Ermittler suchen bei Wirecard nach Beweisen
Der vorläufige Gläubigerausschuss hat laut Insolvenzverwalter grünes Licht für die internationale Suche nach Investoren gegeben.
Die Staatsanwaltschaft hat mehrere Gebäude von Wirecard in Deutschland und Österreich durchsucht. Indes musste sich Bafin-Präsident Hufeld vor dem Bundestag rechtfertigen, wieso der Milliarden-Skandal nicht früher auffiel.
(dpa) Der in einen milliardenschweren Bilanzskandal verwickelte Dax-Konzern Wirecard wird voraussichtlich in Einzelteile zerlegt und verkauft. Der vorläufige Insolvenzverwalter Michael Jaffé meldete in der Nacht zum Mittwoch, dass sich bereits „zahlreiche Interessenten weltweit für den Erwerb von Geschäftsbereichen gemeldet“hätten.
Der vorläufige Gläubigerausschuss hat nach Angaben Jaffés bereits grünes Licht für die internationale Suche nach Investoren unter Einschaltung von Investmentbanken gegeben. Ein schwacher Trost für die weltweit 5800 Mitarbeiter:
Der Betrieb soll nach Möglichkeit nicht unterbrochen oder eingestellt werden. „Vordringlichstes Ziel im vorläufigen Insolvenzverfahren ist es, den Geschäftsbetrieb der Konzerngesellschaften zu stabilisieren“, hieß es in Jaffés Mitteilung.
Einer eigenständigen Abspaltung von Wirecard-Tochterfirmen will der Rechtsanwalt ganz offensichtlich vorbeugen: „Dazu soll ein von der Muttergesellschaft konzertierter, strukturierter Transaktionsprozess unter Einschaltung auf verschiedene Bereiche spezialisierter Investmentbanken durchgeführt werden“.
Die US-Tochter Wirecard North America – eine Gesellschaft, die ehedem der US-Großbank Citibank gehörte und 2016 von Wirecard übernommen worden war – hatte sich am Dienstag selbst zum Verkauf gestellt und ihre Autonomie betont.
Auf der Suche nach Beweisen für die mutmaßlich frei erfundenen Geschäfte im Mittleren Osten und in Südostasien durchsuchten Dutzende Staatsanwälte, Polizisten und Computerfachleute am Mittwoch
fünf Gebäude in Deutschland und Österreich, darunter zum zweiten Mal innerhalb eines Monats die Wirecard-Firmenzentrale im Münchner Vorort Aschheim. Dabei ging es laut Staatsanwaltschaft in erster Linie um die Vorwürfe, die unter anderem gegen den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Markus Braun erhoben werden: falsche Angaben in den Wirecard-Büchern und Marktmanipulation. „Zwölf Staatsanwälte vor Ort werden dabei von 33 Polizeibeamten und weiteren IT-Fachleuten des Polizeipräsidiums München und ihren österreichischen Kollegen unterstützt“, schrieb die Staatsanwaltschaft in ihrer Mitteilung. In Österreich wurden zwei Objekte durchsucht. Ex-Vorstandschef Markus Braun ist Österreicher, ebenso Jan Marsalek, vormals im Wirecard-Vorstand für das Tagesgeschäft zuständig. Marsaleks Spur verliert sich nach derzeitigem Kenntnisstand auf den Philippinen.
Auch jenseits der strafrechtlichen Ermittlungen mehren sich die Anzeichen, dass der Wirecard-Aufsichtsrat Braun und Marsalek zumindest Mitverantwortung für die Affäre um mutmaßliche Luftbuchungen
in Höhe von 1,9 Milliarden Euro gibt. Der Aufsichtsrat hat Braun nachträglich fristlos entlassen. Der Anstellungsvertrag des langjährigen Konzernchefs sei „mit sofortiger Wirkung“außerordentlich gekündigt worden. Auch Marsalek war schon fristlos gefeuert worden. Üblicherweise gehen fristlosen Kündigungen Vorwürfe gravierenden Fehlverhaltens voraus.
Allerdings sind sowohl der Aufsichtsrat als auch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY, die die Jahresbilanzen von Wirecard testierte, selbst mit Klagen und Klagedrohungen wütender Anleger konfrontiert. Unangenehmen Fragen muss sich auch Felix Hufeld stellen, der Präsident der Finanzaufsicht Bafin. Hufeld sollte am Mittwoch dem Finanzausschuss des Bundestags erklären, warum die mutmaßlichen Scheingeschäfte bei Wirecard unentdeckt blieben. „Es ist sehr viel unbeantwortet geblieben“, sagte die Ausschussvorsitzende Katja Hessel (FDP) nach der Sitzung.
Inzwischen gehen Wirecard auch Kunden verloren: Die Allianz Deutschland stellt wegen des Skandals ihre Bezahl-App „Pay&Protect“ein, die über die Wirecard Bank läuft.
Für die 5800 Mitarbeiter soll der Betrieb nach Möglichkeit
weitergehen.