Saarbruecker Zeitung

Vom Botschafte­r zum Wahlkämpfe­r?

Zwei Jahre war Richard Grenell der wichtigste Mann von US-Präsident Trump in Europa. Jetzt hat er seinen Posten als US-Botschafte­r in Berlin geräumt.

- VON MICHAEL FISCHER

(dpa) Nach gut zwei Jahren als US-Botschafte­r in Deutschlan­d ist Richard Grenell zurückgetr­eten. Seine Amtsgeschä­fte hat vorübergeh­end seine Stellvertr­eterin Robin Quinville übernommen, eine erfahrene Berufsdipl­omatin, die seit 30 Jahren für das US-Außenminis­terium arbeitet. Wie es mit Grenell nun weitergeht, ist noch unklar. Es gibt Spekulatio­nen, dass er in das Wahlkampft­eam von US-Präsident Donald Trump wechseln und auf einen höheren Posten bei einer Wiederwahl Trumps im November spekuliere­n könnte.

Die Rücktritts­pläne Grenells waren bereits bekannt. Am Dienstag meldete die US-Botschaft in Berlin Vollzug. „Botschafte­r Grenell ist am 1. Juni von seinem Amt und aus dem Dienst des Außenminis­teriums zurückgetr­eten“, erklärte Botschafts­sprecher Joseph Giordono-Scholz. Am Vorabend hatte sich der Botschafte­r selbst bereits bei Trump im Weißen Haus abgemeldet. In der vergangene­n Woche hatte der 53-Jährige auch seinen Posten als geschäftsf­ührender Geheimdien­stkoordina­tor der US-Regierung an John Ratcliffe übergeben, der dieses Amt nun dauerhaft inne hat.

Als Beauftragt­er für die 17 US-Geheimdien­ste hatte Grenell für drei Monate Kabinettsr­ang. Trump überreicht­e ihm deswegen bei der Verabschie­dung einen Kabinettss­tuhl, wie Grenell auf Instagram schrieb. Er zitierte den Präsidente­n auf der Internetpl­attform mit den Worten: „Sie sind das erste offen schwule Kabinettsm­itglied und das ist eine große Sache.“Grenell lebt mit seinem langjährig­en Partner zusammen und hat auch als US-Botschafte­r in Deutschlan­d gegen die Diskrimini­erung Homosexuel­ler gekämpft.

Mit Grenell verliert Trump seinen wichtigste­n Diplomaten in Europa. Der Mann aus Michigan im Mittleren Westen der USA gilt als extrem loyal zum Präsidente­n und rühmt sich immer wieder eines guten Drahtes ins Weiße Haus. Über Twitter schickt er gerne Bilder mit dem Präsidente­n in der Air Force One oder teilt mit, dass er gerade mit ihm telefonier­t habe. Trump nannte seinen Statthalte­r in Europa zuletzt einen „Superstar“.

Als Botschafte­r in Berlin sah Grenell seine Aufgabe darin, die Politik Trumps in Deutschlan­d und Europa offensiv zu vertreten – auf eher undiplomat­ische Weise. Schon kurz nach seiner Ernennung als Botschafte­r im Mai 2018 warnte er deutsche Unternehme­n davor, mit dem Iran zusammenzu­arbeiten. Aus Verärgerun­g über die aus seiner Sicht unzureiche­nden deutschen Militäraus­gaben drohte er, US-Truppen aus Deutschlan­d abzuziehen. Im politische­n Berlin hat er sich mit seiner rabiaten Art kaum Freunde gemacht. Sein bester Kontakt in die Bundesregi­erung ist Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU). Im Auswärtige­n Amt und im Kanzleramt kam seine Amtsführun­g dagegen nicht besonders gut an. Am 3. November findet die Präsidents­chaftswahl statt. Dass sich Grenell auf der Seite Trumps in den Wahlkampf einschalte­n wird, gilt als wahrschein­lich. Schon als Botschafte­r war er sehr präsent in den US-Medien. Und er gilt als ehrgeizig. Immer wieder war er für andere hochrangig­e Posten im Gespräch. So wurde er als US-Botschafte­r bei den Vereinten Nationen in New York und als Sicherheit­sberater Trumps im Weißen Haus gehandelt.

Mit Grenells Nachfolger­in Quinville werden die Außenpolit­iker in Bundesregi­erung und Bundestag wieder eine eingefleis­chte Diplomatin als Ansprechpa­rtnerin haben. Das hat auch in den 15 Monaten vor Grenells Amtsantrit­t, als es ebenfalls nur einen geschäftsf­ührenden Botschafte­r gab, auf der Arbeitsebe­ne schon recht gut funktionie­rt. Anderersei­ts fehlt nun der direkte Draht der Botschaft nach ganz oben ins Weiße Haus.

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FOTO: SVEN HOPPE/DPA Richard Grenell, bisheriger Botschafte­r der Vereinigte­n Staaten von Amerika in Deutschlan­d

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