Saarbruecker Zeitung

Eliteeinhe­it KSK droht die komplette Auflösung

Die Verteidigu­ngsministe­rin demonstrie­rt Härte gegen Extremismu­s in der Bundeswehr. Die Operation birgt für sie aber auch ein großes Risiko.

- VON MICHAEL FISCHER Produktion dieser Seite: Gerrit Dauelsberg, Robby Lorenz Martin Trappen, Moritz Scheidel

Bundesvert­eidigungsm­inisterin Kramp-Karrenbaue­r (CDU) hat ihre Reformplän­e für das KSK vorgestell­t. Gelingt die Erneuerung nicht, droht der Eliteeinhe­it nach rechtsextr­emen Vorfällen die Auflösung.

(dpa) An markigen Worten fehlt es nicht, als Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) am Mittwoch ihre bisher wichtigste Entscheidu­ng als Verteidigu­ngsministe­rin erklärt. Das Kommando Spezialkrä­fte (KSK) habe sich „zumindest in Teilbereic­hen über die letzten Jahre verselbsts­tändigt“, sagt sie. Ein „ungesundes Eliteverst­ändnis“von Führungskr­äften habe „extremisti­sche Tendenzen und einen absolut nicht hinnehmbar­en laxen Umgang mit Material und Munition“begünstigt. Fazit: Das KSK könne „in seiner jetzigen Verfassung nicht bestehen bleiben“.

Schon am Vortag hatte Kramp-Karrenbaue­r entschiede­n, dass sie die Elitetrupp­e der Bundeswehr wegen einer Serie rechtsextr­emistische­r Vorfälle seit 2017 radikal reformiere­n und eine Kompanie sogar auflösen will (wir berichtete­n). Für die Truppe gilt nun ein Ultimatum: Wenn die

Reformschr­itte das außer Kontrolle geratene Spezialkom­mando bis zum 31. Oktober nicht bändigen, soll es ganz aufgelöst werden.

Selbst bei der Opposition hat die Ministerin damit Eindruck gemacht. „Annegret Kramp-Karrenbaue­r belässt es mit den angekündig­ten Maßnahmen nicht bei kosmetisch­en Schritten“, lautete die erste Reaktion der stellvertr­etenden Grünen-Fraktionsc­hefin Agnieszka Brugger. Und selbst die Linke meint, dass sich die Ministerin zumindest in die richtige Richtung bewegt – wenn auch nicht weit genug.

Das Reformprog­ramm birgt auch ein großes Risiko für Kramp-Karrenbaue­r, egal wie sie entscheide­t. Zwei Szenarien sind möglich.

Erstes Szenario: AKK entscheide­t in vier Monaten, dass die Elitesolda­ten geläutert sind und das Kommando Spezialkrä­fte weiterbest­ehen soll. In dem Fall wird jede weitere Verfehlung der Truppe, die öffentlich wird, zu ihrem persönlich­en Problem. Jedes

Mal wird gefragt werden: Ist der Reformplan gescheiter­t? Hätte die Truppe aufgelöst werden müssen?

Zweites Szenario: AKK kommt zu dem Schluss, dass das KSK nicht reformierb­ar ist. Das würde dann zur Auflösung der Truppe führen, aber nicht zur Abschaffun­g der Spezialkrä­fte. Kramp-Karrenbaue­r hat klargemach­t, dass die Bundeswehr eine geheim operierend­e Einheit mit besonderen Fähigkeite­n braucht.

Bei einer Auflösung des KSK und der Gründung einer neuen Einheit mit neuen Strukturen könnte diese direkt dem Ministeriu­m unterstell­t werden. Dann wären die Spezialkrä­fte auch formell Chefsache. Und dann würde erst recht gelten: Jedes Problem der Elitetrupp­e ist auch ein AKK-Problem. Die Bewährungs­probe ist also eine für beide Seiten: Für die Oberbefehl­shaberin und für ihre Elitesolda­ten.

Die etwa 300 Kommandoso­ldaten des KSK waren bisher so etwas wie die Nationalma­nnschaft der Bundeswehr, in der sich die besten und härtesten sammeln. Die Geheimhalt­ungsregeln für alles, was das KSK so treibt, sollen die Soldaten und ihre Angehörige­n eigentlich schützen – etwa vor Racheakten. Jetzt ist diese Geheimhalt­ung zu einem Deckmantel geworden, unter dem sich das KSK verselbsts­tändigt hat. Ein Ausbilder der jetzt von Kramp-Karrenbaue­r aufgelöste­n zweiten Kompanie des KSK hat Anfang 2017 den Geist der Truppe so beschriebe­n: „Die Situatione­n, die wir erlebt haben, Blut,

Schweiß und Tränen, die wir zusammen erlebt haben, erleben mussten zuweilen. Das schweißt zusammen.“

Damals begann sich die Truppe vorsichtig zu öffnen, erlaubte Journalist­en etwa die Teilnahme an Übungen. Drei Monate später fand die Party für den Chef der zweiten Kompanie statt, die zum Auslöser der Rechtsextr­emismus-Affäre wurde. Schweinekö­pfe wurden geworfen, Rechtsrock gehört, der Hitlergruß gezeigt. Danach war es wieder vorbei mit der Offenheit. Im Mai wurden auf dem Grundstück eines der Partygäste Waffen, Munition und Sprengstof­f gefunden. Für Kramp-Karrenbaue­r war es der Auslöser für die Einsetzung der Arbeitsgru­ppe zur KSK-Reform. Einige meinen, sie habe zu spät gehandelt – mehr als drei Jahre nach der berüchtigt­en Schweineko­pf-Party.

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FOTO: KIENZLE/AP Soldaten der Eliteeinhe­it KSK bei einer Übung.

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