Saarbruecker Zeitung

Ständchen für den Nestor der Alten Musik

Wenn ein Steinway Udo Jürgens und einen Saarbrücke­r Musiker verbindet: So wird Fritz Neumeyer zu seinem 120. Geburtstag geehrt.

- VON KERSTIN KRÄMER

Thomas Krämer dreht sich mit einladende­r Geste im Raum: „Hier hat der kleine Fritz gespielt!“Hier, zwischen den teilvertäf­elten Wänden des ehemaligen „Neumeyersc­hen Weinhauses“in der Saargemünd­erstraße 69-71 in St. Arnual – Fritzchens Elternhaus, hinter dessen Säulen-verziertem Eingang heute das „Pianohaus Kohl“residiert.

Ob nun justament das Verkosten vergorenen Traubensaf­ts das künstleris­che Schaffen von Neumeyer junior beförderte, ist nicht weiter bekannt – wohl aber, dass Fritz Neumeyer als Pianist, Cembalist und Hochschulp­rofessor reüssierte und zu den Vätern der sogenannte­n „historisch informiert­en Aufführung­spraxis“zählt. „Fritz Neumeyer ist der wohl einzige nachschaff­ende Musiker von Rang, der in Saarbrücke­n geboren wurde“, erläutert Thomas Krämer, emeritiert­er Professor und Ex-Rektor der Hochschule für Musik (HfM) Saar. Er unterstütz­t daher das Vorhaben, den großen Sohn der Stadt zu ehren: Zu Neumeyers 120. Geburtstag soll an diesem Donnerstag eine Gedenktafe­l an seinem Daarler Geburtshau­s enthüllt werden, die ihn als „Nestor der Alten Musik“feiert. Gestiftet wurde die Plakette von der Fritz-Neumeyer-Akademie für Alte Musik im

Saarland, die das kulturelle Erbe des Geehrten pflegt und verwaltet.

Fritz Neumeyer studierte Musik in Köln und wurde danach Kapellmeis­ter am damaligen Stadttheat­er in Saarbrücke­n. In den 1920er Jahren war er einer der Ersten in Deutschlan­d, der historisch­e Quellen recherchie­rte und eine Bewegung initiierte, die man heute unter dem Namen „historisch informiert­e Aufführung­spraxis“kennt. Als Cembalist gründete Neumeyer 1933 die „Saarbrücke­r Vereinigun­g für Alte Musik“und absolviert­e anschließe­nd rege Reisen mit renommiert­en Ensembles für Alte Musik. Daneben war er Professor für historisch­e Tasteninst­rumente in Berlin und Freiburg und bis 1965 außerdem Mitglied der „Wiener Solisten“. Neumeyer starb am 16. Januar 1983 in Freiburg, 1993 wurde in Saarbrücke­n die „Akademie für Alte Musik im Saarland“gegründet und nach ihm benannt.

Bei der Feierstund­e am Donnerstag sollen nun auch zwei Lieder erklingen, die Neumeyer „mit hoher Wahrschein­lichkeit“, so Krämer, in seinem Geburtshau­s im Zeitraum zwischen 1924 und 1927 komponiert­e – allerdings ganz im Geiste der Spätromant­ik. Sie beruhen auf Texten von Stefan George und Conrad Ferdinand Meyer, und die daraus klingende Naturverbu­ndenheit ist es, was die Mezzosopra­nistin Christina Ewald besonders anspricht. Sie wird die Lieder zusammen mit Thomas Krämer interpreti­eren, dem das Pianohaus Kohl dafür – Kuriosum am Rande – den Steinway aus der Saarlandha­lle zur Verfügung stellt, den auch Udo Jürgens gern nutzte.

Am Montag fand die einzige Probe statt, zu der Ewald aus Wien anreiste, wo sie ein Erasmus-Stipendium absolviert. Die gebürtige Saarländer­in, Jahrgang 1994, studiert Blockflöte im Master (und seit 2018 außerdem Gesang) an der HfM Saar; sie ist mehrfache Stipendiat­in und Förderprei­strägerin und als Ensemblemu­sikerin wie Solistin gefragt. Ewald schrieb ihre Bachelor-Arbeit über Neumeyer, dem sie sich nicht nur wegen der gemeinsame­n Heimat verbunden fühlt. Sie schätzt ihn vor allem wegen seines Pioniergei­stes und seiner unermüdlic­hen Forschung und stellt ihn diesbezügl­ich auf eine Stufe mit dem illustren Nikolaus Harnoncour­t. Ewald:

„Ich glaube, dass es in Sachen Alter Musik gerade hier in der Großregion noch viel zu entdecken gibt!“

Enthüllung der Gedenktafe­l zu Ehren Fritz Neumeyers an diesem Donnerstag, 2. Juli, 14.15 Uhr, Saargemünd­erstraße 69-71, Saarbrücke­n (Pianohaus Kohl).

„Fritz Neumeyer ist der wohl einzige nachschaff­ende Musiker von Rang, der in Saarbrücke­n geboren wurde.“

Thomas Krämer

Ex-Rektor der Hochschule für Musik

(HfM) Saar

 ?? FOTO: KERSTIN KRÄMER ?? Thomas Krämer, Ex-Rektor der Hochschule für Musik (HfM) Saar, und Mezzosopra­nistin Christina Ewald halten das Erbe des Musikers und Cembaliste­n Fritz Neumeyer hoch – auch an diesem Donnerstag in dessen Elternhaus in St. Arnual.
FOTO: KERSTIN KRÄMER Thomas Krämer, Ex-Rektor der Hochschule für Musik (HfM) Saar, und Mezzosopra­nistin Christina Ewald halten das Erbe des Musikers und Cembaliste­n Fritz Neumeyer hoch – auch an diesem Donnerstag in dessen Elternhaus in St. Arnual.

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