Saar-Verkehrsanwalt rät zu Einspruch gegen Bußgelder
Autofahrer, die schnell Widerspruch gegen einen Bußgeldbescheid einlegen, könnten mit einem blauen Auge davonkommen.
(dix) Den Bußgeldern und Fahrverboten der seit Ende April geltenden Novelle zur Straßenverkehrsordnung fehlt die Rechtsgrundlage. Das hat das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) am Donnerstag verkündet. Deshalb empfiehlt Uwe Hoffmann, Fachanwalt für Verkehrsrecht in Homburg, dass Autofahrer bei Erhalt eines Bußgeldbescheids „unbedingt Widerspruch einlegen“sollen. Dieser müsse fristgerecht, also innerhalb von 14 Tagen nach Zustellung des Bescheids, erfolgen. Droht ein Fahrverbot, sollen Autofahrer laut Hoffmann Vollstreckungsaufschub beantragen. Wer den Führerschein bereits abgegeben hat, kann über ein sogenanntes Gnadenverfahren versuchen, die Fahrerlaubnis zurückzubekommen. Das Bundesverkehrsministerium arbeitet derzeit „an einer bundeseinheitlichen Lösung“für bereits geahndete Fälle. Das geht aus einem internen Schreiben hervor.
SAARBRÜCKEN Seit dem 28. April gilt die Novelle zur Straßenverkehrsordnung in ganz Deutschland – oder vielmehr: galt. Am Donnerstagmittag setzte das saarländische Verkehrsministerium den neuen Bußgeld-Katalog als erstes Bundesland aus, die Anweisung an alle Länder kam aus dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) in Berlin (wir berichteten). Grund für den saarländischen Vorstoß war ein juristischer Formfehler in der Novelle. Die Bußgeldbehörden haben jetzt die Anweisung, Bescheide nach dem vorher gültigen Verfahren abzuwickeln. Was bedeutet das für die Autofahrer, die in den vergangenen beiden Monaten einen Bußgeldbescheid erhalten haben?
Rechts-Experten sind sich uneins, welche Teile der Bußgeldverordnung wegen des juristischen Fehlers des BMVI unwirksam sein könnten. Denn laut Grundgesetz muss in der Präambel einer Rechtsverordnung die Ermächtigungsgrundlage genannt werden, also der Verweis auf ein bereits existierendes Gesetz erfolgen, auf das sich die Änderung stützt. Dies sei, sagt Uwe Hoffmann, Fachanwalt für Verkehrsrecht in Homburg, auch weitestgehend geschehen, bei den Fahrverboten jedoch nicht. Strittig ist, ob damit die gesamte Verordnung unwirksam wird oder lediglich Teile davon.
Hoffmann rät: „Autofahrer sollten auf jeden Fall Einspruch einlegen.“Die Erfolgs-Chancen könnten jetzt wegen der unsicheren Rechtslage höher sein als sonst. Wer den Führerschein wegen zu schnellem Fahren erstmals abgeben müsse, sollte einen Vollstreckungsaufschub beantragen. Wer ihn bereits abgegeben hat, könne ein „Gnadenverfahren“einleiten.
Überdies bezweifelt Verkehrs-Experte Hoffmann, ob das Saarland überhaupt dazu befugt ist, zum alten Bußgeld-Katalog zurückzukehren. „Ich bin unsicher, ob das Saarland die Kompetenz hat, das Aussetzen der Rechtsverordnung eigenmächtig zu entscheiden. Es muss eine bundeseinheitliche Regelung geben, ein Flickenteppich geht gar nicht“, betont Hoffmann.
Julian Lange, Sprecher der Saar-Verkehrsministerin Anke Rehlinger
(SPD), widerspricht: „Wir sind vom Bund dazu aufgefordert worden zum alten Bußgeld-Katalog zurückzukehren und das haben wir getan.“Das BMVI habe angekündigt, zügig eine bundeseinheitliche Regelung vorzulegen. Das sei auch nicht die Aufgabe einer saarländischen Regierung oder eines Ministeriums. „Das BMVI muss so schnell wie möglich Rechtssicherheit schaffen und sich auch die Frage gefallen lassen, wie es mit den aktuellen Fällen verfährt“, sagt Lange.
In einem Rundschreiben aus dem Verkehrsministerium in Berlin, das der Saarbrücker Zeitung vorliegt, ist die Aufforderung an die Bundesländer dokumentiert. Darin heißt es: „Der Bund hat die Länder dazu aufgefordert, den bis zum 27.04.2020 geltenden Bußgeld-Katalog ab sofort wieder anzuwenden.“Zudem wird die „schnelle Umsetzung des Saarlands“explizit gelobt. Das Ministerium kündigt außerdem an „schnellstens einen ausgewogenen Vorschlag und ein faires Angebot an die Länder“machen zu wollen.