Von Wiegenliedern und ausgeschlagenen Vorderzähnen
(kek) „Hugo von Hofmannsthal. Haben Sie da Lust drauf?“Raimund Widra grinst hinterhältig. „Egal. Die Karten sind bezahlt, Sie haben keine Wahl – Sie müssen nehmen, was kommt!“
Auch das dritte Sonderprogramm des Saarländischen Staatstheaters (SST) am Sonntag glich einem Überraschungsei: Man wusste vorher nicht genau, was drin ist. Und so schmuggelten sich in einen recht spontan gestrickten Abend mit Liedern und Texten „Von Liebe und Tod“, bei dem man sich von Namen wie Bertolt Brecht, Kurt Weill und Hildegard Knef in Sicherheit gewiegt fühlte, noch ganz andere Sachen hinein: Düsteres von Cher, Pathologisches von Gottfried Benn und Georg Kreisler, ein ausgeschlagener Vorderzahn von Hugo Wiener, zeitgenössischer Deutschpop,
Richard Strauss‘ Rosenkavalier, ein Wiegenlied von Brahms – und eine Romanze von Jean Sibelius, am Flügel dargeboten von Rick-Henry Ginkel.
Der Pianist begleitete kongenial und konnte obendrein als Gitarrist und Gesangsduett-Partner auch mit eigenen Noten punkten. Wie auch immer: „Bloß nicht aus Liebe weinen!“, fasste Schauspielerin Laura Trapp mit Theo Mackebens Hit für Zarah Leander die Grundstimmung zusammen, die ihr Kollege Raimund Widra mit Brechts lakonischer „Erinnerung an die Marie A.“unterstrich. Die Vertonung dieses Gedichts besorgte übrigens ein gewisser Franz Servatius Bruinier, ein Großonkel der SST-Schauspieldirektorin Bettina Bruinier, wie man hier erfuhr. Und das sollte nicht das einzige Nähkästchen-Geplauder
bleiben – die Akteure verrieten Persönliches. Etwa über das Gefühl, nach drei Monaten Bühnen-Abstinenz wieder vor Publikum zu stehen: „Wir sterben wirklich vor Freude!“, beteuerte Schauspielerin Verena Bukal. Zur allgemeinen Erleichterung verzichtete sie jedoch auf ihr eigenes Ableben und ließ stattdessen mit Brecht/Weills Ballade „Vom ertrunkenen Mädchen“eine andere Dame umkommen. Laura Trapp litt gar unter derartigen Entzugserscheinungen, dass hier das Lampenfieber zuschlug und sie ein Lied lachend nochmal neu anfangen musste. „Drei Monate – das macht mich fertig!“, seufzte sie unter ermutigendem Applaus. Beide berichteten zudem von ihrer anfänglichen Scheu vorm Singen auf der Schauspielschule – gut, dass sie die mittlerweile überwunden haben, es wäre jammerschade um diese zwei ausdrucksvollen Stimmen.
Und wer hätte gedacht, dass eine glamouröse Operndiva wie Valda Wilson hingebungsvoll auf der Ukulele zirpt und nicht nur auf Belcanto abonniert ist? Mit dem scheinbar niedlichen Popsong „Coin operated boy“der Band „The Dresden Dolls“trällerte sie hier mit Unschuldsmiene eine freche Hommage an das Sex-Spielzeug.
Zum Finale befanden alle gemeinsam „Für mich soll‘s rote Rosen regnen!“Chefdramaturg Horst Busch kam der Aufforderung unverzüglich nach, die Zuschauer ließen derweil Beifall und Bravos hageln.