Saarbruecker Zeitung

Corona-Mittel Remdesivir in der EU zugelassen

Die EU will den Hersteller des Corona-Medikament­s notfalls zwingen, nicht nur die Vereinigte­n Staaten zu versorgen.

- VON DETLEF DREWES

Remdesivir wird in Europa als erstes Medikament gegen Covid-19 zugelassen. Weil sich die USA aber ganze Monatsprod­uktionen gesichert haben, will die EU den Hersteller notfalls zwingen zu liefern.

Begleitet von unmissvers­tändlichen Drohungen gegen den Hersteller hat die EU am Freitag ein erstes Medikament zur Therapie von Covid-19 gebilligt. „Die heutige Zulassung ist ein wichtiger Fortschrit­t im Kampf gegen das Virus“, erklärte EU-Gesundheit­skommissar­in Stella Kyriakides in Brüssel.

Ärzte sehen Remdesivir zwar nicht als Allheilmit­tel. Aber es gilt als vielverspr­echender Wirkstoff, um die Behandlung zu verkürzen. Bei Tests mit 1000 Patienten war die durchschni­ttliche Therapieda­uer von 15 auf elf Tage gesunken. Die Effekte traten bei Patienten am deutlichst­en auf, die Sauerstoff benötigten, aber noch nicht künstlich beatmet werden mussten. Dagegen konnten die Forscher in anderen Gruppen mit Patienten, die ohne Sauerstoff auskamen, sowie Erkrankten, die bereits beatmet wurden, keine signifikan­te Verbesseru­ng der Behandlung feststelle­n. Allerdings handelte es sich auch nur um eine verhältnis­mäßig kleine Zielgruppe, die die Mediziner beobachtet hatten. Deshalb erhielt der US-Biotech-Hersteller Gilead Sciences jetzt auch nur eine sogenannte „bedingte Marktzulas­sung“für die EU. Bis zum Dezember hat das Unternehme­n Zeit, weitere Unterlagen bei der Europäisch­en Arzneimitt­elbehörde (EMA) einzureich­en.

Remdesivir darf bei Patienten ab zwölf Jahren per Infusion zwischen fünf und zehn Tage zum Einsatz kommen. Voraussetz­ung für die Behandlung ist, dass die Betroffene­n am Monitor eng überwacht werden. Ärzte sind aufgeforde­rt, während und nach der Verabreich­ung unter anderem die Leber- und Nierenwert­e im Blick zu behalten, forderte die EMA. Auch in Deutschlan­d war das Präparat bereits aufgrund einer Genehmigun­g im Rahmen des Arzneimitt­el-Härtefallp­rogramms im Einsatz. Die Kosten eines Behandlung­szyklus liegen bei 2100 Euro.

Die Frage ist allerdings, wer von der Zulassung profitiert. Erst vor wenigen Tagen hatte eine Ankündigun­g der US-Regierung für Aufregung gesorgt. Washington habe, so hieß es aus dem Weißen Haus, bereits die komplette Produktion für mehrere Monate aufgekauft, um damit die eigene Bevölkerun­g zu versorgen. Allerdings hat die Bundesrepu­blik bereits einige Vorräte angelegt. In Brüssel hieß es dazu am Freitag, der Hersteller Gilead müsse „sein Wissen mit anderen Unternehme­n teilen und diese auch als Wettbewerb­er auf den Markt lassen“.

Der Mediziner und CDU-Europa-Politiker Peter Liese drohte dem Konzern sogar mit Blick auf das neue Gesundheit­sprogramm seiner Fraktion mit einem Plan B: „Es ist möglich, dass die Mitgliedst­aaten der Europäisch­en Union gemeinsam Zwangslize­nzen erteilen, das heißt, auch gegen den Willen von Gilead die Herstellun­g des Medikament­es in der EU durch andere Firmen ermögliche­n.“Außerdem ziehe man für den Fall einer Weigerung „handelspol­itische Maßnahmen in Erwägung“.

Tatsächlic­h dürfte es für Gilead-Wettbewerb­er kein Problem sein, das Präparat in Eigenregie „nachzubaue­n“. Schließlic­h handelt es sich bei Remdesivir um ein Medikament, das schon vor Jahren gegen Ebola entwickelt wurde, allerdings ohne allzu durchschla­genden Erfolg. Für den Hersteller ist die Wiederentd­eckung des Präparates

„Die heutige Zulassung ist ein wichtiger Fortschrit­t im Kampf gegen das Virus.“

Stella Kyriakides

EU-Gesundheit­skommissar­in

als erstes Medikament der Welt gegen Covid-19 damit ein unvorherge­sehener Glücksfall. Die EU hat dem Unternehme­n, das auf dem europäisch­en Markt mit einer Vielzahl weiterer Produkte vertreten ist, geraten, von sich aus Wege für eine Versorgung auch anderer Länder anzubieten.

Schließlic­h, so Liese, komme „Gilead immer wieder mit Anliegen auf Abgeordnet­e im Europäisch­en Parlament und die EU-Kommission zu“. Da werde man, so die Botschaft zwischen den Zeilen, eine gute Zusammenar­beit mit den Europäern in Sachen Remdesivir sicherlich positiv bewerten.

 ?? FOTO: YNA/DPA ?? Remdesivir ist das erste Medikament, das in der EU zur Behandlung von schweren Verläufen der durch das Coronaviru­s verursacht­en Lungenkran­kheit Covid-19 zugelassen wurde. Allerdings haben die USA bereits die komplette Produktion des antivirale­n Mittels für mehrere Monate aufgekauft, um damit die eigene Bevölkerun­g zu versorgen.
FOTO: YNA/DPA Remdesivir ist das erste Medikament, das in der EU zur Behandlung von schweren Verläufen der durch das Coronaviru­s verursacht­en Lungenkran­kheit Covid-19 zugelassen wurde. Allerdings haben die USA bereits die komplette Produktion des antivirale­n Mittels für mehrere Monate aufgekauft, um damit die eigene Bevölkerun­g zu versorgen.

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