Fleisch-Milliardär Tönnies tritt bei Schalke zurück
(sid/dpa) Ein donnernder Paukenschlag am Dienstagnachmittag markierte beim FC Schalke 04 das Ende einer Ära der Großmannssucht und den Aufbruch ins Ungewisse. Der allmächtige Patriarch und Vereinschef Clemens Tönnies legt bei den Königsblauen mit sofortiger Wirkung alle Ämter nieder. Beim bis über beide Ohren verschuldeten Bundesligisten ist eine Woche nach dem Abschied von Finanzboss Peter Peters nichts mehr, wie es vorher war. Am Abend wurde Tönnies’ bisheriger Stellvertreter
Jens Buchta einstimmig zum neuen Vorsitzenden gewählt.
Tönnies (64), durch rassistische Äußerungen und den Skandal um Arbeitsbedingungen in seiner corona-verseuchten Fleischfabrik schwerstens angeschlagen, beugt sich dem massiven Druck vor allem der Ultraszene. Überall in der Stadt und am Vereinsgelände hingen zuletzt Anti-Tönnies-Plakate.
Der Verein verabschiedete den milliardenschweren Unternehmer hingegen mit warmen Worten. Tönnies selbst äußerte sich in seinem Rücktrittsschreiben an die Schalker Gremien: „Meine Hauptaufgabe ist es, mich aktuell voll und ganz auf mein Unternehmen zu konzentrieren, es erfolgreich durch die schwerste Krise seiner Geschichte
zu führen“. Die Entscheidung sei ihm „nach so vielen Jahren sehr schwergefallen“.
Tönnies war seit 2001 Aufsichtsratschef, in Schalker Gremien saß er seit 1994. Ein wirtschaftliches Schwergewicht aber sind die chronisch knappen Knappen nur noch in Sachen Schulden: 197,9 Millionen Euro Verbindlichkeiten wies der Konzernabschluss 2019 aus – und das ohne negative Corona-Effekte.
Deshalb hatte Schalke schon am früheren Dienstag die Schlagzeilen bestimmt. Laut Handelsblatt nimmt der Verein eine 40-Millionen-Euro-Ausfallbürgschaft des Landes Nordrhein-Westfalen in Anspruch, um einen Kredit abzusichern, der für den Traditionsclub überlebenswichtig ist. Die pandemiebedingten Verluste bezifferte der eine Nummer größere Erzrivale Borussia Dortmund zuletzt auf 45 Millionen Euro, was die Höhe der erwünschten S04-Bürgschaft erklären könnte.
„Es wird garantiert keine Lex Schalke 04 geben“, versicherte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet aber am Dienstag. Jede Bürgschaft werde
„nach strengen Kriterien geprüft“. Ob Tönnies‘ Rücktritt eine Bedingung war, blieb zunächst unklar.
Jedes Heimspiel ohne Zuschauer kostet Schalke zwei Millionen Euro, hinzu kommen Mindereinnahmen in den Bereichen Werbung/Marketing. Auf dem eingebrochenen Transfermarkt werden zudem kaum hohe Summen zu generieren sein. Doch die Schalker haben bereits gegengesteuert. Laut Medien führt der Verein als erster Bundesliga-Club eine Gehaltsobergrenze für Spieler von 2,5 Millionen Euro jährlich ein.