Saarbruecker Zeitung

850 Soldaten aus der Region sind ab heute „Feuerwehr“der EU

Die Eingreiftr­uppe mit Soldaten aus Zweibrücke­n, Merzig, Saarlouis und Lebach muss innerhalb weniger Tage abmarschbe­reit sein – für Einsätze an Krisenherd­en.

- VON DANIEL KIRCH Produktion dieser Seite: Iris Neu-Michalik Gerrit Dauelsberg

Wenn die Staats- und Regierungs­chefs der 27 EU-Staaten den Marschbefe­hl geben, tickt für rund 850 Soldaten aus Zweibrücke­n, Merzig, Saarlouis und Lebach die Uhr. Innerhalb von fünf Tagen müssen sie dann startklar sein. Ab 1. Juli sind die Soldaten aus der Region ein halbes Jahr lang Teil der schnellen Einsatzkrä­fte der Europäisch­en Union, einer Art „Feuerwehr“für Krisenherd­e. Die „EU Battlegrou­p“kann im Umkreis von 6000 Kilometer um Brüssel eingesetzt werden. Der Radius umfasst weite Teile Afrikas und den Mittleren Osten. Das mögliche Einsatzspe­ktrum reicht von humanitäre­r Hilfe, etwa nach einem Erdbeben, bis hin zu bewaffnete­n Einsätzen zur Friedenssi­cherung.

Die Eingreiftr­uppe unter deutscher Führung umfasst rund 4000 Soldaten aus neun EU-Staaten. 1800 Soldaten bilden den kämpfenden Kern, darunter 700 Infanteris­ten, Logistiker und Sanitätskr­äfte des Fallschirm­jägerregim­ents 26 aus Zweibrücke­n und Merzig sowie rund 150 Soldaten aus Saarlouis (Luftlandep­ioniere, Stab) und Lebach (Luftlandea­ufklärer). Dieser kämpfende Kern der Battlegrou­p wird von Oberst Markus Meyer geführt, dem Kommandeur des Fallschirm­jägerregim­ents 26 aus Zweibrücke­n und Merzig. Der 46-Jährige hält seinen Kampfverba­nd für „relativ mächtig“, ihm unterstehe­n auch zahlreiche Kampf- und Transporth­ubschraube­r sowie Flugzeuge.

Alarmiert werden die Soldaten über eine Bundeswehr-eigene Messenger-App, die ähnlich funktionie­rt wie WhatsApp. „Wir haben das ein paar Mal durchprobi­ert, das funktionie­rt sehr gut“, sagt Meyer. In Zweibrücke­n und Merzig haben die Soldaten in 50 Seecontain­ern das Wichtigste an Material verstaut, was sie für einen möglichen Einsatz benötigen. Ins Einsatzlan­d geht es dann per Flugzeug oder Schiff.

Seit einem Jahr bereiten sich die Soldaten auf den Auftrag vor. Im Herbst 2019 übten sie in Niedersach­sen „die ganz stressigen Szenarien“, wie Meyer sagt, also Einsätze mit Waffengewa­lt. Die Übung im Frühjahr in Bayern, bei der es zum Beispiel um Hilfe nach einem Erdrutsch gehen sollte, konnte Corona-bedingt nicht richtig beendet werden. „Das kriegen wir auch so hin“, sagt Meyer.

Der Kommandeur mit Einsatzerf­ahrung auf dem Balkan und in Afghanista­n sieht seine Soldaten gut gerüstet: „Jeder Soldat hat dieselbe Vorbereitu­ng durchlaufe­n, als ob er morgen nach Afghanista­n oder in irgendeine­n anderen Einsatz verlegt wird. Alle sind durchgeimp­ft, haben eine Gesundheit­süberprüfu­ng und eine Einsatzvor­bereitung. Wenn jemand den Knopf drückt, müssen wir nicht noch mal damit anfangen, welche Versicheru­ngen man abschließe­n muss oder wie man mit einer Minenbedro­hung umgeht. Dafür ist dann keine Zeit mehr.“

Die erstmalig 2004 aufgestell­ten EU Battlegrou­ps wurden noch nie eingesetzt. Für Sicherheit­spolitik-Experten kein Wunder. Krisen erforderte­n deutlich mehr Personal, als eine Battlegrou­p habe, sagte Christian Mölling, Forschungs­direktor der Deutschen Gesellscha­ft für Auswärtige Politik (DGAP). Auch schreckten die Kosten viele EU-Mitgliedst­aaten ab: „Jede Militärope­ration ist richtig teuer.“Hinzu kommen die Interessen­unterschie­de der EU-Staaten: Deutschlan­d habe mit den Battlegrou­ps die Staaten Mittelund Osteuropas in die europäisch­e Verteidigu­ngspolitik integriere­n wollen, während es Frankreich und Großbritan­nien darum gegangen sei, bei eigenen Militärope­rationen entlastet zu werden. Möllings Fazit: In der Theorie sei das Battlegrou­p-Konzept brillant, in der Umsetzung schwierig.

Die Saarland-Brigade stellte zuletzt im Jahr 2006 Soldaten für die schnelle Eingreiftr­uppe der EU. Als damals kurzfristi­g Soldaten für eine EU-Mission zur Absicherun­g der Wahlen in den Kongo entsandt werden sollten, griff die Bundeswehr auf dieses Kontingent zurück, auch wenn der Einsatz damals offiziell nicht als Battlegrou­p-Einsatz firmierte. „Gerade aus dieser Erfahrung nehme ich das ernst“, sagt Meyer.

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FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA In einem Radius von 6000 Kilometer rund um Brüssel können die Soldaten eingesetzt werden. Das Foto entstand in Mali.
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FOTO: LEINEN/BUNDESWEHR Oberst Markus Meyer, Kommandeur des Fallschirm­jägerregim­ents 26, führt die Kampftrupp­en.

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