Die Zeit nach dem Krieg
(mr) Der Krieg hatte auch in der Reichsstraße sehr deutliche Spuren der Zerstörung hinterlassen. Und nicht nur Waren wurden in der Nachkriegszeit gehandelt: Wenn auch nicht in der Straße selbst, so boten doch auf Trümmergrundstücken und in Baracken nahe des Bahnhofs etliche Prostituierte ihre Dienste an. Von 1947 bis 1956 verlor die Straße sogar ihren Namen, wurde zur (verlängerten) Bahnhofstraße – den Grund vermutet Stadtarchivar Hans-Christian Herrmann darin, dass Frankreich an einer „Entpreußifizierung“des Saargebietes interessiert war.
Aber nicht nur der Krieg, auch der Zahn der Zeit zog die alten Häuser in Mitleidenschaft. Was an roten Backsteinfassaden übrig war, wurde immer dunkler. Dennoch gab es hier beliebte Anziehungspunkte. Etwa das Gasthaus „Zum Riesen“. Und besonders in den 1960er Jahren, schildert Herrmann, war hier das Tanzcafé Delft bekannt, an der Ecke der Reichsstraße zur Bahnhofstraße wurde getanzt und Musik gehört.
In den späten 1960er Jahren gab es auch Pläne, ähnlich der Diskonto-Passage eine Unterführung unter der Kreuzung Bahnhofstraße/Viktoriastraße zu errichten, was aber nie umgesetzt wurde. Ein nach wie vor „oberirdischer“Treffpunkt war ein Verkaufspavillon mit Zeitungen am sehr belebten Übergang von der Reichsstraße in die Bahnhofstraße.
Und welcher Saarbrücker, der in den 1960er oder 1970er Jahren Kind war, erinnert sich nicht an das „Kinderkaufhaus“, das mit all seinen Spielwaren eine magische Anziehungskraft ausübte? Während das „Roxy“-Kino daneben mit seinen einschlägigen Filmen ab 1962 doch eher einsame Herren anlockte.
Als Saarbrücken – nach einem Stadtratsbeschluss von 1996 – seine Fußgängerzone bekam, gehörte die Reichsstraße zum zweiten von drei Bauabschnitten und war ab August 1996 für Autos tabu.
Heute ist die Reichstraße, wie in ihren Anfängen, wieder mit Bäumen bestanden. Autos fahren in der Fußgängerzone allerdings keine. Und von den ersten Häusern ist, abgesehen von der ehemaligen Bergwerksdirektion, nur eines in seiner (fast) ursprünglichen Form erhalten: Vom Bahnhof kommend das Eckhaus auf der linken Seite. Im einstigen Hotel Terminus befindet sich heute im Erdgeschoss eine Apotheke.
Die Erweiterung der früheren Saar-Galerie um die ehemalige Bergwerksdirektion zur Europa-Galerie hat etwas Leben in die Reichsstraße zurückgebracht. Und vielleicht wird es ja noch mehr, wenn am Kopfende der Reichsstraße Richtung Saar das aktuelle Bauprojekt abgeschlossen ist: Wo einst das Hotel Excelsior und benachbarte Häuser standen, entstehen gerade ein neues Hotel und neue Ladenlokale.