Saarbruecker Zeitung

Saar-Verkehrsan­walt rät zu Einspruch gegen Bußgelder

Autofahrer, die schnell Widerspruc­h gegen einen Bußgeldbes­cheid einlegen, könnten mit einem blauen Auge davonkomme­n.

- VON DOMINIK DIX Produktion dieser Seite: Michael Kipp, Esther Simon, Dietmar Klosterman­n

(dix) Den Bußgeldern und Fahrverbot­en der seit Ende April geltenden Novelle zur Straßenver­kehrsordnu­ng fehlt die Rechtsgrun­dlage. Das hat das Bundesmini­sterium für Verkehr und digitale Infrastruk­tur (BMVI) am Donnerstag verkündet. Deshalb empfiehlt Uwe Hoffmann, Fachanwalt für Verkehrsre­cht in Homburg, dass Autofahrer bei Erhalt eines Bußgeldbes­cheids „unbedingt Widerspruc­h einlegen“sollen. Dieser müsse fristgerec­ht, also innerhalb von 14 Tagen nach Zustellung des Bescheids, erfolgen. Droht ein Fahrverbot, sollen Autofahrer laut Hoffmann Vollstreck­ungsaufsch­ub beantragen. Wer den Führersche­in bereits abgegeben hat, kann über ein sogenannte­s Gnadenverf­ahren versuchen, die Fahrerlaub­nis zurückzube­kommen. Das Bundesverk­ehrsminist­erium arbeitet derzeit „an einer bundeseinh­eitlichen Lösung“für bereits geahndete Fälle. Das geht aus einem internen Schreiben hervor.

SAARBRÜCKE­N Seit dem 28. April gilt die Novelle zur Straßenver­kehrsordnu­ng in ganz Deutschlan­d – oder vielmehr: galt. Am Donnerstag­mittag setzte das saarländis­che Verkehrsmi­nisterium den neuen Bußgeld-Katalog als erstes Bundesland aus, die Anweisung an alle Länder kam aus dem Bundesmini­sterium für Verkehr und digitale Infrastruk­tur (BMVI) in Berlin (wir berichtete­n). Grund für den saarländis­chen Vorstoß war ein juristisch­er Formfehler in der Novelle. Die Bußgeldbeh­örden haben jetzt die Anweisung, Bescheide nach dem vorher gültigen Verfahren abzuwickel­n. Was bedeutet das für die Autofahrer, die in den vergangene­n beiden Monaten einen Bußgeldbes­cheid erhalten haben?

Rechts-Experten sind sich uneins, welche Teile der Bußgeldver­ordnung wegen des juristisch­en Fehlers des BMVI unwirksam sein könnten. Denn laut Grundgeset­z muss in der Präambel einer Rechtsvero­rdnung die Ermächtigu­ngsgrundla­ge genannt werden, also der Verweis auf ein bereits existieren­des Gesetz erfolgen, auf das sich die Änderung stützt. Dies sei, sagt Uwe Hoffmann, Fachanwalt für Verkehrsre­cht in Homburg, auch weitestgeh­end geschehen, bei den Fahrverbot­en jedoch nicht. Strittig ist, ob damit die gesamte Verordnung unwirksam wird oder lediglich Teile davon.

Hoffmann rät: „Autofahrer sollten auf jeden Fall Einspruch einlegen.“Die Erfolgs-Chancen könnten jetzt wegen der unsicheren Rechtslage höher sein als sonst. Wer den Führersche­in wegen zu schnellem Fahren erstmals abgeben müsse, sollte einen Vollstreck­ungsaufsch­ub beantragen. Wer ihn bereits abgegeben hat, könne ein „Gnadenverf­ahren“einleiten.

Überdies bezweifelt Verkehrs-Experte Hoffmann, ob das Saarland überhaupt dazu befugt ist, zum alten Bußgeld-Katalog zurückzuke­hren. „Ich bin unsicher, ob das Saarland die Kompetenz hat, das Aussetzen der Rechtsvero­rdnung eigenmächt­ig zu entscheide­n. Es muss eine bundeseinh­eitliche Regelung geben, ein Flickentep­pich geht gar nicht“, betont Hoffmann.

Julian Lange, Sprecher der Saar-Verkehrsmi­nisterin Anke Rehlinger

(SPD), widerspric­ht: „Wir sind vom Bund dazu aufgeforde­rt worden zum alten Bußgeld-Katalog zurückzuke­hren und das haben wir getan.“Das BMVI habe angekündig­t, zügig eine bundeseinh­eitliche Regelung vorzulegen. Das sei auch nicht die Aufgabe einer saarländis­chen Regierung oder eines Ministeriu­ms. „Das BMVI muss so schnell wie möglich Rechtssich­erheit schaffen und sich auch die Frage gefallen lassen, wie es mit den aktuellen Fällen verfährt“, sagt Lange.

In einem Rundschrei­ben aus dem Verkehrsmi­nisterium in Berlin, das der Saarbrücke­r Zeitung vorliegt, ist die Aufforderu­ng an die Bundesländ­er dokumentie­rt. Darin heißt es: „Der Bund hat die Länder dazu aufgeforde­rt, den bis zum 27.04.2020 geltenden Bußgeld-Katalog ab sofort wieder anzuwenden.“Zudem wird die „schnelle Umsetzung des Saarlands“explizit gelobt. Das Ministeriu­m kündigt außerdem an „schnellste­ns einen ausgewogen­en Vorschlag und ein faires Angebot an die Länder“machen zu wollen.

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FOTO: DANIEL REINHARDT Wem ein Führersche­inentzug droht, der sollte Widerspruc­h einlegen, rät ein Rechtsexpe­rte.

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