Kanzlerin im Kreuzverhör durch den politischen Gemüsegarten
Bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr hat sich die Kanzlerin im Bundestag den Fragen der Abgeordneten gestellt. Ihr erster Aufritt Mitte Mai war noch ganz von der Corona-Pandemie überschattet. Die Neuauflage am Dienstag fiel auf den Tag genau mit der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft durch Deutschland zusammen. Ein Thema, das die Parlamentarier eher am Rande interessierte. Angela Merkel (CDU) machte aber auch so weitgehend eine souveräne Figur.
Das „Kreuzverhör“mit der Regierungschefin ist noch ein relativ junges Format. Es soll dem Parlamentsalltag mehr Würze geben. Dass die Befragung auch diesmal weitgehend brav daherkam, hat mit dem strengen zeitlichen Korsett zu tun. Maximal eine Minute ist für die Fragestellung vorgesehen, die Antwort darf dieses Limit ebenfalls nicht überschreiten. Allenfalls noch eine Nachfrage ist zulässig. Beide Seiten folgten diszipliniert dem Drehbuch.
Zum Auftakt gab es wie immer ein kurzes Statement, das Merkel auf die deutsche EU-Ratspräsidentschaft verwandt. Dabei zog sie auch ein Scheitern der Gespräche mit Großbritannien über einen geordneten Austritt aus der europäischen
Staatenfamilie ins Kalkül. „Wir sollten vorsorgen für den Fall, dass das Abkommen doch nicht zustande kommt“, sagte die Kanzlerin. Was damit genau gemeint war, blieb allerdings im Dunkeln. Schon den ersten Fragesteller interessierte etwas ganz anderes. Warum Merkel ihren Innenminister Horst Seehofer (CSU) von einer Strafanzeige gegen eine taz-Kolumnistin abgebracht habe, wollte der AfD-Mann Gottfried Curio mit Blick auf deren Ansicht, Polizisten gehörten auf die „Mülldeponie“, scharfzüngig wissen. Merkel konterte gelassen, nicht aus internen Unterredungen zu berichten. Seehofer habe aber „absolut richtig“gehandelt, als er sich hinter die Polizei stellte und ankündigte, ein Gespräch mit der linken Tageszeitung zu führen, so die Kanzlerin. Eine Abgeordnete der Linkspartei bemängelte derweil die im Corona-Hilfspaket verankerte Deckelung der Sozialbeiträge auf 40 Prozent vom Bruttolohn als mutmaßlich unsozial. „Dass Sie das kritisieren, finde ich irgendwie komisch“, gab Merkel beinah genüsslich zurück. Genau das sei doch „die richtige Antwort“für Leute, die wenig verdienten, deshalb kaum oder gar keine Steuern zahlten, wohl aber Sozialbeiträge, argumentierte sie.
Auch sonst ging es quer durch den politischen Gemüsegarten. Von der
Mietenpolitik über die Türkei- Strategie, von studentischen Nebenjobs über den Kohleausstieg, von der miesen Frauenquote in Unternehmensvorständen bis hin zum Schlachthof-Skandal der Firma Tönnies. In der Kürze der Zeit blieb es häufig bei Allgemeinplätzen. Gelegentlich wurde Merkel aber auch konkret. Werkverträge in der Fleischbranche würden abgeschafft, bekräftigte sie. Und nein, für eine Neuauflage des befristeten Kündigungsverbots von Mietverhältnissen im Zuge der Corona-Pandemie könne sie „keine Zusage machen“. Nur einmal kam die CDU-Politikerin ziemlich ins Schwimmen. Wie sie dazu stehe, dass ihre eigenen Parteifreunde in Mecklenburg-Vorpommern kürzlich für den Amtsverbleib einer dortigen Verfassungsrichterin gestimmt hätten, die der als linksextrem eingestuften „Antikapitalistischen Linken“angehöre, wurde aus den AfD-Reihen gefragt. Da rang Merkel um Worte. Einerseits „akzeptiere“sie die Entscheidung, meinte sie schließlich. Anderseits sei es ein „sehr unbefriedigendes Ergebnis“. Nach gut einer Stunde war alles vorbei, beinahe 20 Abgeordnete wurden ihre Fragen los.