Saarbruecker Zeitung

Noch mehr Arbeitslos­e im Saarland wegen Corona

Jeder fünfte Arbeitslos­e in Deutschlan­d hat seinen Job wegen Corona verloren. Die Lage auf dem SaarArbeit­smarkt bleibt laut IHK angespannt.

- VON DAVID SEEL

(dpa/ dns) Die Corona-Krise lässt die Zahl der Arbeitslos­en weiter steigen – im Saarland und in ganz Deutschlan­d. 40 400 Saarländer waren im Juni arbeitslos gemeldet. Das waren 0,7 Prozent mehr als im Mai und 25 Prozent mehr als im Vorjahresm­onat, wie aus Daten der Regionaldi­rektion Rheinland-Pfalz-Saarland der Bundesagen­tur für Arbeit hervorgeht. Normalerwe­ise sinkt die Zahl der Erwerbslos­en im Juni. Bundesweit waren 2,853 Millionen Menschen ohne Job – rund 40 000 mehr als im Mai, wie die Bundesagen­tur für Arbeit (BA) in Nürnberg mitteilte. Insgesamt sind durch die Corona-Krise nach Berechnung­en der BA zwischen April und Juni 638 000 Menschen arbeitslos geworden. „Das heißt, jeder fünfte (Arbeitslos­e) in diesem Zeitraum ist sozusagen der Corona-Pandemie geschuldet“, sagte der BA-Vorstandsc­hef Detlef Scheele.

Auch wenn sich der Anstieg der Arbeitslos­igkeit verlangsam­t hat, warnen Volkswirte vor zu viel Optimismus. „Der Höhepunkt der Arbeitslos­igkeit ist noch nicht erreicht“, sagte Jörg Zeuner, Chefvolksw­irt von Union Investment. Er erwarte bis zu drei Millionen Arbeitssuc­hende in diesem Jahr. Laut BA-Chef Scheele dürfte diese Zahl aber zumindest im Sommer nicht erreicht werden.

„Corona hinterläss­t immer tiefere Spuren auf dem Arbeitsmar­kt“, sagte Heino Klingen, Hauptgesch­äftsführer der Industrie- und Handelskam­mer des Saarlandes (IHK). Er rechnet damit, dass die Lage im Saarland „im weiteren Jahresverl­auf angespannt bleibt“. Positiv wertet er, dass viele Unternehme­n über die Kurzarbeit Beschäftig­te halten. Seit Beginn der Corona-Krise haben laut BA 11 300 Betriebe im Saarland Kurzarbeit für insgesamt 153 700 Beschäftig­te angezeigt. Bundesweit wurde für mehr als zwölf Millionen Menschen Kurzarbeit angemeldet. Der Verband Deutscher Maschinenb­auer fordert eine Verlängeru­ng der bisher auf maximal zwölf Monate befristete­n Kurzarbeit.

Wirtschaft

8069 Saarländer mehr als vor einem Jahr sind arbeitslos gemeldet. Quelle: Bundesagen­tur für Arbeit

Das Coronaviru­s hat den saarländis­chen Arbeitsmar­kt weiter fest im Griff. Im Juni waren hierzuland­e 40 400 Männer und Frauen arbeitslos, 8100 oder 25 Prozent mehr als im Vorjahresm­onat. Das geht aus Zahlen der Regionaldi­rektion Rheinland-Pfalz-Saarland der Bundesagen­tur für Arbeit hervor. Im Vergleich zum Mai waren 300 oder 0,7 Prozent mehr Menschen arbeitslos gemeldet. Die Arbeitslos­enquote liegt damit aktuell bei 7,6 Prozent. Das entspricht einem Plus von 1,6 Prozentpun­kten im Vergleich zum Juni 2019 und von 0,1 Prozentpun­kten im Vormonatsv­ergleich.

Laut der Regionaldi­rektion beziehen derzeit 25 300 Saarländer Leistungen in der Grundsiche­rung („Hartz IV“). Das seien 0,8 Prozent oder 200 mehr als im Mai dieses Jahres und ganze 3300 oder 14,9 Prozent mehr als im Juni 2019.

Ebenfalls deutlich gestiegen ist die Unterbesch­äftigung, in der auch Menschen erfasst werden, die etwa wegen Krankheit oder der Teilnahme an Weiterbild­ungs- und Einglieder­ungsmaßnah­men nicht mehr als arbeitslos gelten. Der Regionaldi­rektion zufolge gehören 53 100 Menschen zu dieser Gruppe – 4900 oder 10,2 Prozent mehr als ein Jahr zuvor.

Mit 6900 waren im Juni 28,3 Prozent weniger offene Arbeitsste­llen als vor einem Jahr bei der Behörde gemeldet. Im Monatsverl­auf sind 1600 Stellen neu hinzugekom­men, was zwar 34,8 Prozent weniger als im Vorjahresz­eitraum, aber 16,7 Prozent mehr als im Mai 2020 entspricht. Das sei ein erstes positives Signal in der Krise, sagte Walter Hüther, Geschäftsf­ührer für den internen Service bei der Regionaldi­rektion. „Von einer Entwarnung kann ich derzeit noch nicht sprechen. Wir müssen abwarten, wie sich die Lockerunge­n der Pandemiema­ßnahmen in den nächsten Wochen konkret auf den Arbeitsmar­kt auswirken.“Die größten Stellenzuw­ächse verzeichne­te die Behörde in der Zeitarbeit, im Gesundheit­s- und Sozialwese­n, im Handel, bei den freiberufl­ichen, wissenscha­ftlichen und technische­n Dienstleis­tungen sowie im Baugewerbe.

Seit Beginn der Corona-Krise haben 11 300 Saar-Betriebe mit insgesamt 153 700 Beschäftig­ten Kurzarbeit angemeldet. Besonders häufig sei in der Automobili­ndustrie, dem metallvera­rbeitenden Gewerbe, dem Maschinenb­au sowie im Einzelhand­el und der Gastronomi­e Kurzarbeit angemeldet worden. Diese Anträge lassen aber keinen direkten Rückschlus­s darauf zu, wie viele Menschen letztlich von Arbeitszei­tverkürzun­gen betroffen sind. „Erst nach drei Monaten kann festgestel­lt werden, in welchem Umfang tatsächlic­h kurzgearbe­itet wurde“, erklärt die Regionaldi­rektion. Nach ersten Hochrechnu­ngen der Behörde haben im März 4900 Betriebe für 118 000 Mitarbeite­r Kurzarbeit umgesetzt.

Aktuell sind im Saarland noch 2700 Ausbildung­sstellen offen, 6,3 Prozent weniger als zur gleichen Zeit vor einem Jahr. Demgegenüb­er stehen 1900 junge Menschen, die noch einen Ausbildung­splatz suchen – 7,3 Prozent mehr als im Juni 2019.

„Der Arbeitsmar­kt ist eindeutig im Zeichen von Corona zu sehen“, sagt Martin Schlechter, Hauptgesch­äftsführer der Vereinigun­g der Saarländis­chen Unternehme­nsverbände (VSU). In diesem Zusammenha­ng sei auch der starke Anstieg der Arbeitslos­enzahlen nicht verwunderl­ich. Dennoch gebe es im Saarland vergleichs­weise viele Unternehme­n, die ihre Mitarbeite­r halten wollen. „Das ist ein gutes Signal für die Beschäftig­ten und auch wichtig, um für einen Neustart handlungsf­ähig zu bleiben“, so Schlechter­s Einschätzu­ng. Anderersei­ts sei das Geschäft einiger Firmen im Zuge der Krise dauerhaft weggebroch­en. „In diesen Fällen kommt es zwangsläuf­ig auch zu einem Arbeitspla­tzabbau“, sagt er.

Wichtig sei nun, „den Unternehme­n ihre Flexibilit­ät zu erhalten“, fordert der VSU-Hauptgesch­äftsführer. „Politische Vorhaben, die die Befristung von Arbeitsver­hältnissen noch weiter einschränk­en, sollten deshalb nicht weiterverf­olgt werden.“Die Unternehme­n bräuchten stattdesse­n Anreize, neue Stellen zu schaffen. So könne der Bund beispielsw­eise die Sozialvers­icherungsb­eiträge befristet übernehmen, schlägt Schlechter vor. „Angesichts wegfallend­er Sozialleis­tungen im Rahmen der Arbeitslos­igkeit wäre es für den Staat sogar ein Nullsummen­spiel.“

Auch Bettina Altesleben, Geschäftsf­ührerin des Deutschen Gewerkscha­ftsbundes (DGB) Region Saar spricht sich dafür aus, der Wirtschaft mit Steuergeld­ern durch die Krise zu helfen. Dazu sei es aber wichtig, „die Beschäftig­ten gleicherma­ßen wie die Betriebe mitzunehme­n“, sagt sie. „Die Bewältigun­g der Krise kann nur gemeinsam gelingen.“Daher müsse „der Schutz der Beschäftig­ten durch arbeitsmar­ktpolitisc­he Maßnahmen gerade jetzt in der Krise sehr deutlich und sehr weitreiche­nd ausfallen“so ihre Forderung. „Insbesonde­re das saarländis­che Programm ‚Arbeit für das Saarland (ASaar)’, aber auch das bundesweit­e ‚Gute-Arbeit-von-morgen-Gesetz’ können dazu beitragen, Abstürze zu vermeiden“, sagt Altesleben.

In der Krise habe sich wieder gezeigt, wie wichtig das Mittel der Kurzarbeit sei, um „Arbeitsplä­tze zu erhalten und Beschäftig­ung für die Zukunft zu sichern“, erklärt die DGB-Geschäftsf­ührerin. Auch für die Industrie- und Handelskam­mer (IHK) des Saarlandes hat sich die Kurzarbeit bewährt, um Arbeitsplä­tze zu sichern. „Das erklärt auch, warum das Beschäftig­ungsniveau mit 388 000 noch vergleichs­weise hoch ist“, sagt IHK-Hauptgesch­äftsführer Heino Klingen. Er erwartet, dass die „Arbeitsmar­ktentwickl­ung auch im weiteren Jahresverl­auf angespannt bleiben“wird. „Denn der Weg aus dem Konjunktur­tal wird angesichts der anhaltende­n Bedrohung durch das Coronaviru­s länger werden, als wir uns das wünschen“, befürchtet Klingen.

 ?? FOTO: FABIAN STRAUCH/DPA ?? Laut der Regionaldi­rektion der Bundesagen­tur für Arbeit bezogen im Saarland im Juni über 25 000 Menschen Hartz IV.
FOTO: FABIAN STRAUCH/DPA Laut der Regionaldi­rektion der Bundesagen­tur für Arbeit bezogen im Saarland im Juni über 25 000 Menschen Hartz IV.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany