Saarland bekommt gut 128 Millionen Kohle-Hilfe
Deutschland steigt bis 2038 aus der Kohle aus. Um den Strukturwandel zu begleiten, fließen Milliarden. Auch das Saarland erhält am Ende die geforderte Unterstützung.
(dpa/kes) Es ist eine Zäsur für das Industrieland Deutschland: Bundestag und Bundesrat haben am Freitag zwei Gesetzen zugestimmt, die den schrittweisen Ausstieg aus der Kohleenergie bis 2038 festlegen. „Das fossile Zeitalter in Deutschland“gehe damit zu Ende, sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Neben einem Fahrplan zur Stilllegung von Kraftwerken wurden Strukturhilfen über 40 Milliarden Euro für die Kohleländer gebilligt. Auch das Saarland bekommt Geld vom Bund: 128,5 Millionen Euro fließen bis 2038, teilte das Saar-Wirtschaftsministerium mit.
Damit sollen Projekte für den Strukturwandel gefördert werden. So hat sich das Saarland bereits als Modellregion zur Förderung der klimafreundlichen Wasserstoff-Technologie beworben.
Saar-Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD) zeigte sich „zufrieden“. Es gehe nicht um Almosen, sondern um „Investitionen in künftige Arbeitsplätze“, sagte sie und verwies auf einen „beharrlichen Kampf“ für die Strukturhilfen. Zunächst waren diese laut Kohlekommission nur für die Braunkohle-Länder Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Brandenburg gedacht. Auf Druck kamen Zusagen für Steinkohle-Regionen wie das Saarland hinzu, wo die Kohleförderung bereits 2012 auslief. Details zur Zukunft der Saar-Kraftwerke gibt es noch nicht.
Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) nannte den Ausstieg ein „wichtiges klimapolitisches Zeichen“. Von einem „ziemlich großen Erfolg“war im Wirtschaftsministerum die Rede. Beobachter hätten lange „nur“mit 90 bis 100 Millionen Euro für das Saarland gerechnet. Die Opposition im Bundestag und Umweltschützer kritisierten den Zeitplan und Milliarden-Entschädigungen für Kraftwerksbetreiber.
(SZ/dpa) Es werde „sehr schwierig“, das Saarland doch noch aus dem 40-Milliarden-Topf zu bedienen, hatte Heiko Maas gesagt. Und auch Peter Altmaier konnte nur wenig Hoffnung machen. Damals, im April 2019, hatten der Bundesaußenminister von der SPD und der Bundeswirtschaftsminister von der CDU ihren Landsleuten nicht viel versprechen können, als die saarländischen Bürgermeister nach Berlin gereist waren, um für Kohle-Hilfen zu demonstrieren. 40 Milliarden für die Braunkohle-Länder und nichts für das Saarland? „Das kann nicht sein“, hieß es mit Blick auf Pläne der Bundesregierung. Ein Jahr und drei Monate später sind die Pläne beschlossen – und die Bürgermeister können sich freuen.
Denn das Saarland geht nicht leer aus. 128,5 Millionen Euro Hilfe für das ehemalige Steinkohle-Land sieht das Strukturstärkungsgesetz unter anderem vor, das Bundestag und Bundesrat am Freitag zusammen mit dem Kohleausstiegsgesetz beschlossen haben. Das ganze Paket – Deutschlands Ausstieg aus der Kohle bis 2038, 40 Milliarden Euro für den Strukturwandel in den Kohle-Ländern – erhielt das Prädikat „historisch“.
Das Wort fiel bei den Beschlüssen in Bundestag und Bundesrat immer wieder. „Das fossile Zeitalter in Deutschland geht mit dieser Entscheidung unwiderruflich zu Ende“, sagte Altmaier. Von einem „wichtigen klimapolitischen Zeichen“sprach Saar-Ministerpräsident Tobias Hans (CDU), Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD) benutzte die Formel „Erbe bewahren, Aufbruch in die Zukunft gestalten“. Doch nach Feiern war lange nicht allen zumute.
Zwar sieht sich die Bundesregierung international als energiepolitischer Vorreiter, weil Deutschland bis 2022 zugleich auf Atomstrom verzichtet. Die Kohle-Länder bekommen eine lange Übergangsphase und Milliardenhilfen, Kraftwerksbetreiber hohe Entschädigungen. Doch Umweltverbände nutzen das Wort „historisch“anders: Der Kohleausstieg komme zu spät und bringe dem Klima zu wenig, ein „historischer Fehler“.
Der Beschluss sieht vor, dass Deutschland früher als einst geplant, nämlich bis 2038 und wenn möglich schon früher, aus der klimaschädlichen Energienutzung aus Stein- und Braunkohle aussteigt. Dadurch sollen die Klimaziele erreicht werden. Das Gesetz schreibt genau vor, bis wann wie viel Gigawatt Braun- und Steinkohleverstromung reduziert werden, zu Beginn ab 2020 passiert dies vor allem im Rheinischen Revier. Im Laufe der Jahre soll immer wieder überprüft werden, ob die Stromversorgung gesichert ist und welche Folgen der Ausstieg auf die Strompreise hat – steigen sie, sind Entlastungen vorgesehen.
Aber reicht das fürs Klima? Umweltverbände und auch die Grünen im Bundestag verneinen. Greenpeace sprach wegen der langen Zeitplanung von einem „Pseudo-Kohleausstieg“. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) räumte zwar „Hänger“mit Blick auf den Ausstiegspfad ein: Insgesamt aber sei der Kohleausstieg ein „ganz, ganz wichtiger Schritt“.
Braunkohle-Konzerne wie RWE bekommen für das vorzeitige Abschalten von Kraftwerken Milliarden-Entschädigungen. Hilfen sollen auch Betreiber von Steinkohlekraftwerken bekommen.
Die 40 Milliarden Euro für die Kohle-Länder fließen vor allem in die Braunkohle-Länder Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Brandenburg, wo noch immer tausende Jobs an der Kohle hängen. Die betroffenen Länder lobten am Freitag den Ausstiegsplan – so auch das Saarland.
Nicht nur die Bürgermeister, auch die Landesregierung hatte lange um Hilfen auch für Steinkohleregionen gekämpft. „Es war ein beharrlicher Kampf in Etappen“, sagte Rehlinger jetzt. Erst in letzter Minute war Mitte 2019 eine Milliarde für Steinkohleregionen in den Plan aufgenommen worden, den die Kohlekommission zuvor erarbeitet hatte. Zwar ist das Saarland schon 2012 aus der Steinkohle-Förderung ausgestiegen, aber mehrere Kohlekraftwerke sind noch am Netz. Das Aus der Steinkohlekraftwerke werde rund 500 Mitarbeiter betreffen, rechnet man im Wirtschaftsministerium. Details zur Zukunft sind hier noch offen.
Bei den Hilfen des Bundes für die deutschen Kohle-Länder geht es nun um Finanzspritzen für Investitionen, um neue Infrastruktur, die Förderung von Projekten. Die Beschäftigten in den Revieren soll ein milliardenschweres Sicherheitsnetz auffangen.
Neben dem Strukturwandel kommt es aus Sicht vieler Experten nun vor allem darauf an, einen „Einstiegsplan“zu formulieren – für den derzeit stockenden Ausbau der erneuerbaren Energien und den Ausbau der Stromnetze, gegen den sich oft Widerstand regt. Die Bundesregierung will nun die Akzeptanz erhöhen. Außerdem sollen Zukunftstechnologien wie der „grüne“Wasserstoff vorangetrieben werden – auch das Saarland hat sich darum beworben.