Mindestlohn steigt bis Juli 2022 auf 10,45 Euro
Mitten in der Corona-Krise soll die Lohnuntergrenze zwar weiter angehoben werden – aber zeitlich gestreckt und zunächst vorsichtig.
(gda) Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Saarland haben sich teils kritisch über die Beschlüsse der Mindestlohnkommission geäußert. Demnach soll die gesetzliche Gehaltsuntergrenze bis Juli 2022 in vier Schritten von 9,35 auf 10,45 Euro steigen. DGB-Landeschef Eugen Roth bemängelte, dass der Zielwert deutlich von der Forderung der Gewerkschaften nach einem Mindestlohn von zwölf Euro abweicht. Der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Saar-Unternehmer (VSU), Martin Schlechter, kritisiert dagegen, dass die Untergrenze von 10,45 Euro „klar über der Tarifentwicklung liegt“.
(dpa/gda) Der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland soll bis Mitte 2022 über die Marke von zehn Euro steigen – aber zuerst nur in kleineren Schritten. Das empfiehlt die zuständige Kommission in einem am Dienstag vorgelegten Beschluss, der auch der schwierigen Lage wegen der Corona-Krise Rechnung tragen soll. Die untere Absicherung für Geringverdiener soll von jetzt 9,35 Euro in vier Stufen auf bis zu 10,45 Euro pro Stunde angehoben werden. Als erstes Plus kommt zum 1. Januar 2021 aber vorerst ein leichter Anstieg auf 9,50 Euro. Das Votum in dem Gremium, dem Vertreter von Arbeitgebern, Gewerkschaften und Wissenschaft angehören, fiel einstimmig.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sprach von einer guten Nachricht für rund zwei Millionen Arbeitnehmer. Er kündigte an, die Empfehlung über eine Verordnung verbindlich machen zu wollen. Der Anfang 2015 eingeführte Mindestlohn sei eine Erfolgsgeschichte, die aber fortgeschrieben werden müsse. Im Herbst wolle er deshalb Vorschläge für eine Reform machen. „Der Mindestlohn darf nicht abgehängt werden.“Heil verwies darauf, dass die Lohnuntergrenze derzeit bei nur 46 Prozent des Durchschnittseinkommens liege. Die Richtmarke von zwölf Euro sei deshalb „eine gute Orientierung“.
Nach einer Steigerung des Mindestlohns zum 1. Januar 2021 auf 9,50 Euro soll zum 1. Juli 2021 eine zweite kleine Anhebung auf 9,60 Euro folgen, zum 1. Januar 2022 dann eine dritte auf 9,82 Euro. Die vierte Stufe sieht dann zum 1. Juli 2022 eine Anhebung auf 10,45 Euro vor.
Der Vorsitzende der Kommission, Jan Zilius, verwies darauf, dass über die Anpassung in Zeiten großer wirtschaftlicher Unsicherheit zu entscheiden gewesen sei. Das Gremium beriet länger als vorgesehen, die zunächst am Mittag geplante Bekanntgabe musste verschoben werden.
Für den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) begrüßte Vorstandsmitglied Stefan Körzell die Verständigung. „Allein in den nächsten beiden Jahren bringen die Mindestlohnsteigerungen insgesamt knapp zwei Milliarden Euro mehr im Portemonnaie der Beschäftigten.“Wünsche nach einer Erhöhungspause wegen der Corona-Krise hätten sich am Ende nicht durchsetzen können. Das nun als Basis für künftige Anpassungen vorgesehene Niveau von 10,45 Euro sei „ein deutlicher Schritt, um schneller zu den geforderten zwölf Euro zu kommen“.
Dagegen zeigte sich der saarländische DGB-Landesechef Eugen Roth enttäuscht darüber, dass die Zielmarke von zwölf Euro so deutlich unterschritten wurde. Zwar gingen die Beschlüsse in die richtige Richtung, die notwendige Erhöhung des Mindestlohns gehe aber „zu langsam“vonstatten. Gerade in der Corona-Krise seien höhere Löhne wichtig, um die Binnennachfrage anzukurbeln.
Der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen
Arbeitgeberverbände (BDA), Steffen Kampeter, sagte dagegen, die Kommission habe einmal mehr bewiesen, wie gut Sozialpartnerschaft in Deutschland funktionieren könne. Auch die Anhebung des Mindestlohns müsse der beispiellosen Rezession wegen der Corona-Krise Rechnung tragen. Die niedrigeren gestaffelten Anpassungsschritte für das Jahr 2021 schafften vor allem für kleine und mittelständische Betriebe mehr Luft.
Die Vereinigung der Saarländischen Unternehmensverbände (VSU) lobte ebenfalls, dass die Anhebungen im Jahr 2021 „moderat“ausfielen. „Die Mindestlohn-Kommission hat angesichts der aktuellen Krise bei den ersten Schritten der Mindestlohn-Anhebung Augenmaß bewahrt“, sagte VSU-Hauptgeschäftsführer Martin Schlechter. Kritisch sieht er dagegen den Zielwert von 10,45 Euro für den Sommer 2022: Dieser liege klar über der Tarifentwicklung. „Hier bleibt abzuwarten, ob der Markt einen solchen Mindestlohn langfristig tragen kann“, sagte Schlechter.