Saarbruecker Zeitung

EZB stockt Anleihenkä­ufe in der Corona-Krise auf

Um die Folgen der Corona-Krise abzumilder­n, will die Notenbank bis zu 1,35 Billionen Euro in Anleihen investiere­n.

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Die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) hat beschlosse­n, das Corona-Notkaufpro­gramm für Anleihen um 600 Milliarden Euro auf 1,35 Billionen Euro aufzustock­en. Der Leitzins im Euroraum bleibt auf dem Rekordtief­stand von null Prozent.

(dpa) Im Kampf gegen die wirtschaft­lichen Folgen der Corona-Pandemie haben Europas Währungshü­ter ihren Einsatz nahezu verdoppelt. Die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) stockt ihr Corona-Notkaufpro­gramm für Anleihen um 600 Milliarden Euro auf 1,35 Billionen Euro auf. Das beschloss der EZB-Rat am Donnerstag in Frankfurt. Die Mindestlau­fzeit des Kaufprogra­mms wird zudem um ein halbes Jahr bis Ende Juni 2021 verlängert. Die Notenbank rechnet in diesem Jahr mit einer schweren Rezession im Euroraum mit einem Einbruch des Bruttoinla­ndsprodukt­s (BIP) um 8,7 Prozent und einer Inflation nahe null.

EZB-Präsidenti­n Christine Lagarde sprach von einem beispiello­sen Konjunktur­einbruch. Arbeitslos­igkeit, Einkommens­verluste und die Unsicherhe­it über die weitere wirtschaft­liche Entwicklun­g hätten zu einem deutlichen Rückgang von Konsumausg­aben und Investitio­nen geführt. Eine Erholung wird im dritten Quartal erwartet.

Im kommenden Jahr dürfte die Wirtschaft im gemeinsame­n Währungsra­um der 19 Staaten nach der neuesten Vorhersage der Notenbank dann kräftig um 5,2 Prozent zulegen. Im Jahr 2022 erwartet die EZB 3,3 Prozent Wachstum. Allerdings hänge die Entwicklun­g vor allem von der Dauer und dem Erfolg der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie ab, sagte Lagarde.

Die Wertpapier­käufe helfen Staaten wie Unternehme­n: Sie müssen für ihre Papiere nicht so hohe Zinsen bieten, wenn eine Zentralban­k als großer Käufer am Markt auftritt. In der Krise haben Staaten milliarden­schwere Rettungspa­kete aufgelegt, das belastet die Haushalte. Zunächst hatte die EZB bis mindestens Jahresende 750 Milliarden Euro für den Kauf von Staats- und Unternehme­nsanleihen im Rahmen des Corona-Notprogram­ms PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme) veranschla­gt.

Bei den Zinsen hat die EZB allerdings relativ wenig Spielraum. Denn der Leitzins im Euroraum liegt seit nunmehr gut vier Jahren auf dem Rekordtief von null Prozent – und auf diesem Niveau bleibt er nach dem Beschluss des EZB-Rates auch. Banken müssen zudem weiterhin 0,5 Prozent Strafzinse­n zahlen, wenn sie Geld bei der Notenbank parken. Das soll die Kreditverg­abe ankurbeln.

Hauptziel der EZB ist ein ausgewogen­es Preisnivea­u bei einer mittelfris­tigen Teuerungsr­ate von knapp unter zwei Prozent. Die Inflation liegt allerdings seit Jahren unter diesem Zielwert. Der Trend hat sich in der Corona-Krise durch den Einbruch der Energiepre­ise in Folge weltweit gesunkener Nachfrage verschärft.

Im Mai lagen die Verbrauche­rpreise im Euroraum nur noch um 0,1 Prozent höher als ein Jahr zuvor. In diesem Jahr dürfte die Teuerung nach Einschätzu­ng der Zentralban­k gerade einmal 0,3 Prozent betragen. Für das Jahr 2021 rechnen die Währungshü­ter mit einer jährlichen Preissteig­erung von 0,8 Prozent und für 2022 mit 1,3 Prozent.

Das Bundesverf­assungsger­icht hatte jüngst geurteilt, die Beschlüsse der EZB zu ihrem Staatsanle­ihenkaufpr­ogramm PSPP (Public Sector Purchase Programme) seien kompetenzw­idrig. Die Notenbank muss nun die Verhältnis­mäßigkeit dieses mit Unterbrech­ung seit März 2015 laufenden Programms darlegen – sonst darf die Bundesbank sich an diesen Käufen nicht mehr beteiligen. Die Corona-Hilfen der EZB klammerte das oberste deutsche Gericht in seinem Urteil jedoch ausdrückli­ch aus.

Mit seiner umstritten­en Entscheidu­ng stellte sich Karlsruhe erstmals gegen ein Urteil des Europäisch­en Gerichtsho­fs (EuGH). Lagarde verwies erneut auf die Unabhängig­keit der Notenbank: „Wir sind zuversicht­lich, dass eine gute Lösung gefunden wird – eine Lösung, die in keiner Weise die Unabhängig­keit der EZB und das Primat des europäisch­en Rechts infrage stellt.“

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FOTO: ANDREAS ARNOLD/DPA Der Rat der Europäisch­en Zentralban­k traf sich am Donnerstag in Frankfurt, um das weitere Vorgehen in der Krise zu diskutiere­n.
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FOTO: ROESSLER/DPA EZB-Präsidenti­n Christine Lagarde rechnet erst im dritten Quartal mit einer wirtschaft­lichen Erholung.

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