Land und Träger ringen um Kita-Regelbetrieb
Ab nächsten Montag sollen die Kindergärten im Saarland in den „eingeschränkten Regelbetrieb“zurückkehren. Doch noch sind viele Fragen offen.
(SZ) Ab Montag werden voraussichtlich nicht alle Kinder mit Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz in die Regel-Betreuung zurückkehren können. Das zeichnet sich nach Gesprächen unter anderen zwischen der Landesregierung und den Trägern ab. Knackpunkte sind die Umsetzung von Corona-Regeln und der Schutz des Personals. Eigentlich soll am Montag ein „eingeschränkter Regelbetrieb“starten.
Wenn sie eine Erzieherin mit Maske sehen, reagieren die Kinder von Sabine Lang noch immer irritiert. „Sie erwarten Normalität“, sagt Lang, die in Dudweiler die Städtische Kita Rehbachstraße leitet. Vor der Corona-Pandemie besuchten 62 Kinder die kommunale Einrichtung, derzeit sind es 28 in der erweiterten Notbetreuung.
Geht es nach der saarländischen Landesregierung, könnte sich die Zahl der betreuten Kinder ab nächsten Montag wieder der Normalität annähern. Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot (SPD) hatte bereits vor Pfingsten den „eingeschränkten Regelbetrieb“für den 8. Juni angekündigt. Dann werde der Rechtsanspruch auf Betreuung wieder aufleben, sagte die Ministerin. Das Telefon habe nicht mehr stillgestanden, berichtet Lang von den Reaktionen in Dudweiler: „Die Eltern hatten die Vorstellung, am Montag geht alles wieder auf.“Die Kita-Leiterin weiß: „Der Wunsch nach Normalität ist groß.“Aber lässt er sich so schnell erfüllen?
„Es wird am Montag noch nicht der normale Regelbetrieb losgehen“, sagt Thomas Brück (Grüne), als Bildungsdezernent in Saarbrücken für 20 städtische Kitas zuständig. Schon jetzt ist klar: „Wir werden nicht alle Kinder aufnehmen können.“Nach welchen Kriterien die Plätze im eingeschränkten Regelbetrieb vergeben werden, das ist wenige Tage vor dem Starttermin nur eine von vielen offenen Fragen. Brück spricht von „Diskussionsbedarf“mit den zuständigen Ministerien,
am Donnerstag soll es erneut Gespräche geben. Am Dienstag war man nach SZ-Informationen ohne Ergebnis auseinandergegangen, die Kita-Träger sollten ihre Vorstellungen formulieren.
Der größte Betreiber in der Region, die Katholische Kita Saarland, reagierte am Mittwoch verhalten auf die Vorgaben der Landespolitik. Zwar hatten sich die Familienminister der Bundesländer schon vor längerer Zeit auf einen Stufenplan geeinigt, um aus dem Notbetrieb herauszukommen. Trotzdem spricht der kirchliche Träger von der Herausforderung, den nächsten
Schritt auf dem Weg zur Normalität „sehr kurzfristig zu organisieren“.
Während die Betreiber sich offenbar unter Druck sehen, die politischen Versprechen einzulösen, heißt es aus Regierungskreisen, die Träger hätten den Rechtsanspruch auf Betreuung aus dem Blick verloren. Bei der Erziehungsgewerkschaft
GEW hat man den Eindruck, dass sich Träger und beteiligte Ministerien gegenseitig die Verantwortung zuschieben. Landeschefin Birgit Jenni hatte bereits vor Ostern für Kindergärten einen Musterhygieneplan eingefordert. Ein solches Konzept war eine Voraussetzung für die Wiedereröffnung der Schulen im Saarland.
Das für die Schulen vorgelegte Papier umfasst 20 Seiten, während die Notbetreuung in den Krippen und Kindergärten ohne einheitliche Richtlinien ausgebaut wurde. Im Mai erklärten das Gesundheitsund Sozialministerium, man arbeite an einem Musterhygieneplan für
Kitas. Neben den Gesundheitsämtern sollte die Virologie des Uniklinikums in Homburg eingebunden werden. Der Musterhygieneplan sei primär für den Zeitpunkt gedacht, an dem der eingeschränkte Regelbetrieb wieder beginnen könne, sagte eine Sprecherin von Ministerin Monika Bachmann (CDU) damals.
Geht es um die Kitas, nimmt Bachmann eine Schlüsselposition in der Landesregierung ein. Sie ist als Gesundheitsministerin nicht nur für den Infektionsschutz verantwortlich, sondern teilt sich die Zuständigkeit für die Kitas mit Bildungsministerin Streichert-Clivot. Nun hat ihr Haus zwar pünktlich eine „Empfehlung zum Infektionsschutz in Kindertageseinrichtungen im Rahmen der Corona-Pandemiemaßnahmen“vorgelegt. Doch sowohl bei den Kita-Trägern als auch auf Seiten der Arbeitnehmervertreter scheint es noch einigen Klärungsbedarf zu geben. Gewerkschafterin Jenni sprach am Mittwoch bei beiden Ministerien vor.
Die „Empfehlungen“ähneln denen für die Schulen. Doch gibt es auch gravierende Unterschiede: Auf konkrete Vorgaben zum Raumbedarf und zu Gruppengrößen hat man verzichtet. Das kommt den Betreibern entgegen. „Die räumliche Situation ist in jeder Kita eine andere“, sagt der Saarbrücker Dezernent Brück. Daher begrüßt er eine „gewisse Flexibilität“. Anders als bei der Notbetreuung lassen sich die zur Vergfügung stehenden Plätze so jedoch schwerer berechnen. Wie viele Eltern nicht zum Zuge kommen werden, lässt sich derzeit nicht sagen. Bei der Katholischen Kita Saarland heißt es, dass man den „eingeschränkten Regelbetrieb“in der „Umsetzung gemäß den örtlichen Bedingungen individuell und kritisch prüfen“müsse.
Anders als der Hygieneplan für die Schulen enthält das Konzept für die Kitas auch keine Übersicht, wer vom Personal zur Risikogruppe für Covid-19 zu zählen ist. „Die Risikogruppe wird gar nicht definiert“, bemängelt Birgit Jenni von der GEW. Mehr als ein Viertel der Erzieher im Saarland ist 50 Jahre oder älter. Das zeigen Daten des Statistischen Bundesamtes. Daher hatte die Erziehungsgewerkschaft auf den Hygieneplan für die frühkindliche Bildung gedrängt und gefordert, das Personal aus Risikogruppen nicht einzusetzen. Grundsätzlich befürwortet Jenni die Rückkehr zum Regelbetrieb, aber „immer unter dem Dach des Gesundheitsschutzes“. Daher verlangt sie auch ein Corona-Testkonzept für Kinder und Beschäftigte in Krippen und Kindergärten.
„Es wird am Montag noch nicht der normale Regelbetrieb losgehen.“Thomas Brück Bildungsdezernent in Saarbrücken