Lektionen in Demut für eine junge Frau
Die junge Amélie reist nach Japan, das Land ihrer Kindheit und ihr ewiger Sehnsuchtsort, und verpflichtet sich für ein Jahr als Dolmetscherin bei der großen japanischen Firma Yumimoto. Statt die Karriereleiter hinaufzuklettern, wird die junge Frau Schritt für Schritt degradiert, bis sie letztlich die Toiletten des Unternehmens putzt. „Noch nie war ein Abort Schauplatz einer ideologischen Auseinandersetzung von so grundsätzlicher Bedeutung“, konstatiert Amélie. Das alles, weil sie die Spielregeln der durch und durch hierarchisch organisierten japanischen Arbeitswelt nicht beherrscht. Amélie erwarten schmerzhafte Lektionen in Demut und ein Einblick in eine Welt, in der eine Frau, noch dazu eine aus Europa, nichts zu melden hat.
Ironisch, böse und grotesk kommt „Mit Staunen und Zittern“daher und ist damit perfektes Aushängeschild des Oeuvres der Schriftstellerin. Sie erhielt dafür den Grand Prix de l‘Académie française. Die Romane Nothombs lassen sich in einem Zug lesen, langweilig wird es dabei nie.
Mit „Staunen und Zittern“ist einer von mehreren autofiktionalen Romanen der Bestsellerautorin. Die belgische Diplomatentochter nutzt die Stationen ihres Lebens häufig als Wegmarken in ihren Romanen. Gleichzeitig wird durch oftmals groteske Übersteigerung die Fiktionalität ihrer Werke nur allzu deutlich.
Wie Amélie Nothomb bei einer Lesung im Rahmen des Literaturfestivals LitCologne 2016 in Köln verriet, steht sie nachts um drei Uhr in ihrer Pariser Wohnung auf, trinkt kannenweise extra starken Tee und beginnt wie besessen zu schreiben – handschriftlich. So publizierte die belgische Autorin seit ihrem Erstlingswerk „Hygiène de l’assasin“(deutsch: die Reinheit des Mörders), das 1992 erschien, ganze 28 Romane.
Ein lauter Knall – und dort, wo einst Karlsruhe lag, befindet sich nur noch eine leblose Trümmerwüste. Bei einem beispiellosen Terroranschlag explodiert eine Atombombe mitten in Deutschland und reißt Hunderttaussende in den Tod. Darunter auch den Sohn des ehemaligen Kommissars Lennard Pauly. Kurz darauf fallen Pauly bei seiner Tätigkeit als Privatdetektiv Informationen in die Hände, die darauf hindeuten, dass die Regierung bei ihrer offiziellen Darstellung der Hintergründe des Anschlages gelogen hat. Während er zusammen mit seiner einstigen Jugendliebe nach den wahren Gründen für den Anschlag sucht, verfällt die Gesellschaft in einen gefährlichen Strudel aus Rachedurst und blindem Nationalismus.
In seinem Werk „Schwarzer Regen“zeichnet Karl Olsberg ein erschreckend realistisches Bild von den unmittelbaren Folgen eines Atombomben-Anschlags. Die detailierte Schilderung des Grauens, welches ohne Vorwarnung über die Stadt hereinbricht, sowie der verzweifelte Überlebenskampf der wenigen Überlebenden und Rettungskräfte, erzeugen eine Intensität, wie man sie eher von Hollywood-Blockbustern kennt. Doch auch der in der Folge beschriebene Rechtsruck in der Gesellschaft hinterlässt einen unguten Beigeschmack, angesichts der realen politischen Entwicklungen in jüngster Zeit.
Der Schreibstil Olsbergs ist direkt und prägnant, wie man es schon von seinen beiden Vorgängerwerken „Das System“und „Der Duft“kennt. Auch wenn sich die Handlung zum Anfang recht träge entwickelt, nach den ersten hundert Seiten schafft es das Buch, eine Spannung aufzubauen, die es einen nicht mehr aus der Hand legen lässt. Auch wenn nach rund 400 Seiten wieder Schluss ist, die Gänsehaut, die einem beim Lesen von Olsbergs Werk unweigerlich befällt, hält länger an.
Spielebücher sind bei Kindern beliebt. Sie können entscheiden, wie eine Geschichte verlaufen soll und tragen so Verantwortung für die Charaktere. So lernen Kinder auch, dass jede Entscheidung Konsequenzen trägt. Für Erwachsene sind solche Bücher kaum bekannt. Doch das scheint sich zu ändern.
Der saarländische Fantasy-Autor Markus Heitz verfolgt mit seiner Reihe „Doors“ein ähnliches Konzept. Bisher erschienen zwei Staffeln bei Droemer Knaur. Jede Staffel besteht aus drei Bänden. Doch es gibt eine Besonderheit: Der Leser muss nicht jeden Teil lesen. Den 80-seitigen Beginn der Geschichte kann er online herunterladen – gratis! Danach muss der Leser jedoch zum Buch greifen, um zu erfahren, wie es mit der Gruppe, die eine verschwundene junge Frau retten soll weitergeht. Er entscheidet, durch welche Tür das Team gehen soll.
Da die Rede von Heitz ist, sollte klar sein, dass sie alle Bände der Staffel lesen sollten. „Nur wer alle Romane gelesen hat, besitzt den 100-prozentigen Überblick“, verrät er, verspricht aber zugleich, gleichen Spaß und Spannung für Leser eines Bandes. Also stehen sie vor einer Herausforderung, bevor die Geschichte angefangen hat. Welchen Teil lese ich? Heitz nimmt den Leser in jedem Teil in eine eigene Welt mit, die Charaktere sind die gleichen. Die erste Staffel ist durch Zeitreisen geprägt. „DoorsX“nimmt den Leser mit in eine dystopische Traumwelt, in „Doors!“geht es zurück ins neunte Jahrhundert und in den 40er Jahren, wie wir sie nicht kennen, landen die Protagonisten in „Doors?“.
Der Leser hat so die Entscheidungskraft über das Ende der Geschichte – zumindest teilweise. Schließlich reden wir hier immer noch von Markus Heitz. Das Konzept der Reihe hat zudem einen Vorteil: Gefällt dem Leser der Verlauf eines Bandes nicht, kann er einfach zum nächsten greifen.