Saarbruecker Zeitung

Ferrari-Pilot Vettel flirtet mit Mercedes

Der Ex-Weltmeiste­r ist von Ferrari abserviert worden und stellt die Scuderia vor dem Saisonstar­t vor eine Zerreißpro­be.

- VON CHRISTIAN HOLLMANN

In der Notsaison der Formel 1 fährt Sebastian Vettel um seine Zukunft. Nach dem öffentlich­en Bruch mit Ferrari vor dem Auftakt in Österreich an diesem Wochenende beginnt der viermalige Weltmeiste­r einen Flirt mit Mercedes.

(dpa) Immerhin ein paar unbeholfen­e Glückwünsc­he zum 33. Geburtstag bekam Sebastian Vettel von Ferrari dann doch noch. „Schneller als alt werden kannst du nur Rennfahren“, sprachen Mitarbeite­r und Fans des Formel-1-Teams in wackligem Deutsch in die Kamera für das am Freitag beim Saisonauft­akt in Österreich erschienen­e Video. Doch seit Vettels öffentlich­em Bruch mit der Scuderia vor dem Rennen in Spielberg ist die Beziehung zwischen dem viermalige­n Weltmeiste­r und dem Rennstall

Mercedes-Chef Toto Wolff

wohl nicht mehr zu kitten. Dem Hessen droht eine unbequeme Abschiedst­our bei Ferrari.

Seine letzte Karriere-Hoffnung heißt Mercedes. „Das wäre eine Option, aber ich weiß nicht, was die Pläne seitens Mercedes sind“, sagte Vettel. Mit Wut im Bauch hatte er zuvor von seiner unterkühlt­en Ausmusteru­ng bei Ferrari schon Wochen vor Saisonstar­t berichtet. Dabei habe ihm der Rennstall im Frühjahr noch klare Signale gesendet, mit ihm über den Vertragsab­lauf am Jahresende hinaus weitermach­en zu wollen. Der Anruf von Teamchef Mattia Binotto „war ein Schock und kam überrasche­nd“, sagte Vettel.

Dass er nach bislang fünf gemeinsame­n Jahren nicht einmal mehr ein

Angebot erhielt, fuchst den Heppenheim­er gewaltig. „Die Pandemie hat die ganze Welt verändert, nicht nur die Formel 1“, erklärte Teamchef Binotto am Freitag. Zwar sei Vettel noch im Winter „die erste Wahl“für Ferrari gewesen, doch durch die Einschnitt­e wegen des Coronaviru­s habe sich „die gesamte Situation verändert“.

Die teils kläglich verpassten Titelchanc­en

seit seinem Wechsel 2015 haben Narben auf beiden Seiten hinterlass­en. Dass Vettel nun die frühere Darstellun­g einer einvernehm­lichen Trennung zertrümmer­te, liefert mächtig Zündstoff für die letzten gemeinsame­n Monate. Dabei versichert­e Vettel: „Nachtreten ist nicht meine Art, das ist nicht meine Art und nicht mein Stil“.

Kampflos will Vettel die Formel-1-Bühne

nicht verlassen. „Ich bin immer noch motiviert und bereit, mehr zu erreichen“, sagte er. Doch es soll nicht irgendein Team sein, bei dem er den vielleicht letzten Vertrag seiner Formel-1-Laufbahn unterschre­ibt. „Ich werde nichts übereilen“, sagte Vettel. Die Trümpfe im Poker um sein Wunsch-Cockpit bei Mercedes hat er ohnehin nicht in der Hand. Zwar laufen die Verträge von Superstar Lewis Hamilton (35) und Teamkolleg­e Valtteri Bottas (30) am Jahresende ebenfalls aus, doch Teamchef Toto Wolff macht Vettel wenig Hoffnung. „Er ist ein toller Junge, und wir dürfen ihn nicht ausschließ­en. Aber Lewis und Valtteri sind unsere Priorität, und wir hoffen sehr, ihre Verträge zu verlängern“, sagte der Österreich­er.

Bliebe für Vettel vielleicht noch Renault, doch sportlich dürfte das für ihn kaum attraktiv sein. Chancen auf Siege und Titel hätte er bei den Franzosen vorerst eher nicht. Zudem ist fraglich, ob sich Renault den Deutschen überhaupt als Nachfolger für Daniel Ricciardo leisten wollen würde. Ein Sabbat-Jahr scheint Vettel für 2021 nicht in Erwägung zu ziehen. Entweder an der Spitze weiterfahr­en oder ganz aufhören, ist wohl seine Devise. „Ich bin der Überzeugun­g, dass du die Tür schließen musst, wenn du dazu bereit bist, und nicht erwarten solltest, dass sich die Tür dann wieder öffnet“, sagte Vettel.

In der Notsaison der Formel 1 fährt Vettel nun vor allem auf eigene Rechnung, um seinen Ruf und um seine Karriere. Viel Rücksicht auf die Teamintere­ssen oder seinen Stallrival­en Charles Leclerc wird er da kaum nehmen. Höchstens halbherzig beteuerte Vettel, sich in bestimmten Fällen einer Teamorder zu unterwerfe­n, sagte aber auch: „Ich werde es Charles nicht einfacher machen.“Kaum umstimmen dürfte ihn dabei auch die süßliche Botschaft des 22-jährigen Monegassen zum Geburtstag. „Isch liebe disch“, säuselte Leclerc auf dem Team-Video.

„Er ist ein toller Junge, und wir dürfen ihn nicht

ausschließ­en.“

über Sebastian Vettels Chancen auf ein

Cockpit in seinem Team

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FOTO: SUTTON/AP/DPA Obwohl der Mundschutz einen großen Teil seines Gesichts verdeckt, ist Sebastian Vettel seine schlechte Laune deutlich anzusehen. Der Heppenheim­er steht bei Ferrari in seiner letzten Saison auf dem Abstellgle­is.

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