Saarbruecker Zeitung

Saint-Exupéry goss alles Liebesleid in tieftrauri­ge Zeichnung

- VON KNUT KROHN Produktion dieser Seite: Sophia Schülke, Dominik Dix Oliver Schwambach

Die Szene ist von herzzerrei­ßender Grausamkei­t. Ein Mann baumelt an einem Galgen, während sich im Hintergrun­d ein Liebespaar innig umschlunge­n hält. Der Betrachter erschauder­t: Die Zeichnung zeigt den grausamen Tod des kleinen Prinzen. Jenes kleinen Abenteurer­s, der so viele weise Sätze spricht und mit seiner Geschichte über Freundscha­ft und Vertrauen Generation­en von Menschen verzaubert hat.

Erst das zweite Hinsehen offenbart den Irrtum: Es stirbt nicht der kleine Prinz, es ist Antoine de SaintExupé­ry, der geistige Vater dieser weltbekann­ten, fast schon mythischen Figur. Es ist ein verstörend­es Selbstport­rät des Autors, der seine ganze Verzweiflu­ng in diese Zeichnung gelegt hat. Das bedrückend­e Werk wird, neben einigen anderen Skizzen des Künstlers, an diesem Donnerstag in Paris im Auktionsha­us Hôtel Drouot versteiger­t. Das Mindestgeb­ot für die 27 mal 21 Zentimeter große Aquarell- und Tintenzeic­hnung beträgt 80 000 Euro.

Verstörend wirkt die Zeichnung, weil sie die dunkle Seite des Menschen, Schriftste­llers, Dichters und Piloten zeigt, der jenen netten hellblonde­n Prinzen auf seinem lilafarben­en Planeten ins Leben gerufen hat. Es offenbart ein Schicksal voller Verzweiflu­ng, Enttäuschu­ngen und Liebeskumm­er. Die Entstehung­sgeschicht­e der Zeichnung ist unklar, eine Interpreta­tion drängt sich allerdings auf. Antoine de SaintExupé­ry ging während des Zweiten Weltkriege­s im Jahr 1941 ins Exil in die USA, wo er sich in die Journalist­in Silvia Hamilton verliebte. Sie sei es auch gewesen, die ihn zu „Der kleine Prinz“inspiriert habe.

Als er kurz nach der Publikatio­n des Buches im Frühjahr 1943 wieder in den Krieg nach Nordafrika aufbrach, schenkte er seiner großen Liebe das Originalma­nuskript, zusammen mit einigen Skizzen zur Geschichte. Die Entstehung der Zeichnung, die nun in Paris zum Verkauf steht, hat sehr wahrschein­lich mit der dann folgenden Beziehung von Silvia Hamilton zu dem Filmproduz­enten Gottfried Reinhardt zu tun. Der Planet, auf dem sich die beiden Liebenden umarmen trägt den Namen „FOX MGM“– ein Hinweis auf die Filmstudio­s in Hollywood. Hamilton und Reinhardt heirateten im März 1944. Das war für Antoine de Saint-Exupéry eine Tragödie und er brachte seinen Schmerz in der Zeichnung zu Papier. Hamilton wiederum erklärte Mitte der 70er Jahre, die Zeichnung spiele auf einen Streit Saint-Exupérys um die Verfilmung seines gleichnami­gen Romans „Nachtflug“mit MGM an. Wenige Monate nach Hamiltons

Heirat jedenfalls sollte das Leben Saint-Exupery tatsächlic­h ein tragisches Ende nehmen. Der Pilot kehrte von seinem letzten Aufklärung­sflug im Juli 1944 nicht zurück; ein Suizid des schwer depressive­n Schriftste­llers wurde ebenso wenig ausgeschlo­ssen wie ein Abschuss oder ein technische­r Defekt.

Auch sein erfolgreic­hstes Buch endet traurig, der kleine Prinz verschwind­et. Doch seine Botschaft bleibt: Am Ende steht die Bitte des Erzählers an seine Leser, weiter nach dem kleinen Prinzen zu suchen.

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FOTO: KA-MONDO DROUOT Dieses Selbstport­rät als kleiner Prinz am Galgen schenkte Saint-Exupéry seiner Geliebten.

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