Boris Johnson will „bauen, bauen, bauen“
Großbritannien ist von der Corona-Krise so schwer getroffen wie kein anderes Land in Europa. Der Premier hat als Krisenmanager versagt. Jetzt muss er endlich liefern.
Boris Johnson sah sein Vorbild stets im Staatsmann Winston Churchill, der den Briten deren „finest hour“beschert hat, ihre stolzeste Stunde. Bislang aber konnte Johnson bis auf große Reden nicht liefern, sondern hat als Krisenpremier vor allem versagt. Das Königreich ist von der Coronavirus-Krise so schwer getroffen wie kein anderes Land in Europa. Fast 44 000 Menschen sind laut Regierungsangaben nach einer Infektion mit dem Virus gestorben. Und die Wirtschaftsleistung wird dieses Jahr selbst optimistischen Prognosen zufolge um elf Prozent einbrechen.
Das Problem will der Regierungschef nun angehen. Und scheint sich gewohnt unbescheiden deshalb ein weiteres Vorbild erkoren zu haben: US-Präsident Franklin D. Roosevelt, der Amerika mit dem NewDeal-Programm aus der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre führte. Auf ihn verwies Johnson bereits Anfang der Woche und in seiner gestrigen Ansprache versuchte er, die Vision mit Inhalten zu füllen.
Es war einmal mehr eine Rede voller Superlative. „Bauen, bauen, bauen“, lautet der neue Slogan, der bereits auf seinem Rednerpult prangte. Aber mehr, besser, grüner. Mit massiven staatlichen Investitionen will Johnson die Konjunktur beleben, Milliarden für den Bau und die Sanierung von Krankenhäusern, Schulen und Straßen ausgeben sowie bezahlbaren Wohnraum schaffen. Handelt es sich lediglich um Boris-Johnson-Statusprojekte, die vor allem reichen Immobilienunternehmern helfen, oder kann die Wirtschaft so tatsächlich angekurbelt werden? Ist das der New Deal Großbritanniens?
Angesichts der bislang mäßigen Erfolge des Politikers Boris Johnson ist Skepsis geboten. Er wolle diese Krise nutzen, „um die großen ungelösten Herausforderungen dieses Landes aus den vergangenen drei Jahrzehnten anzugehen“. Die Worte klingen gut, nur muss man in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass es seine eigene konservative Partei war, die das Land mit einem jahrelangen harten Sparkurs überzog, der die Kluft zwischen Arm und Reich vergrößerte und Millionen Menschen in prekären Verhältnissen zurückließ. Das Brexit-Votum war lediglich ein Symptom für die wachsende Unzufriedenheit über sinkende Löhne, horrende Wohn- und Lebenshaltungskosten und mangelnde soziale Absicherung. Die Menschen fühlten und fühlen sich bis heute im Stich gelassen.
Johnson wurde im vergangenen Dezember auch von jenen Abgehängten gewählt, denen er mit weitreichenden und teuren Versprechen Hoffnung machte. Er weiß, dass er liefern muss, insbesondere jetzt, da er zunehmend unter Druck für sein miserables Krisenmanagement während der Pandemie gerät. Die Frage ist, ob Johnson das kann – und woher das nötige Geld stammen soll. Denn der Premier hat nicht nur mit den Folgen der Coronavirus-Krise zu kämpfen, sondern auch mit den Auswirkungen des Brexit, die erst ab nächstem Jahr deutlich werden dürften.
Ohne eine Einigung auf ein Handelsabkommen zwischen Großbritannien und der EU wird er es kaum verhindern können, dass das Königreich von einer erwarteten Rezession, die wieder einmal vor allem die weniger gut Verdienenden treffen wird, in eine Depression rutscht. Sie würde das Land auf Jahre hinaus zum kranken Mann Europas machen.