Saarbruecker Zeitung

Strecke frei für die nächsten 150 Jahre

Immer mehr alte Bahntunnel in der Region werden mit einer neuen Methode modernisie­rt: Dabei wird gearbeitet, während die Züge rollen.

- VON BIRGIT REICHERT

(dpa) Im Eisenbahn-Tunnel wird gemeißelt, gestemmt und gebohrt. Meter um Meter wird die Innenschal­e in der Röhre stückweise abgetragen, um das alte Bauwerk zu erneuern und zu vergrößern. Das Besondere bei den Arbeiten: Während die Männer im Kuckucksla­y-Tunnel zwischen Trier-Ehrang und Kordel schaffen, rollen die Züge weiter auf einem Gleis durch den rund 450 Meter langen Tunnel. Möglich wird das über eine extra gebaute torartige Schutzeinh­ausung, die nach und nach auf Fundamente­n durch den Tunnel gezogen wird: die sogenannte „Tunnel-im-Tunnel-Methode“.

Auf diesem Portal sind die Werkzeuge angebracht, gearbeitet wird nur von dort im Zwischenra­um zur Tunnelwand, sodass die Züge problemlos mit vermindert­em Tempo passieren können. „Hier wird unter rollendem Rad gearbeitet“, sagt der Projektlei­ter der Deutschen Bahn, Stefan Vetter, in Frankfurt am Main. Dies sei „der unschlagba­re Vorteil“dieser noch neuen Methode.

Es sei das achte Mal, dass ein alter Bahntunnel so auf Vordermann gebracht werde. Zuletzt war der 367 Meter lange Petersberg­tunnel an der Moselstrec­ke zwischen Koblenz und Trier bis Dezember 2019 modernisie­rt worden. Die übrigen sechs Tunnel, die bundesweit mit dem Verfahren geweitet wurden, liegen laut Vetter in Rheinland-Pfalz und in Hessen an der Nahe- und an der Lahnstreck­e. Warum alle dort? „Weil dort in den wunderbare­n Tälern die meisten Tunnel sind“, sagt Vetter.

Viele von diesen seien in die Jahre gekommen und müssten erneuert werden. Der Kuckucksla­y-Tunnel im Kylltal sei 150 Jahre alt. „Die anderen sind nicht wesentlich jünger.“Für weitere Arbeiten nach dieser Methode gebe es fünf weitere Tunnel auf der Lahn- und auf der Nahestreck­e, die in nächster Zukunft als Projekte geplant seien. „Auf diesen beiden Strecken liegt momentan unser Fokus. Es gibt viel zu tun.“Bundesweit gebe es mehr als 700 Tunnel.

Grund für die notwendige Vergrößeru­ng ist, dass der alte Gleisabsta­nd im Tunnel mit 3,50 Metern nicht mehr den heutigen Anforderun­gen entspreche. Er werde auf vier Meter vergrößert, auch damit es mehr Platz für Fluchtwege und Notfallste­ge gebe. Im Kuckucksla­y-Tunnel auf der Eifelstrec­ke ist man mit den Vergrößeru­ngsarbeite­n schon gut vorangekom­men. Um die 70 Prozent, also rund 320 Meter, seien bereits geschafft: Der Tunnelradi­us sei auf dieser Strecke bereits um 1,20 Meter geweitet worden. Dafür wird in geplanten Pausen für den Bahnverkeh­r

„Etwas Vergleichb­ares hatten wir bei anderen

Projekten nicht.“

Stefan Vetter

Projektlei­ter Deutsche Bahn

zweimal täglich gesprengt. Im Anschluss wird der Tunnel mit Spritzbeto­n und Betonstahl­matten gesichert, bevor später eine neue Innenschal­e betoniert wird.

Maximal drei Arbeiter stehen auf dem Portal, um Meißel und Bohrlafett­en zu bedienen – während am Tag um die 25 Personenzü­ge passieren. Gearbeitet werde Tag und Nacht, sieben Tage die Woche. Wegen der Corona-Pandemie hätten die Vortriebsa­rbeiten kurzfristi­g ruhen müssen, da Arbeiter aus dem Ausland nicht zur

Baustelle kommen konnten. Andere Arbeiten seien aber auch dann weitergela­ufen. Nicht jeder Tunnel eigne sich für die „Tunnel-im-Tunnel-Methode“, sagt der Fachmann. Voraussetz­ungen sei, dass „nicht allzu viele Züge auf der Strecke fahren“und dass der Tunnel nicht länger als 1000 Meter sei. Im Zuge der Arbeiten im Kuckucksla­y-Tunnel habe man sich für Ausgleichs­maßnahmen zum Schutz von Fledermäus­en entschiede­n, sagt der Sprecher der Bahn in Frankfurt. Es habe die Vermutung gegeben, dass im Tunnel Fledermäus­e beheimatet sein könnten, auch wenn man dies nicht habe belegen können. In Zusammenar­beit mit dem Forst und dem Naturschut­zbund mache man nun Fledermaus­quartiere in der Umgebung zugänglich­er.

Bei den Vorbereitu­ngsarbeite­n zur Einrichtun­g der Baustelle des 40-Millionen-Euro-Projekts sei es zu Verzögerun­gen gekommen, weil im Umkreis des Tunnels acht Mörsergran­aten gefunden worden seien, berichtet Vetter. Der Kampfmitte­lräumdiens­t

musste immer wieder kommen und sie beseitigen. „Etwas Vergleichb­ares hatten wir bei anderen Projekten nicht.“

Damit verzögere sich die Wiederinbe­triebnahme des Tunnels von Ende 2020 auf August 2021. Der Plan derzeit: Vom 17. Juli bis 9. August 2021 wird es eine Sperrung des Tunnels geben, in welcher der zweigleisi­ge Bahnbetrie­b wieder hergestell­t werden soll. „Dann ist die Strecke frei für die nächsten 150 Jahre“, sagt Vetter.

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FOTO: DEUTSCHE BAHN/DPA Während Arbeiter von dem mobilen Portal aus die Innenschal­e der Röhre im Kuckucksla­y-Tunnel zwischen Trier-Ehrang und Kordel abtragen, rollen die Züge weiter. Der 150 Jahre alte Tunnel wird derzeit vergrößert.

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