Ist pauschales Bordellverbot in Innenstädten rechtens?
Oberverwaltungsgericht des Saarlandes verhandelt womöglich folgenschwere Klagen aus Saarbrücken und Neunkirchen.
Dürfen Städte wie Saarbrücken und Neunkirchen in ihren Innenstädten pauschal und uneingeschränkt jegliche Prostitution verbieten? Die anstehende Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) des Saarlandes dazu wird womöglich erhebliche Auswirkungen nicht nur auf die zwei genannten Städte im Saarland haben. Drei sogenannte Normenkontrollklagen von Betreibern von Prostitutions-Stätten erörterte das OVG in Saarlouis gestern in mündlicher Verhandlung. Und OVG-Präsident Michael Bitz ließ hier und da Zweifel an Argumentation und Vorgehen der Städte erkennen.
Im ersten Fall geht es um ein Bordell unweit des Saarbrücker Hauptbahnhofs. Der Betreiber klagt gegen die zuletzt 2019 geänderte Sperrgebietsverordnung der Landeshauptstadt. Diese Art Verordnung gibt es in Saarbrücken zwar seit 1972, doch bis vor einem Jahr betraf sie lediglich den Straßenstrich. Nach dem 2016 von der schwarz-roten Bundesregierung verabschiedeten Prostituierten-Schutzgesetz brauchen künftig auch Bordelle eine Extra-Erlaubnis – und sind in Sperrgebieten unzulässig. Entsprechend erlassen Saarbrücken und Neunkirchen Anfang 2019 eigene Sperrgebietsverordnungen für weite Teile ihrer Innenstädte, in denen die bislang dort ansässigen Bordelle nun verboten werden. Kurz darauf werden Klagen erhoben und das Verfahren ausgesetzt, bis das OVG geurteilt hat.
Der Anwalt des Saarbrücker Bordellbetreibers argumentiert: Das Etablissement sei ein über Jahre gewachsener Betrieb mitten in der Stadt, von dem jetzt auf einmal – nämlich laut neuer Verordnung – eine „abstrakte Gefahr“für den öffentlichen Anstand und den Schutz der Jugend ausgehe. Zudem habe sich die Landeshauptstadt keine Gedanken darüber gemacht, wo im Stadtgebiet die Bordelle sich sonst niederlassen könnten. Nahezu alle Gewerbegebiete der Stadt seien bereits vollständig genutzt. „Da wird man doch in die Illegalität abgedrängt“, kritisiert der Anwalt. Zudem laufe diese offenbar beabsichtigte Verdrängung
einer Landesverordnung zuwider, die Prostitution in Gemeinden mit mehr als 50 000 Einwohnern im Saarland ausdrücklich erlaubt.
Das Rechtsamt der Landeshauptstadt hält dagegen: Das Sperrgebiet umfasse lediglich sieben Prozent der Gesamtfläche der Landeshauptstadt, in der aber rund ein Viertel der Einwohner lebe. Zudem liege das fragliche Bordell nahe der Saarbahn-Haltestelle am Hauptbahnhof, von wo aus sich viele Schüler auf den Weg zur Schule machten. Auch eine Kita sei in der Nähe. Als OVG-Präsident Bitz anmerkt, dass die Schüler für ihren Weg wohl eher die Bahnhofstraße nutzen und nicht direkt am Bordell vorbei gingen, mag mancher Zuhörer daraus bereits einen Hinweis auf das Urteil ableiten. In Saarbrücken gibt es 20 Bordelle, sechs davon liegen im Sperrgebiet – und müssten schließen, sollte das OVG die Rechtmäßigkeit der
Sperrgebietsverordnung bestätigen.
In Neunkirchen gibt es nach offiziellen Angaben neun Bordelle. Davon liegen zwei zwar im Sperrgebiet, genießen aber aus baurechtlichen Gründen Bestandsschutz. Klagen gegen die Sperrgebietsverordnung gibt es dagegen von einer Mieterin, die Wohnungs-Prostitution im Sperrgebiet betreiben möchte, sowie von dem Besitzer einer Innenstadt-Bar, die Bordell werden soll. In beiden Fällen machen die Anwälte geltend, dass die Orte von außen nicht als Prostitutions-Stätten zu erkennen seien und somit auch keine Gefahr für öffentlichen Anstand und Jugendschutz gegeben sei. Auch führten Wege zu Schulen oder Kitas nicht unmittelbar an den Etablissements vorbei. Erinnert wird zudem daran, dass freiwillige Prostitution als Beruf geschützt ist. Bemängelt wird ferner, dass die Bekanntmachung der neuen Sperrgebietsverordnung der Stadt Neunkirchen im kostenpflichtigen Amtsblatt II erfolgte. Etwas, was wiederholt auch OVG-Präsident Bitz als fragwürdig erachtete. Spätestens in 14 Tagen sollen die Urteile fallen.