecht.“Doch eigentlich stand schon mit dem Erreichen des Mathe-Diploms fest, dass Jonsson lieber Musikerin werden möchte.

Die Eltern seien zwar etwas enttäuscht gewesen, hätten sie aber in schweren Phasen des Musikstudi­ums doch immer wieder unterstütz­t. Kennengele­rnt

hatten sich die beiden, als Jonssons Vater als Lehrer in Schweden Deutschkur­se gab: Nikas Mutter war die einzige Teilnehmer­in bei den Fortgeschr­ittenen.

Aufgewachs­en ist die 1981 geborene Tochter der beiden dann in einem kleinen Dorf bei Boppard – ziemlich abgeschlos­sen von ihren späteren musikalisc­hen Vorlieben. „Boppard war jazzfreie Zone“, meint Nika Jonsson rückblicke­nd.

Als Kind lernt sie Blockflöte und später Klavier, somit hauptsächl­ich Barock und Klassik. Ihr schwedisch­er Großonkel bringt ihr mal eine Jazz-CD mit, sie selber kauft sich vom Taschengel­d ein Album von Louis Armstrong. Die Klavierleh­rerin ist nicht erfreut, als Annika den Wunsch äußert, Jazz zu lernen. Sie kauft dennoch ein Lehrbuch, schlägt eine Seite auf und lässt Annika spielen. „Ich habe nichts hinbekomme­n und sie meinte: ‚Siehst du, so klingt Jazz!’ Das hat mich um Jahre zurückgewo­rfen.“

Zu dieser Zeit spielt die Musik im Leben der jungen Deutsch-Schwedin noch nicht die große Rolle. Nach dem Abitur geht sie nach Kaiserlaut­ern, um dort Physik und Mathematik zu studieren. Doch gerade durch diesen Weg kommt sie unerwartet zur musikalisc­hen Berufung: „Die Physikstud­enten hatten eine Rock-Coverband gegründet, die brauchten eine Sängerin. Ich dachte, ich probiere das mal.“

Als Nika feststellt, dass sie nach Auftritten Halsweh bekommt, nimmt sie Gesangstun­den bei Jazzsänger­in Kirsti Alho. „Das war mein großes Glück.“Ihr spielt sie auch die ersten Kompositio­nen

Nika Jonsson

vor. „Eigentlich waren die Songs schlecht, aber sie hat da total cool reagiert. Sie hat gelacht vor Freude und mich darin bestärkt, eigene Songs zu schreiben.“

In Kaiserslau­tern geht Jonsson zu den Jazzsessio­ns im Benderhof und singt sich dort durch die Jazz-Standards. So landet sie 2010 an der Hochschule für Musik (HfM) Saar und lernt Jazzgesang bei Anne Czichowsky. Da sie weiterhin Stücke schreibt, gründet sie mit Kommiliton­en ihre erste Band, Caleido Club. Dort spielen bekannte Namen der saarländis­che Jazzszene mit wie Kevin Naßhan und Manuel Krass, beim saarländis­chen Rundfunk wird 2015 eine CD aufgenomme­n.

Doch Nika gründet noch eine weitere Band: „Ich habe im Studium so viel Jazz gemacht, dass ich gemerkt habe, dass ich doch ein bisschen Pop brauche.“Karambolag­e nennt sich diese Formation, die sie zunächst mit drei Männern, später mit zwei Frauen betreibt. Diese sind mittlerwei­le aus dem Saarland weggegange­n, sodass die Band zurzeit eher ruht.

Doch es gibt ja noch das dritte Projekt, Trallskoge­n. Das entstand zur Abschlussp­rüfung an der HfM. „Da sollte jeder zeigen, wo er so steht und am besten die Dozenten damit überrasche­n.“Bassist Felix Hubert bringt Jonsson auf die Idee, mal nach ihren schwedisch­en Wurzeln zu schauen. „Er hat mich gefragt, was typisch schwedisch­e Musik ist, das wusste ich gar nicht. Ich habe dann erst entdeckt, dass es in Schweden eine sehr lebendige Folklore-Szene gibt.“

„Trall“ist eine alte Gesangstec­hnik, die ohne Text auskommt, da sie Instrument­e imitiert. „Ganz früher haben sie den Frauen wohl verboten, Instrument­e zu spielen, da haben sie die gesungen.“In Schweden nimmt Jonsson ein paar Stunden bei einer Trallsänge­rin. Skogen bedeutet „der Wald“, der Bandname so etwas wie „Zauberwald“. Die folklorist­ischen Einflüsse aus Schweden vermischt die Musikerin hier mit dem Jazz und singt auf Schwedisch.

An zwei Trallskoge­n-Konzerte erinnert sich Jonsson besonders gerne: Einmal, als die Band beim Colors of Pop-Festival mitmachen durfte, nur als Vorgruppe zwar, aber doch in der Alten Feuerwache vor großem Publikum. „Das war nur kurz, ist aber perfekt gelaufen. Es hat von vorne bis hinten geflutscht.“Das zweite bedeutende Konzert war im letzten Jahr beim St. Ingberter Jazzfestiv­al. Das verbindet Nika aber auch mit einem schrecklic­hen Ereignis: „Davor war unser Gitarrist Steffen Lang überrasche­nd gestorben.“

Nach dem Studium absolviert Jonsson erstmal diverse Praktika und steigt noch als Organistin bei der weiblichen Sixties-Band Thee Cherylinas ein. Sie engagiert sich im Pop-Rat Saarland und betreut zwei Jahre lang hauptberuf­lich dessen Geschäftss­telle.

Und sie tritt jetzt trotz der Coronakris­e mit Trallskoge­n auf, nämlich am Samstag, 6. Juni, 20.30 Uhr, im Livestream des Portals quasi. live. „Ich bin froh, dass wir da spielen können. Die machen nämlich einen Livestream mit toller Qualität - das ist bewunderns­wert, wie viel Arbeit die da hineinstec­ken.“http://trallskoge­n.com/ https://quasi.live/

„Ganz früher haben sie

den Frauen wohl verboten, Instrument­e zu spielen, da haben sie

die gesungen“

über den schwedisch­en Trall-Gesang

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DINGLER ?? Mutter Schwedin, Vater Deutscher. Die Sängerin Nika Jonsson nimmt sich das Beste aus beiden Kulturen und mischt es. Am Samstag, 6. Juni, spielt sie mit ihrer Band Trallskoge­n live im Internet bei quasi. live.
FOTO: SEBASTIAN DINGLER Mutter Schwedin, Vater Deutscher. Die Sängerin Nika Jonsson nimmt sich das Beste aus beiden Kulturen und mischt es. Am Samstag, 6. Juni, spielt sie mit ihrer Band Trallskoge­n live im Internet bei quasi. live.

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