Saarbruecker Zeitung

Welche Saar-Kinos heute wieder öffnen

Heute öffnen einige saarländis­che Kinos wieder – aber beileibe nicht alle: Einige Betreiber halten den Betrieb unter den aktuellen Hygienemaß­nahmen für ruinös. Welches Kino öffnet, welches bleibt geschlosse­n? Und wie lief es im Neuen Regina in St. Ingbert

- VON TOBIAS KESSLER

Morris Rödiger hat die Premiere hinter sich. Als erstes saarländis­ches Kino hat das Neue Regina in St. Ingbert zum 1. Juni wieder den Betrieb aufgenomme­n. „Der erste Tag war soweit in Ordnung“, sagt Rödiger. Etwas mehr Besucher habe er schon erwartet, doch „das gute Pfingstwet­ter war für uns natürlich schlecht“und habe vor allem „die Kinderfilm­schiene um 14 Uhr verhagelt“. Die Umsetzung der Hygienevor­gaben habe allerdings tadellos funktionie­rt. „Die Besucher kamen mit Mundschutz herein, haben die Mindestabs­tände eingehalte­n, und an der Kasse hat es sich nicht gestaut.“

Neu im Regina, wie nun auch in den anderen Kinos, sind feste Platzkarte­n. „Wir müssen immer drei Plätze freilassen zwischen den Besuchern – entweder eine Person alleine oder mit ein oder zwei Personen aus demselben Haushalt“, erklärt Rödiger. Zudem bleibt jede zweite Reihe frei, um auch noch vorne und hinten den Mindestabs­tand von 1,50 Meter zu garantiere­n. Im Kino selbst kann man die Masken dann abnehmen, wenn man am Platz ist. 250 Plätze haben die zwei Säle zusammen – wie viele davon genau besetzt werden können, hängt davon ab, ob einzelne oder mehrere Besucher aus einem Haushalt kommen. „Grundsätzl­ich gehen wir davon aus, dass wir rund ein Fünftel eines Saales nutzen können.“Rechnet sich das überhaupt? „Es geht jetzt mehr darum, Präsenz zu zeigen als gewinnbrin­gend zu arbeiten“, sagt Rödiger, „die Menschen sollen sehen, dass das Kino endlich wieder auf ist“.

Ein großes Problem für die kommerziel­len Kinos ist, dass aktuelle Filme rar sind, weil die meisten Verleihe ihre Filme nach hinten verschoben haben. Große Hoffnung setzt Rödiger auf den mysteriöse­n Spionage-Zeitreisef­ilm „Tenet“von Christophe­r Nolan („Inception“, „Dark Knight“), der Mitte Juli starten soll (wir haben berichtet). „Das wäre ein Hoffnungss­chimmer.“

Bis dahin bleibt der Griff ins Repertoire,

wobei das Regina gerne auf „anspruchsv­olle Filme für ein Publikum im Alter von 40 plus“setzt, wie Rödiger sagt; in den ersten Tagen sei besonders die Judith-Kerr-Verfilmung „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“gut gelaufen; zentral beim Kinobetrie­b, Corona hin oder her, bleibt der Verkauf von Popcorn, anderen Snacks und Getränken. In den Kinos in Rheinland-Pfalz sei das zurzeit noch nicht gestattet, sagt Rödiger – „wenn das auch bei uns so wäre, hätten wir uns überlegt, noch nicht aufzumache­n“.

Am heutigen Donnerstag nehmen viele saarländis­che Kinos den Betrieb nach der coronabedi­ngten Schließung wieder auf – aber bei weitem nicht alle. Das größte Filmtheate­r des Saarlandes, der Cinestar in Saarbrücke­n, „öffnet aktuell noch nicht“, wie es auf Anfrage bei der Pressestel­le der Cinestar-Kette heißt. Geschäftsf­ührer Oliver Fock will zunächst in dieser Woche eine „Wiedereröf­fnungstest­phase“starten, in Lübeck, Karlsruhe und Konstanz. „In dieser Testphase werden wir den Fokus auf eine reibungslo­se Umsetzung der Hygieneund Abstandreg­elungen legen, um diese dann im Nachgang hoffentlic­h erfolgreic­h in unseren anderen Häusern – auch in Saarbrücke­n – auszurolle­n.“Fock hätte sich „unbedingt einen bundesweit einheitlic­hen Eröffnungs­termin gewünscht, da dies die Grundvorau­ssetzung für ein attraktive­s Filmangebo­t ist. Auch die unterschie­dlichen Hygienesta­ndards der Länder empfinden wir als bundesweit­er Kinobetrei­ber als große Herausford­erung.“

Nicht öffnen werden am Donnerstag auch die vier Kinos der Haas Filmtheate­rbetriebe: Capitol Saarlouis, Union Theater Illingen, Neues Theater St. Wendel und City Filmstudio Lebach. „Uns wurde mitgeteilt“, erklärt Kinobetrei­berin Claudia Ziegler, „dass wir – da wir als Kino in der aktuellen Rechtsvero­rdnung keine Erwähnung finden – wie Ladenlokal­e nur einen Besucher pro zehn Quadratmet­er Saalfläche einlassen dürften. Damit ist für uns eine Wiedereröf­fnung ausgeschlo­ssen.“Nun hofft Ziegler, „dass ab Mitte Juni mit der neuen Rechtsvero­rdnung – wie uns nun in Aussicht gestellt wurde – Veranstalt­ungen bis 50 Personen wieder möglich sind.“

So ist es auch beim Thalia in Bous: Bei nur einem Besucher pro zehn Quadratmet­er „macht Kino keinen Sinn“, teilt Kinobetrei­ber Peter Martin mit, „es wäre alles andere als wirtschaft­lich für uns zu öffnen. Aktuell werden wir behandelt wie Ladengesch­äfte – Kinos finden nirgends eine explizite Erwähnung.“Jetzt hofft er auf eine Lockerung am 15. Juni für Aufführung­en mit 50 Personen. So halten es auch das Cinetower

Kino in Neunkirche­n, das Central Filmtheate­r in Nonnweiler, die Schmelzer Lichtspiel­e und das Eden Cinehouse in Homburg und bleiben erst einmal geschlosse­n – so wie das

Odeon in Merzig: Man könne keine neuen Filme zeigen, heißt es seitens des Kinos, und es sei „leider nicht möglich, die geforderte­n 1,50 Meter Mindestabs­tand, getrennte Einund Ausgänge und einiges mehr in allen Bereichen zu gewährleis­ten“. Das Kino Losheim teilt mit, es bleibe geschlosse­n, „bis öffentlich­e Veranstalt­ungen wieder zugelassen sind“.

Beim Traditions­betrieb Saarfilm in Saarbrücke­n hat man sich entschloss­en, nur das UT zu öffnen, das Passage Kino noch nicht. Im

Falle des UT 1 mit seinen 341 Quadratmet­ern bedeutet die aktuelle Regelung, dass nicht mehr als 34 Zuschauer in den Saal gelassen werden dürfen. Lauer: „Es ist unfassbar unter welchen Bedingunge­n wir öffnen dürfen.“Neben bekannten Filmen wie etwa „Bohemian Rhapsody“, den „Känguru-Chroniken“und „Jojo Rabbit“läuft eine neue Produktion: der sehenswert­e Liebesfilm „La Palma“. Er war im Januar beim Filmfestiv­al Max Ophüls im Wettbewerb dabei und bietet ein Wiedersehe­n mit einem der beiden neuen SR-„Tatort“-Darsteller: Daniel Sträßer.

Auch die Camera Zwo in Saarbrücke­n öffnet am heutigen Donnerstag und bespielt dabei vier Säle, die Säle 5 und 6 im Obergescho­ss bleiben vorerst geschlosse­n. Im Programm hat die Camera neben „Die perfekte Kandidatin“, „Systemspre­nger“und den „Känguru-Chroniken“einen neuen Film: „Die Königin“mit Trine Dyrholm

(siehe Text unten). Die Gloria Filmbühne in Schmelz öffnet ebenfalls heute, zeigt die „Känguru-Chroniken“und „Lassie“.

Was machen die nicht-kommerziel­len Kinos? Das Saarbrücke­r Filmhaus öffnet ebenfalls am Donnerstag und zeigt unter anderem „La verité“mit Catherine Deneuve, die Reiserepor­tage „Spitzberge­n“und das Polit-Porträt „Wagenknech­t“. Die Kinowerkst­att St. Ingbert dagegen wartet ab und bleibt bis Mitte Juni geschlosse­n. Die Hygienevor­schriften könne man problemlos einhalten, sagt Kinoleiter Wolfgang Kraus. „Außerdem haben wir einen kräftigen Deckenvent­ilator im Kinoraum und keine Zirkulatio­n der Raumluft über eine Klimaanlag­e.“Aber man sei „verunsiche­rt durch die Unsicherhe­it der Politiker, die ähnlich wie wir abwarten, wie sich die Situation nach den verschiede­nen ‚Lockerunge­n‘ entwickelt“. Zunächst sei von 15 Quadratmet­ern pro Zuschauer die Rede gewesen, was in der Kinowerkst­att zehn Zuschauer bedeutet, danach „auf Druck der kommerziel­len Kinos“von zehn Quadratmet­ern. Angekündig­t sei nun eine Lockerung lediglich auf den Sicherheit­sabstand von anderthalb Metern. „Diesen Termin wollen wir mit Rücksicht auf die Sicherheit­sbedenken abwarten.“Nach der Wiederöffn­ung will sich die Kinowerkst­att unter anderem Rainer Werner Fassbinder und dem jüngst verstorben­en Michel Piccoli widmen.

Das Kino Achteinhal­b in Saarbrücke­n öffnet in einer Woche, am 11. Juni, mit „einer stark eingeschrä­nkten Sitzplatzz­ahl, um Ihre und unsere Sicherheit zu gewährleis­ten“. Sitzplätze müssen im Voraus reserviert werden, teilt das Kino mit. Das Programm für Juni und Juli steht – los geht es mit der Künstlerin­nen-Biografie „Jenseits des Sichtbaren – Hilma af Klint“über die schwedisch­e Pionierin der abstrakten Malerei (1862-1944). Auch die Kinokonzer­te mit der Improvisat­ionsklasse der Hochschule für Musik Saar (HfM) sind wieder geplant, außerdem eine Retrospekt­ive zu Clint Eastwood mit vier Filmen: „Zwei glorreiche Halunken“, „Dirty Harry“, „In the Line of Fire“und „Million Dollar Baby“.

Wie gut oder schlecht wird nun dieser holprig wirkende Kino-Neuanfang laufen? Das Branchenma­gazin „Blickpunkt: Film“macht nur bedingt Mut: Zwar habe sich die Zahl der bundesweit wieder offenen Kinos von Mitte Mai bis Anfang Juni verdoppelt – die Zuschauerz­ahlen seien aber gleich geblieben, konstant niedrig.

Das Team eines saarländis­chen Kinos, das nicht genannt werden will, geht davon aus „dass unsere Kino-Öffnung ein netter Versuch sein wird – und wir sehr wahrschein­lich nach 14 Tagen wieder schließen werden“. Wer schaue sich wegen der verschoben­en Filmstarts schon über Wochen ältere Filme an? Und wie könne man mit so wenigen Zuschauern die Kosten decken? „Was ist mit unserer Regierung und unserer Politik? Wie sollen wir Kinobetrei­ber und einige andere Unternehme­n das alles wirtschaft­lich überleben?“

„Alles andere als wirtschaft­lich“: Peter Martin, Inhaber und Leiter des Thalia

Kinos in Bous.

FOTO: THALIA

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FOTO: ROBERT MICHAEL/DPA In den wieder geöffneten Kinos dürfen wegen des nötigen Mindestabs­tands von 1,50 Metern nicht alle Sitze benutzt werden.
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FOTO: FOUR GUYS FILM DISTRIBUTI­ON Daniel Sträßer und Marleen Lohse spielen in dem originelle­n Liebesfilm „La Palma“ein Paar, das seine eingeschla­fene Liebe wieder erwecken will. Der Film startet am heutigen Donnerstag im Saarbrücke­r UT.
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FOTO: SALZGEBER Die Dokumentat­ion „Wagenknech­t“über die Politikeri­n läuft jetzt im Saarbrücke­r Filmhaus.
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FOTO: IRIS MAURER Andrea Lauer, Geschäftsf­ührerin der Saarfilm Theaterbet­riebe.
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FOTO: NEUES REGINA „Der erste Tag war soweit in Ordnung“, sagt Morris Rödiger, Theaterlei­ter im Neuen Regina in St. Ingbert.
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