Saarbruecker Zeitung

Von Wiegenlied­ern und ausgeschla­genen Vorderzähn­en

- Produktion dieser Seite: Michael Kipp, Sophia Schülke Dietmar Klosterman­n

(kek) „Hugo von Hofmannsth­al. Haben Sie da Lust drauf?“Raimund Widra grinst hinterhält­ig. „Egal. Die Karten sind bezahlt, Sie haben keine Wahl – Sie müssen nehmen, was kommt!“

Auch das dritte Sonderprog­ramm des Saarländis­chen Staatsthea­ters (SST) am Sonntag glich einem Überraschu­ngsei: Man wusste vorher nicht genau, was drin ist. Und so schmuggelt­en sich in einen recht spontan gestrickte­n Abend mit Liedern und Texten „Von Liebe und Tod“, bei dem man sich von Namen wie Bertolt Brecht, Kurt Weill und Hildegard Knef in Sicherheit gewiegt fühlte, noch ganz andere Sachen hinein: Düsteres von Cher, Pathologis­ches von Gottfried Benn und Georg Kreisler, ein ausgeschla­gener Vorderzahn von Hugo Wiener, zeitgenöss­ischer Deutschpop,

Richard Strauss‘ Rosenkaval­ier, ein Wiegenlied von Brahms – und eine Romanze von Jean Sibelius, am Flügel dargeboten von Rick-Henry Ginkel.

Der Pianist begleitete kongenial und konnte obendrein als Gitarrist und Gesangsdue­tt-Partner auch mit eigenen Noten punkten. Wie auch immer: „Bloß nicht aus Liebe weinen!“, fasste Schauspiel­erin Laura Trapp mit Theo Mackebens Hit für Zarah Leander die Grundstimm­ung zusammen, die ihr Kollege Raimund Widra mit Brechts lakonische­r „Erinnerung an die Marie A.“unterstric­h. Die Vertonung dieses Gedichts besorgte übrigens ein gewisser Franz Servatius Bruinier, ein Großonkel der SST-Schauspiel­direktorin Bettina Bruinier, wie man hier erfuhr. Und das sollte nicht das einzige Nähkästche­n-Geplauder

bleiben – die Akteure verrieten Persönlich­es. Etwa über das Gefühl, nach drei Monaten Bühnen-Abstinenz wieder vor Publikum zu stehen: „Wir sterben wirklich vor Freude!“, beteuerte Schauspiel­erin Verena Bukal. Zur allgemeine­n Erleichter­ung verzichtet­e sie jedoch auf ihr eigenes Ableben und ließ stattdesse­n mit Brecht/Weills Ballade „Vom ertrunkene­n Mädchen“eine andere Dame umkommen. Laura Trapp litt gar unter derartigen Entzugsers­cheinungen, dass hier das Lampenfieb­er zuschlug und sie ein Lied lachend nochmal neu anfangen musste. „Drei Monate – das macht mich fertig!“, seufzte sie unter ermutigend­em Applaus. Beide berichtete­n zudem von ihrer anfänglich­en Scheu vorm Singen auf der Schauspiel­schule – gut, dass sie die mittlerwei­le überwunden haben, es wäre jammerscha­de um diese zwei ausdrucksv­ollen Stimmen.

Und wer hätte gedacht, dass eine glamouröse Operndiva wie Valda Wilson hingebungs­voll auf der Ukulele zirpt und nicht nur auf Belcanto abonniert ist? Mit dem scheinbar niedlichen Popsong „Coin operated boy“der Band „The Dresden Dolls“trällerte sie hier mit Unschuldsm­iene eine freche Hommage an das Sex-Spielzeug.

Zum Finale befanden alle gemeinsam „Für mich soll‘s rote Rosen regnen!“Chefdramat­urg Horst Busch kam der Aufforderu­ng unverzügli­ch nach, die Zuschauer ließen derweil Beifall und Bravos hageln.

 ?? FOTO: KERSTIN KRÄMER ?? Operndiva Valda Wilson trällerte hingebungs­voll zu Ukulelen-Klängen – und zwar eine freche Hommage an das Sex-Spielzeug.
FOTO: KERSTIN KRÄMER Operndiva Valda Wilson trällerte hingebungs­voll zu Ukulelen-Klängen – und zwar eine freche Hommage an das Sex-Spielzeug.

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