850 Soldaten aus der Region sind ab heute „Feuerwehr“der EU
Die Eingreiftruppe mit Soldaten aus Zweibrücken, Merzig, Saarlouis und Lebach muss innerhalb weniger Tage abmarschbereit sein – für Einsätze an Krisenherden.
Wenn die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten den Marschbefehl geben, tickt für rund 850 Soldaten aus Zweibrücken, Merzig, Saarlouis und Lebach die Uhr. Innerhalb von fünf Tagen müssen sie dann startklar sein. Ab 1. Juli sind die Soldaten aus der Region ein halbes Jahr lang Teil der schnellen Einsatzkräfte der Europäischen Union, einer Art „Feuerwehr“für Krisenherde. Die „EU Battlegroup“kann im Umkreis von 6000 Kilometer um Brüssel eingesetzt werden. Der Radius umfasst weite Teile Afrikas und den Mittleren Osten. Das mögliche Einsatzspektrum reicht von humanitärer Hilfe, etwa nach einem Erdbeben, bis hin zu bewaffneten Einsätzen zur Friedenssicherung.
Die Eingreiftruppe unter deutscher Führung umfasst rund 4000 Soldaten aus neun EU-Staaten. 1800 Soldaten bilden den kämpfenden Kern, darunter 700 Infanteristen, Logistiker und Sanitätskräfte des Fallschirmjägerregiments 26 aus Zweibrücken und Merzig sowie rund 150 Soldaten aus Saarlouis (Luftlandepioniere, Stab) und Lebach (Luftlandeaufklärer). Dieser kämpfende Kern der Battlegroup wird von Oberst Markus Meyer geführt, dem Kommandeur des Fallschirmjägerregiments 26 aus Zweibrücken und Merzig. Der 46-Jährige hält seinen Kampfverband für „relativ mächtig“, ihm unterstehen auch zahlreiche Kampf- und Transporthubschrauber sowie Flugzeuge.
Alarmiert werden die Soldaten über eine Bundeswehr-eigene Messenger-App, die ähnlich funktioniert wie WhatsApp. „Wir haben das ein paar Mal durchprobiert, das funktioniert sehr gut“, sagt Meyer. In Zweibrücken und Merzig haben die Soldaten in 50 Seecontainern das Wichtigste an Material verstaut, was sie für einen möglichen Einsatz benötigen. Ins Einsatzland geht es dann per Flugzeug oder Schiff.
Seit einem Jahr bereiten sich die Soldaten auf den Auftrag vor. Im Herbst 2019 übten sie in Niedersachsen „die ganz stressigen Szenarien“, wie Meyer sagt, also Einsätze mit Waffengewalt. Die Übung im Frühjahr in Bayern, bei der es zum Beispiel um Hilfe nach einem Erdrutsch gehen sollte, konnte Corona-bedingt nicht richtig beendet werden. „Das kriegen wir auch so hin“, sagt Meyer.
Der Kommandeur mit Einsatzerfahrung auf dem Balkan und in Afghanistan sieht seine Soldaten gut gerüstet: „Jeder Soldat hat dieselbe Vorbereitung durchlaufen, als ob er morgen nach Afghanistan oder in irgendeinen anderen Einsatz verlegt wird. Alle sind durchgeimpft, haben eine Gesundheitsüberprüfung und eine Einsatzvorbereitung. Wenn jemand den Knopf drückt, müssen wir nicht noch mal damit anfangen, welche Versicherungen man abschließen muss oder wie man mit einer Minenbedrohung umgeht. Dafür ist dann keine Zeit mehr.“
Die erstmalig 2004 aufgestellten EU Battlegroups wurden noch nie eingesetzt. Für Sicherheitspolitik-Experten kein Wunder. Krisen erforderten deutlich mehr Personal, als eine Battlegroup habe, sagte Christian Mölling, Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Auch schreckten die Kosten viele EU-Mitgliedstaaten ab: „Jede Militäroperation ist richtig teuer.“Hinzu kommen die Interessenunterschiede der EU-Staaten: Deutschland habe mit den Battlegroups die Staaten Mittelund Osteuropas in die europäische Verteidigungspolitik integrieren wollen, während es Frankreich und Großbritannien darum gegangen sei, bei eigenen Militäroperationen entlastet zu werden. Möllings Fazit: In der Theorie sei das Battlegroup-Konzept brillant, in der Umsetzung schwierig.
Die Saarland-Brigade stellte zuletzt im Jahr 2006 Soldaten für die schnelle Eingreiftruppe der EU. Als damals kurzfristig Soldaten für eine EU-Mission zur Absicherung der Wahlen in den Kongo entsandt werden sollten, griff die Bundeswehr auf dieses Kontingent zurück, auch wenn der Einsatz damals offiziell nicht als Battlegroup-Einsatz firmierte. „Gerade aus dieser Erfahrung nehme ich das ernst“, sagt Meyer.