Künstler brauchen einfach ihr Publikum
Diskussion in der Villa Lessing zur Lage der Kultur. Mitte Juni sollen die ersten Live-Vorstellungen wieder möglich sein.
(sedi) Seit Beginn der Coronakrise veranstaltet die liberale Stiftung Villa Lessing Fachgespräche mit dem Untertitel „Blick nach vorn“zur Lage verschiedener gesellschaftlicher Bereiche. Im zehnten Teil der Reihe, ging es endlich um die Kultur. Dazu hatte die Stiftung Maria Grätzel, die Orchestermanagerin der Deutschen Radio Philharmonie, und Peter Tiefenbrunner, Schauspieler, Regisseur, Autor und Vertreter des Netzwerkes freie Szene Saar, eingeladen. Das Gespräch moderierte SZ-Redaktionsleiterin Ilka Desgranges.
Ob Tiefenbrunner sich über den neusten Stadtratsbeschluss freue, der die Mittel für die Freie Kunstszene unverändert belässt, wollte sie wissen. „Im Prinzip sind wir zufrieden“, meinte dieser. Man sei froh, dass die Projekte weiterhin gefördert würden, auch wenn nun bis zum 10. Juni ein Konzept vorgelegt werden müsse, wie die jeweiligen Aufführungen „corona-tauglich“durchgeführt werden können. „Da gibt es schon eine Vielzahl von Ideen, etwa vom Einszu-eins-Theater bis dazu, Veranstaltungen
einfach nach draußen zu verlegen.“
Grätzel erinnerte sich an die Situation, als sie am 12. März, das werde sie nie vergessen, mitten in der Orchesterprobe die Musiker nachhause schicken musste. Danach habe man in kleinen Ensembles weitergemacht und damit etwa Sendungen beim Saarländischen Rundfunk bestritten, die normalerweise fürs große Orchester vorgesehen waren. Außerdem spielten und spielen Orchestermusiker vor Seniorenheimen und Krankenhäusern, für jene, die nicht nach draußen durften.
Tiefenbrunner meinte, der Wunsch, vor Publikum zu spielen, verbinde die Künstler der Freien Szene mit den festangestellten. Aber die finanzielle Lage sei unterschiedlich, da gebe es in der Freien Szene trotz der Soforthilfe des Landes massive Probleme. Man könne auch nicht wirklich für den Herbst und Winter planen, ohne zu wissen, ob es dann die zweite Welle der Pandemie gibt oder nicht.
Zum Thema Proben sagte Orchestermanagerin Grätzel, dass es jetzt strenge Bestimmungen dazu gebe: Beim Saarländischen Rundfunk herrsche die Regel von zwei Metern Abstand. Die geplante neue Reihe „Hin und Hör“werde somit wohl am 2. Oktober in der Congresshalle starten können. Da werde ein Stück zunächst auf heitere Art erklärt, im Gespräch zwischen SR-Moderator Roland Kunz und dem Dirigenten, und danach komplett gespielt.
Die traditionelle Sommermusik werde es in der gewohnten Form in diesem Jahr nicht geben, erklärte Tiefenbrunner dagegen. Es werde aber irgendetwas Analoges und Corona-taugliches geben, und zwar mit Künstlern aus der Region, den auswärtigen habe man abgesagt.
Schön fand Tiefenbrunner, dass
Bob Ziegenbalg der Freien Szene das Theater Überzwerg angeboten habe. Mitte Juni ginge es dort los, wahrscheinlich mit dem schon mal gespielten Tiefenbrunner-Stück „Swing Heil“über die Swing-Jugendlichen in der Nazizeit.
Der Regisseur erzählte mit Freude, wie ihn jüngst zum ersten Mal wieder ein Veranstalter angerufen habe nach so langer Zeit – „das war ein Festtag!“Ansonsten waren sich die beiden Kulturschaffenden darüber einig, dass zu einer Aufführung ein direkt anwesendes Publikum gehöre: „Kultur ist nicht zuhause am Bildschirm konsumierbar“, meinte Grätzel.
Sie freue sich am meisten darauf, dass das Orchester eines Tages wieder vor ihr sitze und sie den Klang genießen könne. Tiefenbrunner erhoffte sich, mit seiner Partnerin Barbara Scheck, wenigstens bei ihrem traditionellen kabarettistischen Jahresrückblick wieder auf der Bühne stehen zu können und dass dann wenigstens eine Person im Publikum sitze. Ilka Desgranges gab dafür spontan ihre Zusage.