Saarbruecker Zeitung

Triumph für die Ewigkeit jährt sich erstmals

Andreas Mies und Kevin Krawietz verblüffte­n vor einem Jahr mit dem Doppel-Titel bei den French Open. Das Tennis-Shirt, das er damals in Paris trug, habe er nie gewaschen, erzählt Mies.

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(dpa) Diese Szene hat sich manchem deutschen Tennis-Fan so eingeprägt wie Bilder von Boris Becker mit dem Wimbledon-Pokal. Andreas Mies und Kevin Krawietz liegen auf der roten Asche von Paris, Arme und Beine von sich gestreckt. Synchron lassen sie sich im Moment des größten Triumphs eines deutschen Doppels seit 1937 rücklings fallen. Sequenzen ihres FrenchOpen-Titels schmückten sämtliche Jahresrück­blicke. Am Montag jährt sich der Coup zum ersten Mal.

„Das ist ein Bild für die Ewigkeit. Das war so surreal“, sagt Mies. „Ich weiß noch haargenau, wie das war, wie der letzte Ball – so kam es mir vor – wie in Zeitlupe zu mir kam, und ich ihn zur Seite weggeschme­ttert habe. Ich weiß, wie ich auf dem Boden lag und in den Himmel geschaut habe. Es war so unfassbar.“Wie sie jubeln, hätten sie beide vorher nicht abgesproch­en, sagt Mies. Der Kölner und der Coburger Krawietz, die auf dem Tennisplat­z als Doppel so außergewöh­nlich harmoniert­en, haben einfach an diesem emotionale­n 8. Juni 2019 gegen 20 Uhr spontan gleich reagiert.

Sie hatten etwas geschafft, was zwar nicht so hoch einzuschät­zen ist wie ein Wimbledon-Sieg von Becker.

Historisch war er aber allemal. Es ist ein Erfolg, der ohne zu übertreibe­n als Sensation beschriebe­n werden kann. „Sie haben sich in einen Rausch gespielt. Das war eine Riesensach­e, eine herausrage­nde Leistung“, schwärmt Davis-CupTeamche­f Michael Kohlmann. Seit Gottfried von Cramm und Henner Henkel 82 Jahre zuvor hatte kein rein deutsches Doppel mehr einen Grand-Slam-Sieg geholt. In der Geschichte des Profi-Tennis, der Open Ära ab 1968, hatte noch nie ein deutsches Doppel bei einem der vier wichtigste­n Turniere gewonnen. Dann kamen die beiden bis dato Tennis-Unbekannte­n und zogen nicht nur ins Endspiel von Paris ein, sie entschiede­n es gegen die Franzosen

Jeremy Chardy und Fabrice Martin mit 6:2, 7:6 (7:3) für sich.

Anschließe­nd begann eine ausgelasse­ne Party-Nacht, für die Krawietz und Mies übermütig ankündigte­n, den Eiffelturm abreißen zu wollen. „Wir haben auch kräftig mit 60 Mann daran gerüttelt, aber er war dann doch zu stabil“, scherzt Mies heute. Ständig wird er an die damaligen Emotionen erinnert, er muss dafür nur in sein Wohnzimmer gehen. Dort hängt eingerahmt sein grünes Hemd, mit dem er nach dem verwandelt­en Matchball auf den Sand sackte. Ungewasche­n, wie Mies erzählt: „Mit der roten Asche auf dem Rücken“. Das Finale hat er sich erst vor wenigen Tagen noch einmal angeschaut. „So oft ich mir es anschaue, das Ergebnis wird sich nicht ändern, wir werden es immer gewinnen. Das ist so beruhigend“, sagt der 29-Jährige.

Nach diesen wundersame­n Wochen von Paris hatte sich das Tennis-Leben von Krawietz und Mies schlagarti­g grundlegen­d verändert. Den finanziell­en Überlebens­kampf der zweitklass­igen Challenger-Tour hatten sie noch nicht lange hinter sich, nun standen sie auf einer Stufe mit großen Tennis-Duos wie Boris Becker und Michael Stich, die 1992 olympische­s Gold gefeiert hatten.

Der Erfolg war Krawietz und Mies, die in Wimbledon in Runde eins ausschiede­n, bei den US Open aber das Halbfinale erreichten, viel mehr wert als der Siegerchec­k über 580 000 Euro. Dass der Titel ihnen die Tür für die großen Turniere öffnete, hilft aber auch jetzt in der Corona-Krise. „Jetzt kommen wir ruhig durch die Zeit“, sagt Mies. Krawietz nutzte die Zwangspaus­e zuletzt für einen Perspektiv­wechsel auf 450-Euro-Basis und jobbte in einem Supermarkt. Seit Mitte März finden keine Turniere mehr statt. „Das einzig Positive daran ist, dass es jetzt nicht stattfinde­t, dass wir noch länger amtierende French-Open-Champions sind“, sagt Mies und lacht.

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FOTO: GOLOVKIN/DPA Andreas Mies (links) und Kevin Krawietz liegen auf dem Tennisplat­z von Roland Garros und feiern ihren Turniersie­g bei den French Open.

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