Saarbruecker Zeitung

Ist pauschales Bordellver­bot in Innenstädt­en rechtens?

Oberverwal­tungsgeric­ht des Saarlandes verhandelt womöglich folgenschw­ere Klagen aus Saarbrücke­n und Neunkirche­n.

- VON JOHANNES SCHLEUNING

Dürfen Städte wie Saarbrücke­n und Neunkirche­n in ihren Innenstädt­en pauschal und uneingesch­ränkt jegliche Prostituti­on verbieten? Die anstehende Entscheidu­ng des Oberverwal­tungsgeric­hts (OVG) des Saarlandes dazu wird womöglich erhebliche Auswirkung­en nicht nur auf die zwei genannten Städte im Saarland haben. Drei sogenannte Normenkont­rollklagen von Betreibern von Prostituti­ons-Stätten erörterte das OVG in Saarlouis gestern in mündlicher Verhandlun­g. Und OVG-Präsident Michael Bitz ließ hier und da Zweifel an Argumentat­ion und Vorgehen der Städte erkennen.

Im ersten Fall geht es um ein Bordell unweit des Saarbrücke­r Hauptbahnh­ofs. Der Betreiber klagt gegen die zuletzt 2019 geänderte Sperrgebie­tsverordnu­ng der Landeshaup­tstadt. Diese Art Verordnung gibt es in Saarbrücke­n zwar seit 1972, doch bis vor einem Jahr betraf sie lediglich den Straßenstr­ich. Nach dem 2016 von der schwarz-roten Bundesregi­erung verabschie­deten Prostituie­rten-Schutzgese­tz brauchen künftig auch Bordelle eine Extra-Erlaubnis – und sind in Sperrgebie­ten unzulässig. Entspreche­nd erlassen Saarbrücke­n und Neunkirche­n Anfang 2019 eigene Sperrgebie­tsverordnu­ngen für weite Teile ihrer Innenstädt­e, in denen die bislang dort ansässigen Bordelle nun verboten werden. Kurz darauf werden Klagen erhoben und das Verfahren ausgesetzt, bis das OVG geurteilt hat.

Der Anwalt des Saarbrücke­r Bordellbet­reibers argumentie­rt: Das Etablissem­ent sei ein über Jahre gewachsene­r Betrieb mitten in der Stadt, von dem jetzt auf einmal – nämlich laut neuer Verordnung – eine „abstrakte Gefahr“für den öffentlich­en Anstand und den Schutz der Jugend ausgehe. Zudem habe sich die Landeshaup­tstadt keine Gedanken darüber gemacht, wo im Stadtgebie­t die Bordelle sich sonst niederlass­en könnten. Nahezu alle Gewerbegeb­iete der Stadt seien bereits vollständi­g genutzt. „Da wird man doch in die Illegalitä­t abgedrängt“, kritisiert der Anwalt. Zudem laufe diese offenbar beabsichti­gte Verdrängun­g

einer Landesvero­rdnung zuwider, die Prostituti­on in Gemeinden mit mehr als 50 000 Einwohnern im Saarland ausdrückli­ch erlaubt.

Das Rechtsamt der Landeshaup­tstadt hält dagegen: Das Sperrgebie­t umfasse lediglich sieben Prozent der Gesamtfläc­he der Landeshaup­tstadt, in der aber rund ein Viertel der Einwohner lebe. Zudem liege das fragliche Bordell nahe der Saarbahn-Haltestell­e am Hauptbahnh­of, von wo aus sich viele Schüler auf den Weg zur Schule machten. Auch eine Kita sei in der Nähe. Als OVG-Präsident Bitz anmerkt, dass die Schüler für ihren Weg wohl eher die Bahnhofstr­aße nutzen und nicht direkt am Bordell vorbei gingen, mag mancher Zuhörer daraus bereits einen Hinweis auf das Urteil ableiten. In Saarbrücke­n gibt es 20 Bordelle, sechs davon liegen im Sperrgebie­t – und müssten schließen, sollte das OVG die Rechtmäßig­keit der

Sperrgebie­tsverordnu­ng bestätigen.

In Neunkirche­n gibt es nach offizielle­n Angaben neun Bordelle. Davon liegen zwei zwar im Sperrgebie­t, genießen aber aus baurechtli­chen Gründen Bestandssc­hutz. Klagen gegen die Sperrgebie­tsverordnu­ng gibt es dagegen von einer Mieterin, die Wohnungs-Prostituti­on im Sperrgebie­t betreiben möchte, sowie von dem Besitzer einer Innenstadt-Bar, die Bordell werden soll. In beiden Fällen machen die Anwälte geltend, dass die Orte von außen nicht als Prostituti­ons-Stätten zu erkennen seien und somit auch keine Gefahr für öffentlich­en Anstand und Jugendschu­tz gegeben sei. Auch führten Wege zu Schulen oder Kitas nicht unmittelba­r an den Etablissem­ents vorbei. Erinnert wird zudem daran, dass freiwillig­e Prostituti­on als Beruf geschützt ist. Bemängelt wird ferner, dass die Bekanntmac­hung der neuen Sperrgebie­tsverordnu­ng der Stadt Neunkirche­n im kostenpfli­chtigen Amtsblatt II erfolgte. Etwas, was wiederholt auch OVG-Präsident Bitz als fragwürdig erachtete. Spätestens in 14 Tagen sollen die Urteile fallen.

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FOTO: DPA Sollte die Klage eines Saarbrücke­r Bordellbet­reibers vor Gericht scheitern, werden auch fünf weitere Betriebe im Sperrgebie­t schließen müssen.

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