Sorge vor Pleitewelle der Saar-Firmen im Herbst
Bis Ende September gibt es keine Verpflichtung, drohende Insolvenzen anzuzeigen. Der Geschäftsführer von Creditreform im Saarland, Carsten Uthoff, rechnet deshalb mit einer Vielzahl von Anträgen ab Oktober.
Die Bundes- und auch die Landesregierung haben die hohen Wellen, die durch den Corona-Sturm die Wirtschaft durcheinanderwirbelten, mit zahlreichen Maßnahmen – Sofort- und Überbrückungshilfen, besicherte Kredite oder Kurzarbeitergeld – zwar geglättet. Doch unter dieser einigermaßen ruhiggestellten Oberfläche „brodelt es gewaltig“. Diese Auffassung vertritt Carsten Uthoff, Geschäftsführer des Vereins Creditreform an der Saar. Weil die Verpflichtung, bei drohender Insolvenz einen Antrag zu stellen, bis Ende September ausgesetzt ist, „überleben derzeit viele Unternehmen, die schon vor der Corona-Krise schwächelten oder kurz vor dem Scheitern standen und heute als Zombie-Firmen am Leben gehalten werden“, sagt er.
Daher rechnet er ab Oktober „mit einer großen Bugwelle an Insolvenzen“. Aus einer von Creditreform und dem Mannheimer Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) erarbeiteten Studie geht hervor, dass zehn Prozent aller Unternehmen, die älter als drei Jahre sind, eine schwache oder noch schlechtere Bonitätsbewertung bereits vor der Corona-Krise hatten. „Hier geht es um 345 000 Unternehmen mit mehr als 1,5 Millionen Beschäftigten“, sagt Uthoff. Besonders betroffen seien die Firmen mit weniger als 50 Mitarbeitern. Kritische Branchen seien die Gastronomie, aber auch kleine Automobilzulieferer.
Die schnelle Reaktion des Staates auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise sei richtig und konsequent gewesen. Doch jetzt dürfe wirtschaftspolitisch das Kind nicht mit dem Bade ausgeschüttet werden. Denn die staatliche Unterstützung schwacher Firmen verzerre den Wettbewerb. Die gut geführten und solide finanzierten Unternehmen, die in den vergangenen Jahren ihre Eigenkapitalquote erhöht hätten, kämen nur eingeschränkt in den Genuss staatlicher Hilfen. „Sie müssen vielmehr ihre Reserven angreifen und kommen geschwächt aus dem Konjunkturtal heraus.“
Wie viele der kriselnden Firmen die Folgen der Corona-Epidemie überleben, „kann heute noch niemand sagen“, sagt Uthoff. „Das hängt entscheidend davon ab, wann die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen wieder anzieht, Umsätze und Erlöse sich den früheren Werten erneut nähern.“Die Bundesregierung sei zwar bemüht, zum Beispiel mit der Mehrwertsteuer-Senkung
die Nachfrage zu stimulieren. Doch ob die Menschen diese Anreize annehmen, „hängt davon ab, ob sie mit Zuversicht in die Zukunft sehen und keine Angst vor Einkommens-Einbußen oder Arbeitslosigkeit haben“, ist der Creditreform-Chef überzeugt. Das Einkaufen mit Mund-Nasen-Maske fördere nicht gerade die Konsumlust. Er erinnert zudem daran, dass schon vor Corona jeder zehnte Haushalt in Deutschland
überschuldet war – „im Saarland sogar jeder elfte“. Diese Quote werde vermutlich noch steigen. Um eine Konjunkturbelebung auf breiter Front sicherzustellen, müssten außerdem die Volkswirtschaften in Europa und in anderen Teilen der Welt wieder auf die Beine kommen und sich die globalen Lieferketten stabilisieren.
Für die Firmen sei wichtig, wie sich die Corona-Krise auf die Zahlungsmoral auswirkt. Schon im ersten Halbjahr seien Gläubigerschäden von zwölf Milliarden Euro aufgelaufen. „Das Zahlungsverhalten hat sich seit dem Ausbruch der Corona-Krise verschlechtert“, so die Erfahrung von Uthoff nach Gesprächen mit den Mitgliedsfirmen. In vielen Fällen müsse die Bonität neu bewertet werden.
Die Unternehmen müssten einen Spagat bewältigen. Zum einen dürften sie nicht zu rigoros reagieren, wenn ein guter Kunde mit seinen
Zahlungen in Verzug gerät. Auf der anderen Seite sollten „die Kundenbeziehungen konsequent und risikoorientiert neu bewertet werden“. Beim Eintreiben der Forderungen mit Nachsicht zu reagieren, sei ein großer Fehler – vor allem, „wenn die eigenen Lieferanten ihre Forderungen mit dem nötigen Nachdruck eintreiben“. Am Ende sei der Geduldige selbst der Dumme. „Es ist wie bei einer Treibjagd. Der letzte Fuchs wird von der Meute geschlagen.“