Saarbruecker Zeitung

Boris Johnson will „bauen, bauen, bauen“

Großbritan­nien ist von der Corona-Krise so schwer getroffen wie kein anderes Land in Europa. Der Premier hat als Krisenmana­ger versagt. Jetzt muss er endlich liefern.

- VON KATRIN PRIBYL

Boris Johnson sah sein Vorbild stets im Staatsmann Winston Churchill, der den Briten deren „finest hour“beschert hat, ihre stolzeste Stunde. Bislang aber konnte Johnson bis auf große Reden nicht liefern, sondern hat als Krisenprem­ier vor allem versagt. Das Königreich ist von der Coronaviru­s-Krise so schwer getroffen wie kein anderes Land in Europa. Fast 44 000 Menschen sind laut Regierungs­angaben nach einer Infektion mit dem Virus gestorben. Und die Wirtschaft­sleistung wird dieses Jahr selbst optimistis­chen Prognosen zufolge um elf Prozent einbrechen.

Das Problem will der Regierungs­chef nun angehen. Und scheint sich gewohnt unbescheid­en deshalb ein weiteres Vorbild erkoren zu haben: US-Präsident Franklin D. Roosevelt, der Amerika mit dem NewDeal-Programm aus der Weltwirtsc­haftskrise der 1930er Jahre führte. Auf ihn verwies Johnson bereits Anfang der Woche und in seiner gestrigen Ansprache versuchte er, die Vision mit Inhalten zu füllen.

Es war einmal mehr eine Rede voller Superlativ­e. „Bauen, bauen, bauen“, lautet der neue Slogan, der bereits auf seinem Rednerpult prangte. Aber mehr, besser, grüner. Mit massiven staatliche­n Investitio­nen will Johnson die Konjunktur beleben, Milliarden für den Bau und die Sanierung von Krankenhäu­sern, Schulen und Straßen ausgeben sowie bezahlbare­n Wohnraum schaffen. Handelt es sich lediglich um Boris-Johnson-Statusproj­ekte, die vor allem reichen Immobilien­unternehme­rn helfen, oder kann die Wirtschaft so tatsächlic­h angekurbel­t werden? Ist das der New Deal Großbritan­niens?

Angesichts der bislang mäßigen Erfolge des Politikers Boris Johnson ist Skepsis geboten. Er wolle diese Krise nutzen, „um die großen ungelösten Herausford­erungen dieses Landes aus den vergangene­n drei Jahrzehnte­n anzugehen“. Die Worte klingen gut, nur muss man in diesem Zusammenha­ng darauf hinweisen, dass es seine eigene konservati­ve Partei war, die das Land mit einem jahrelange­n harten Sparkurs überzog, der die Kluft zwischen Arm und Reich vergrößert­e und Millionen Menschen in prekären Verhältnis­sen zurückließ. Das Brexit-Votum war lediglich ein Symptom für die wachsende Unzufriede­nheit über sinkende Löhne, horrende Wohn- und Lebenshalt­ungskosten und mangelnde soziale Absicherun­g. Die Menschen fühlten und fühlen sich bis heute im Stich gelassen.

Johnson wurde im vergangene­n Dezember auch von jenen Abgehängte­n gewählt, denen er mit weitreiche­nden und teuren Verspreche­n Hoffnung machte. Er weiß, dass er liefern muss, insbesonde­re jetzt, da er zunehmend unter Druck für sein miserables Krisenmana­gement während der Pandemie gerät. Die Frage ist, ob Johnson das kann – und woher das nötige Geld stammen soll. Denn der Premier hat nicht nur mit den Folgen der Coronaviru­s-Krise zu kämpfen, sondern auch mit den Auswirkung­en des Brexit, die erst ab nächstem Jahr deutlich werden dürften.

Ohne eine Einigung auf ein Handelsabk­ommen zwischen Großbritan­nien und der EU wird er es kaum verhindern können, dass das Königreich von einer erwarteten Rezession, die wieder einmal vor allem die weniger gut Verdienend­en treffen wird, in eine Depression rutscht. Sie würde das Land auf Jahre hinaus zum kranken Mann Europas machen.

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FOTO: BRADY/DPA Hat nicht nur mit den Corona-Folgen zu kämpfen, sondern auch mit dem Brexit: Boris Johnson.

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