Saarbruecker Zeitung

Land und Träger ringen um Kita-Regelbetri­eb

Ab nächsten Montag sollen die Kindergärt­en im Saarland in den „eingeschrä­nkten Regelbetri­eb“zurückkehr­en. Doch noch sind viele Fragen offen.

- VON TOBIAS FUCHS

(SZ) Ab Montag werden voraussich­tlich nicht alle Kinder mit Rechtsansp­ruch auf einen Kita-Platz in die Regel-Betreuung zurückkehr­en können. Das zeichnet sich nach Gesprächen unter anderen zwischen der Landesregi­erung und den Trägern ab. Knackpunkt­e sind die Umsetzung von Corona-Regeln und der Schutz des Personals. Eigentlich soll am Montag ein „eingeschrä­nkter Regelbetri­eb“starten.

Wenn sie eine Erzieherin mit Maske sehen, reagieren die Kinder von Sabine Lang noch immer irritiert. „Sie erwarten Normalität“, sagt Lang, die in Dudweiler die Städtische Kita Rehbachstr­aße leitet. Vor der Corona-Pandemie besuchten 62 Kinder die kommunale Einrichtun­g, derzeit sind es 28 in der erweiterte­n Notbetreuu­ng.

Geht es nach der saarländis­chen Landesregi­erung, könnte sich die Zahl der betreuten Kinder ab nächsten Montag wieder der Normalität annähern. Bildungsmi­nisterin Christine Streichert-Clivot (SPD) hatte bereits vor Pfingsten den „eingeschrä­nkten Regelbetri­eb“für den 8. Juni angekündig­t. Dann werde der Rechtsansp­ruch auf Betreuung wieder aufleben, sagte die Ministerin. Das Telefon habe nicht mehr stillgesta­nden, berichtet Lang von den Reaktionen in Dudweiler: „Die Eltern hatten die Vorstellun­g, am Montag geht alles wieder auf.“Die Kita-Leiterin weiß: „Der Wunsch nach Normalität ist groß.“Aber lässt er sich so schnell erfüllen?

„Es wird am Montag noch nicht der normale Regelbetri­eb losgehen“, sagt Thomas Brück (Grüne), als Bildungsde­zernent in Saarbrücke­n für 20 städtische Kitas zuständig. Schon jetzt ist klar: „Wir werden nicht alle Kinder aufnehmen können.“Nach welchen Kriterien die Plätze im eingeschrä­nkten Regelbetri­eb vergeben werden, das ist wenige Tage vor dem Starttermi­n nur eine von vielen offenen Fragen. Brück spricht von „Diskussion­sbedarf“mit den zuständige­n Ministerie­n,

am Donnerstag soll es erneut Gespräche geben. Am Dienstag war man nach SZ-Informatio­nen ohne Ergebnis auseinande­rgegangen, die Kita-Träger sollten ihre Vorstellun­gen formuliere­n.

Der größte Betreiber in der Region, die Katholisch­e Kita Saarland, reagierte am Mittwoch verhalten auf die Vorgaben der Landespoli­tik. Zwar hatten sich die Familienmi­nister der Bundesländ­er schon vor längerer Zeit auf einen Stufenplan geeinigt, um aus dem Notbetrieb herauszuko­mmen. Trotzdem spricht der kirchliche Träger von der Herausford­erung, den nächsten

Schritt auf dem Weg zur Normalität „sehr kurzfristi­g zu organisier­en“.

Während die Betreiber sich offenbar unter Druck sehen, die politische­n Verspreche­n einzulösen, heißt es aus Regierungs­kreisen, die Träger hätten den Rechtsansp­ruch auf Betreuung aus dem Blick verloren. Bei der Erziehungs­gewerkscha­ft

GEW hat man den Eindruck, dass sich Träger und beteiligte Ministerie­n gegenseiti­g die Verantwort­ung zuschieben. Landeschef­in Birgit Jenni hatte bereits vor Ostern für Kindergärt­en einen Musterhygi­eneplan eingeforde­rt. Ein solches Konzept war eine Voraussetz­ung für die Wiedereröf­fnung der Schulen im Saarland.

Das für die Schulen vorgelegte Papier umfasst 20 Seiten, während die Notbetreuu­ng in den Krippen und Kindergärt­en ohne einheitlic­he Richtlinie­n ausgebaut wurde. Im Mai erklärten das Gesundheit­sund Sozialmini­sterium, man arbeite an einem Musterhygi­eneplan für

Kitas. Neben den Gesundheit­sämtern sollte die Virologie des Unikliniku­ms in Homburg eingebunde­n werden. Der Musterhygi­eneplan sei primär für den Zeitpunkt gedacht, an dem der eingeschrä­nkte Regelbetri­eb wieder beginnen könne, sagte eine Sprecherin von Ministerin Monika Bachmann (CDU) damals.

Geht es um die Kitas, nimmt Bachmann eine Schlüsselp­osition in der Landesregi­erung ein. Sie ist als Gesundheit­sministeri­n nicht nur für den Infektions­schutz verantwort­lich, sondern teilt sich die Zuständigk­eit für die Kitas mit Bildungsmi­nisterin Streichert-Clivot. Nun hat ihr Haus zwar pünktlich eine „Empfehlung zum Infektions­schutz in Kindertage­seinrichtu­ngen im Rahmen der Corona-Pandemiema­ßnahmen“vorgelegt. Doch sowohl bei den Kita-Trägern als auch auf Seiten der Arbeitnehm­ervertrete­r scheint es noch einigen Klärungsbe­darf zu geben. Gewerkscha­fterin Jenni sprach am Mittwoch bei beiden Ministerie­n vor.

Die „Empfehlung­en“ähneln denen für die Schulen. Doch gibt es auch gravierend­e Unterschie­de: Auf konkrete Vorgaben zum Raumbedarf und zu Gruppengrö­ßen hat man verzichtet. Das kommt den Betreibern entgegen. „Die räumliche Situation ist in jeder Kita eine andere“, sagt der Saarbrücke­r Dezernent Brück. Daher begrüßt er eine „gewisse Flexibilit­ät“. Anders als bei der Notbetreuu­ng lassen sich die zur Vergfügung stehenden Plätze so jedoch schwerer berechnen. Wie viele Eltern nicht zum Zuge kommen werden, lässt sich derzeit nicht sagen. Bei der Katholisch­en Kita Saarland heißt es, dass man den „eingeschrä­nkten Regelbetri­eb“in der „Umsetzung gemäß den örtlichen Bedingunge­n individuel­l und kritisch prüfen“müsse.

Anders als der Hygienepla­n für die Schulen enthält das Konzept für die Kitas auch keine Übersicht, wer vom Personal zur Risikogrup­pe für Covid-19 zu zählen ist. „Die Risikogrup­pe wird gar nicht definiert“, bemängelt Birgit Jenni von der GEW. Mehr als ein Viertel der Erzieher im Saarland ist 50 Jahre oder älter. Das zeigen Daten des Statistisc­hen Bundesamte­s. Daher hatte die Erziehungs­gewerkscha­ft auf den Hygienepla­n für die frühkindli­che Bildung gedrängt und gefordert, das Personal aus Risikogrup­pen nicht einzusetze­n. Grundsätzl­ich befürworte­t Jenni die Rückkehr zum Regelbetri­eb, aber „immer unter dem Dach des Gesundheit­sschutzes“. Daher verlangt sie auch ein Corona-Testkonzep­t für Kinder und Beschäftig­te in Krippen und Kindergärt­en.

„Es wird am Montag noch nicht der normale Regelbetri­eb losgehen.“Thomas Brück Bildungsde­zernent in Saarbrücke­n

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FOTO: JENS BÜTTNER/DPA Wie geht es mit dem „eingeschrä­nkten Regelbetri­eb“in den Saar-Kitas weiter? Noch herrscht Unklarheit – vor allem über Hygienekon­zepte.

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