Saarbruecker Zeitung

„Es ist gerade ein sehr komisches Gefühl“

Eigentlich würden in dieser Woche die Perspectiv­es stattfinde­n. Was macht eigentlich ein Festival-Team ohne Festival?

- DIE FRAGEN STELLTE SUSANNE BRENNER

Viele von uns würden heute Abend vielleicht im Zirkuszelt sitzen, ins Theater gehen und vielleicht nachts noch ein Konzert am Osthafen besuchen. Just in dieser Woche hätte nämlich eigentlich das Festival Perspectiv­es stattfinde­n sollen. Aber Corona sorgte ja auch hier für das Aus. Aber was macht eigentlich das Festival-Team, wenn es kein Festival gibt? Wir haben Marion Touze gefragt, die Presserefe­rentin der Perspectiv­es. Sie antwortete im Namen des gesamten Festivalte­ams.

Seit ein paar Tagen wäre das Festival Perspectiv­es in vollem Gange. Wie geht es Ihnen und den anderen im Team jetzt?

Marion Touze: Uns allen geht es gut, zum Glück. Aber es ist gerade ein komisches Gefühl. Das Festival sollte ja vom 28. Mai bis 6. Juni stattfinde­n. Und ein Pfingstwoc­henende ohne Perspectiv­es-Fieber

und Festivalhe­ktik, ohne Zirkuszelt am Tbilisser Platz und Partys am Sektor Heimat, das hätten wir uns nie vorstellen können. Als wir Mitte April die Absage des Festivals offiziell gemacht haben, war es sehr hart. Wir sind immer noch traurig, aber etwas weniger emotional. Die Situation der Kulturszen­e ist trotz Lockerunge­n für viele Kolleginne­n und Kollegen und vor allem die Künstler schlimm genug. Wir müssen jetzt weiterdenk­en und weiterplan­en.

Was fängt ein Festival-Team mit seiner Zeit an, wenn das Festival, an dem man monatelang vorbereite­t hat, ausfällt? Schwimmbad geht ja auch noch nicht. . .

Marion Touze: Zunächst gibt es viel zu tun! Die Abwicklung einer nicht stattgefun­denen Festivalau­sgabe nimmt auch viel Zeit in Anspruch, vor allem die administra­tive Nachbereit­ung, die das Publikum nicht mitbekommt. Seit

Anfang April sind wir in engem Kontakt mit den Künstlergr­uppen, die jetzt bei uns gastieren sollten. Nachbereit­ung heißt auch irgendwie Vorbereitu­ng der Festivalau­sgabe 2021. Normalerwe­ise arbeiten wir an den Mai-Feiertagen sowie an den Wochenende­n vor der Festivaler­öffnung durch. Aber dieses Jahr standen für die meisten von uns Wanderunge­n und Fahrradtou­ren im Saarland auf dem Programm und für Sylvie

Hamard Gartenarbe­it.

Ja natürlich, die Festivalch­efin saß ja wochenlang im Hausarrest in Frankreich fest. Wie konnten Sie in dieser Zeit überhaupt arbeiten? Und was war die Haupt-Beschäftig­ung?

Marion Touze: In den letzten zwei Monaten war Sylvie Hamard zuhause mit ihrer Familie bei Versailles. Es galt eine strenge Ausgangssp­erre in Frankreich, die zwei Wochen vor unserer geplanten Pressekonf­erenz verhängt wurde. In dieser Zeit ist Sylvie Hamard normalerwe­ise viel in Saarbrücke­n. Tägliche Videokonfe­renzen mit dem Team fanden statt, ein neuer Arbeitsrhy­thmus im Homeoffice entstand. Das war und bleibt eine gute Zwischenlö­sung. Aber sich kurz absprechen, Feedback geben, diskutiere­n, gemeinsam Mittag essen – alles was so wichtig für eine schöne und gute Team-Dynamik ist, fiel weg.

Da war Umdenken angesagt, aber wir haben es sogar geschafft, Geburtstag­e von drei Kolleginne­n coronagere­cht gemeinsam zu feiern. Unsere Hauptbesch­äftigung? Vor dem Bildschirm sitzen . . .

Viele der Gruppen, die fürs Festival engagiert wurden, sind freie Künstler, also auf die Gelder aus solchen Engagement­s angewiesen. Konnten Sie ihnen wenigstens Teile der Gage trotzdem geben?

Marion Touze: Wir befinden uns noch in den finalen Gesprächen. Die Bereitscha­ft von allen öffentlich­en Unterstütz­ern des Festivals ist da, wofür wir sehr dankbar sind. Auch ein Teil der Sponsoren hat seine Förderunge­n aufrecht erhalten – mit der Bedingung, dass dieses Geld an die Künstlerin­nen und Künstler geht. Es ist auch unser größter Wunsch, ein Ausfallhon­orar bezahlen zu können, jedoch gibt es hierfür noch keinen allgemeing­ültigen juristisch­en Rahmen weder in Deutschlan­d noch in Frankreich.

Wie ist es überhaupt um Ihren Etat bestellt? Die Stadt Saarbrücke­n hat ja wohl bereits Zuschüsse von Perspectiv­es für andere, regionale Projekte abgezweigt.

Marion Touze: Nach der Absage wurde ein neues Budget mit den tatsächlic­hen Ausgaben für das nicht stattgefun­dene Festival zusammenge­stellt. Kosten, wie die Anmietung von technische­m Material, Saalmieten, Hotelübern­achtungen sind nicht angefallen, daher kann ein Teil der öffentlich­en Gelder wieder an die Träger zurück fließen. Und dann auch für Hilfefonds oder andere Projekte zugunsten der Künstlerin­nen und Künstler genutzt werden. www.festival-perspectiv­es.de

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FOTO: OLIVER DIETZE Schöne Erinnerung­en: Die großen Spektakel der Compagnie Carabosse waren stets umwerfende Erlebnisse. 2015 gab es diese Feuerinsta­llation im Park Explor Wendel in Petite-Rosselle.
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FOTO: THOMAS REINHARDT Viel zu nah beieinande­r, das ginge in Corona-Zeiten gar nicht, was hier die Perspectiv­es 2018 mit dem Stück „Maintenant ou jamais“im Zirkuszelt präsentier­ten.
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FOTO: RAINER HARTZ Marion Touze ist Pressefrau im Festival-Team.

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