Die jazzende Schwedin aus Boppard
Nika Jonsson bereichert die saarlä ndische Musikszene seit ein paar Jahren schon. Mit ihrem Projekt Trallskogen gibt sie Samstag ein Konzert.
Eigentlich trägt Sängerin und Pianistin Nika Jonsson einen ganz gewöhnlichen deutschen Nachnamen. Aber als Künstlerin hat sie sich den Mädchennamen ihrer Mutter ausgesucht und den Vornamen Annika abgekürzt.
Das Pseudonym hatte sie sich schon während ihres Mathematikstudiums ausgesucht. „Ich wollte nicht, dass man nur Musikalisches findet, wenn man mich googelt, ich dachte, bei Bewerbungen wäre das schlecht.“Doch eigentlich stand schon mit dem Erreichen des Mathe-Diploms fest, dass Jonsson lieber Musikerin werden möchte.
Die Eltern seien zwar etwas enttäuscht gewesen, hätten sie aber in schweren Phasen des Musikstudiums doch immer wieder unterstützt. Kennengelernt
hatten sich die beiden, als Jonssons Vater als Lehrer in Schweden Deutschkurse gab: Nikas Mutter war die einzige Teilnehmerin bei den Fortgeschrittenen.
Aufgewachsen ist die 1981 geborene Tochter der beiden dann in einem kleinen Dorf bei Boppard – ziemlich abgeschlossen von ihren späteren musikalischen Vorlieben. „Boppard war jazzfreie Zone“, meint Nika Jonsson rückblickend.
Als Kind lernt sie Blockflöte und später Klavier, somit hauptsächlich Barock und Klassik. Ihr schwedischer Großonkel bringt ihr mal eine Jazz-CD mit, sie selber kauft sich vom Taschengeld ein Album von Louis Armstrong. Die Klavierlehrerin ist nicht erfreut, als Annika den Wunsch äußert, Jazz zu lernen. Sie kauft dennoch ein Lehrbuch, schlägt eine Seite auf und lässt Annika spielen. „Ich habe nichts hinbekommen und sie meinte: ‚Siehst du, so klingt Jazz!’ Das hat mich um Jahre zurückgeworfen.“
Zu dieser Zeit spielt die Musik im Leben der jungen Deutsch-Schwedin noch nicht die große Rolle. Nach dem Abitur geht sie nach Kaiserlautern, um dort Physik und Mathematik zu studieren. Doch gerade durch diesen Weg kommt sie unerwartet zur musikalischen Berufung: „Die Physikstudenten hatten eine Rock-Coverband gegründet, die brauchten eine Sängerin. Ich dachte, ich probiere das mal.“
Als Nika feststellt, dass sie nach Auftritten Halsweh bekommt, nimmt sie Gesangstunden bei Jazzsängerin Kirsti Alho. „Das war mein großes Glück.“Ihr spielt sie auch die ersten Kompositionen
Nika Jonsson
vor. „Eigentlich waren die Songs schlecht, aber sie hat da total cool reagiert. Sie hat gelacht vor Freude und mich darin bestärkt, eigene Songs zu schreiben.“
In Kaiserslautern geht Jonsson zu den Jazzsessions im Benderhof und singt sich dort durch die Jazz-Standards. So landet sie 2010 an der Hochschule für Musik (HfM) Saar und lernt Jazzgesang bei Anne Czichowsky. Da sie weiterhin Stücke schreibt, gründet sie mit Kommilitonen ihre erste Band, Caleido Club. Dort spielen bekannte Namen der saarländische Jazzszene mit wie Kevin Naßhan und Manuel Krass, beim saarländischen Rundfunk wird 2015 eine CD aufgenommen.
Doch Nika gründet noch eine weitere Band: „Ich habe im Studium so viel Jazz gemacht, dass ich gemerkt habe, dass ich doch ein bisschen Pop brauche.“Karambolage nennt sich diese Formation, die sie zunächst mit drei Männern, später mit zwei Frauen betreibt. Diese sind mittlerweile aus dem Saarland weggegangen, sodass die Band zurzeit eher ruht.
Doch es gibt ja noch das dritte Projekt, Trallskogen. Das entstand zur Abschlussprüfung an der HfM. „Da sollte jeder zeigen, wo er so steht und am besten die Dozenten damit überraschen.“Bassist Felix Hubert bringt Jonsson auf die Idee, mal nach ihren schwedischen Wurzeln zu schauen. „Er hat mich gefragt, was typisch schwedische Musik ist, das wusste ich gar nicht. Ich habe dann erst entdeckt, dass es in Schweden eine sehr lebendige Folklore-Szene gibt.“
„Trall“ist eine alte Gesangstechnik, die ohne Text auskommt, da sie Instrumente imitiert. „Ganz früher haben sie den Frauen wohl verboten, Instrumente zu spielen, da haben sie die gesungen.“In Schweden nimmt Jonsson ein paar Stunden bei einer Trallsängerin. Skogen bedeutet „der Wald“, der Bandname so etwas wie „Zauberwald“. Die folkloristischen Einflüsse aus Schweden vermischt die Musikerin hier mit dem Jazz und singt auf Schwedisch.
An zwei Trallskogen-Konzerte erinnert sich Jonsson besonders gerne: Einmal, als die Band beim Colors of Pop-Festival mitmachen durfte, nur als Vorgruppe zwar, aber doch in der Alten Feuerwache vor großem Publikum. „Das war nur kurz, ist aber perfekt gelaufen. Es hat von vorne bis hinten geflutscht.“Das zweite bedeutende Konzert war im letzten Jahr beim St. Ingberter Jazzfestival. Das verbindet Nika aber auch mit einem schrecklichen Ereignis: „Davor war unser Gitarrist Steffen Lang überraschend gestorben.“
Nach dem Studium absolviert Jonsson erstmal diverse Praktika und steigt noch als Organistin bei der weiblichen Sixties-Band Thee Cherylinas ein. Sie engagiert sich im Pop-Rat Saarland und betreut zwei Jahre lang hauptberuflich dessen Geschäftsstelle.
Und sie tritt jetzt trotz der Coronakrise mit Trallskogen auf, nämlich am Samstag, 6. Juni, 20.30 Uhr, im Livestream des Portals quasi. live. „Ich bin froh, dass wir da spielen können. Die machen nämlich einen Livestream mit toller Qualität - das ist bewundernswert, wie viel Arbeit die da hineinstecken.“http://trallskogen.com/ https://quasi.live/
„Ganz früher haben sie
den Frauen wohl verboten, Instrumente zu spielen, da haben sie
die gesungen“
über den schwedischen Trall-Gesang