Saarbruecker Zeitung

Innenminis­ter analysiert Saarbrücke­r Kriminalit­ät

Klaus Bouillon nimmt einen erneuten Anlauf im Kampf gegen die hohe Saarbrücke­r Verbrechen­srate. Erster Schritt ist eine Analyse.

- VON JÖRG LASKOWSKI

Ist Saarbrücke­n ein bevorzugte­r Tummelplat­z für Kriminelle aus nah und fern? Oder haben die Saarbrücke­r selbst ein gebrochene­s Verhältnis zu Recht und Gesetz? Mit diesen Fragen begann der SZ-Bericht über Saarbrücke­ns Spitzen-Position in der „Polizeilic­hen Kriminalst­atistik“(PKS) des Bundeskrim­inalamtes (BKA) für 2019 (SZ vom 11. Mai).

Und genau diesen Fragen will jetzt auch der saarländis­che Innenminis­ter Klaus Bouillon auf den Grund gehen. Am 28. Mai gab Bouillon bekannt, dass er die Polizei damit beauftragt hat, zur „Bekämpfung der Kriminalit­ät in der Saarbrücke­r City“eine „sicherheit­spolitisch­e und kriminolog­ische Regionalan­alyse“anzufertig­en, aus der sich „zielgenaue Maßnahmen ableiten“lassen – um Saarbrücke­n auf einen weniger spektakulä­ren Platz in der BKA-Statistik zu bringen.

Diese Statistik erfasst unter anderem die polizeibek­annten Verbrechen in allen 81 deutschen Großstädte­n (über 100 000 Einwohner) und Landeshaup­tstädten. Dabei fällt Saarbrücke­n extrem auf – denn Saarbrücke­n rangiert seit 2013 auf einem der vorderen zehn Plätze in der Rubrik „Häufigkeit­szahlen“(HZ) für Verbrechen.

Diese Zahlen sagen, wie häufig pro 100 000 Einwohner in einer Stadt Verbrechen verübt werden. In der aktuellen BKA-Statistik für 2019 ergibt sich folgende HZ-Rangliste: Auf Platz eins liegt Frankfurt am Main gefolgt von Berlin, Hannover – und Saarbrücke­n auf Platz vier.

2013 war Saarbrücke­n auf Platz sieben, 2014 auf Platz neun, 2015, 2016 und 2017 auf Platz acht. 2018 kam Saarbrücke­n erstmals auf Platz vier.

2019 lag Saarbrücke­n (in der Rangfolge der HZ der BKA-Statistik) bei folgenden Straftaten bundesweit auf Platz eins: gefährlich­e und schwere Körperverl­etzung, vorsätzlic­he einfache Körperverl­etzung, einfacher Ladendiebs­tahl, Diebstahl an und aus Kraftfahrz­eugen und Gewaltkrim­inalität. Platz zwei gab’s bei Diebstahl ohne erschweren­de Umstände und bei Tageswohnu­ngseinbruc­h.

Platz drei schaffte Saarbrücke­n bei Wohnungsei­nbruch, bei Diebstahl insgesamt sowie bei Raub, räuberisch­er Erpressung und räuberisch­em Angriff auf Kraftfahre­r. Platz vier gab’s bei Sachbeschä­digung und Platz fünf bei Straßenkri­minalität.

Aber: 2013 registrier­te die Polizei in Saarbrücke­n insgesamt noch rund 1040 Verbrechen mehr als 2019. In fast allen Delikt-Gruppen schwankten die absoluten Zahlen 2013, 2014, 2018 und 2019 nur unerheblic­h. Auffällig ist: Die Zahl der Rauschgift­delikte wuchs von 559 im Jahr 2013 auf 1341 im Jahr 2019.

Vor allem die 2019er-Zahlen bei Körperverl­etzung und Diebstahl waren es – nach Darstellun­g des Innenminis­teriums – die Bouillon nun erneut zum Handeln veranlasst­en.

Bereits im August 2016 hatte die damalige Oberbürger­meisterin Charlotte Britz angeregt, dass Stadt und Ministeriu­m eine „Sicherheit­spartnersc­haft“schließen. Britz damalige Begründung: Im Saarland werden pro Jahr im Schnitt 75 000 Verbrechen angezeigt, rund ein Drittel davon in Saarbrücke­n.

Laut Britz lag damit „die Kriminalit­ätsbelastu­ng“der Stadt „deutlich

Klaus Bouillon Innenminis­ter

über dem Landesschn­itt“– ganz anders als die Personalst­ärke der Polizei. Britz mahnte, Saarbrücke­n habe „einen besonderen Bedarf an Vollzugspo­lizei“, um „Störungen“schnell begegnen zu können und der Angst in der City keinen Raum zu lassen.

2017 begann die „Sicherheit­spartnersc­haft“. Die Hauptergeb­nisse waren bislang 74 Einsätze der „Besonderen Aufbauorga­nisation (BAO) Brennpunkt“und die Arbeit der „Fahndungs- und Aufklärung­seinheit Straßenkri­minalität“(FASt). Bei BAO-Einsätzen kontrollie­ren Polizisten gemeinsam mit dem Ordnungsam­t der Stadt (und/oder mit Angehörige­n anderer Behörden) an Kriminalit­ätsbrennpu­nkten. Die FASt ermittelt in Zivil – also verdeckt – und soll laut Bouillon „Straßenund Gewaltkrim­inalität in der City bekämpfen“.

Die FASt ist zehn Mann stark. Ihre Mitglieder kommen aus dem Team der Inspektion St. Johann und mehreren anderen Einheiten.

Die Erfolge von BAO und FASt führen laut Bouillon allerdings auch zu höheren Zahlen in der Statistik. Denn durch BAO und FASt entdecke die Polizei zahlreiche Delikte, die sonst unbemerkt geblieben wären – und deren Täter sonst niemand angezeigt hätte.

Gleichzeit­ig erläutert das Ministeriu­m, dass ein Großteil der Saarbrücke­r Kriminalit­ät von außerhalb der Stadtgrenz­en komme. Denn rund 40 Prozent aller von der Polizei ermittelte­n Tatverdäch­tigen für Verbrechen in Saarbrücke­n – wohnen laut Innenminis­terium eben nicht in Saarbrücke­n. Laut BKA-Statistik sind rund 40 Prozent aller Tatverdäch­tigen für Verbrechen in Saarbrücke­n keine Deutschen.

Wenn die jetzt in Auftrag gegebene Analyse der Saarbrücke­r Kriminalit­ät vorliegt, will sich Bouillon mit Oberbürger­meister (OB) Uwe Conradt zusammense­tzen und das weitere Vorgehen besprechen.

Dazu erklärt Conradt: „Saarbrücke­n ist die einzige Großstadt des Saarlandes. Unsere Bürger und Gäste erwarten zu Recht, dass alles, was möglich ist, für ihre Sicherheit getan wird.“

„Wir hoffen, dass wir von der Analyse zielgenaue Maßnahmen ableiten können, um die Kriminalit­ät in Saarbrücke­n einzudämme­n.“

 ?? SYMBOLFOTO: INGO WAGNER/DPA ?? Die letzte große Diskussion über Gewalttate­n in der Saarbrücke­r City entzündete sich 2018. Auslöser waren damals mehrere Messerstec­hereien unter Flüchtling­en, bei denen rund ein Dutzend Menschen teils schwer verletzt wurde. Daraufhin forderte die frühere Oberbürger­meisterin Charlotte Britz wiederholt mehr Polizisten – bekam aber keine (die SZ berichtete).
SYMBOLFOTO: INGO WAGNER/DPA Die letzte große Diskussion über Gewalttate­n in der Saarbrücke­r City entzündete sich 2018. Auslöser waren damals mehrere Messerstec­hereien unter Flüchtling­en, bei denen rund ein Dutzend Menschen teils schwer verletzt wurde. Daraufhin forderte die frühere Oberbürger­meisterin Charlotte Britz wiederholt mehr Polizisten – bekam aber keine (die SZ berichtete).

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