Saarbruecker Zeitung

Glückliche­re Schweine durch Umbau der Tierhaltun­g?

Die Corona-Krise hat Missstände in Schlachthö­fen offengeleg­t – aber auch großen generellen Preisdruck. Der Bundestag will mehr Tierschutz im Stall.

- VON SASCHA MEYER Produktion dieser Seite: Manuel Görtz, Robby Lorenz Iris Neu-Michalik, Martin Trappen

(dpa) Angesichts der Corona-Ausbrüche in der Fleischbra­nche wächst der Druck für bessere Bedingunge­n in den Ställen und einen Stopp des Preiskampf­es bei Lebensmitt­eln. Der Bundestag forderte die Bundesregi­erung am Freitag mit breiter Mehrheit auf, noch bis zur Wahl 2021 eine Strategie zum grundlegen­den Umbau der Tierhaltun­g mit Vorschläge­n zur Finanzieru­ng vorzulegen – im Gespräch sind dafür auch Preisaufsc­hläge für Supermarkt­kunden.

Der Bundesrat stimmte nach jahrelange­m Streit neuen Regeln zu, die das umstritten­e Fixieren von Säuen in engen Metallrahm­en deutlich beschränke­n sollen. Der Vorstoß des Bundestags soll ein Konzept noch voranbring­en, das eine Expertenko­mmission um den früheren Agrarminis­ter Jochen Borchert im Februar vorgestell­t hatte – auch wenn in dieser Wahlperiod­e nicht mehr sehr viel Zeit bleibt. Erklärtes Ziel sind schrittwei­se höhere Haltungsst­andards bis 2040, um deutlich mehr Tierschutz zu erreichen und damit die gesellscha­ftliche Akzeptanz der Tierhaltun­g zu sichern. Um Stallumbau­ten mitzufinan­zieren, schlägt die Kommission auch eine Abgabe auf tierische Produkte vor. Denkbar wären 40 Cent pro Kilo Fleisch und Wurst, zwei Cent pro Kilo für Milch und Frischmilc­hprodukte.

Parteiüber­greifend macht sich der Bundestag nun dafür stark, das Konzept „in Konsequenz und in Gänze“aufzugreif­en. Dem Antrag der Koalitions­fraktionen stimmten auch AfD und Linke zu. FDP und Grüne enthielten sich, ein Grüner votierte mit Ja. Bundesagra­rministeri­n Julia Klöckner (CDU) warb für „eine Art Generation­envertrag“für den Umbau der Tierhaltun­g. Ansprüche an mehr Tierwohl müssten finanziert werden – an der Ladentheke und mit Förderung. Wenn Tierhalter in den Umbau von Ställen investiert­en, bräuchten sie eine „gesellscha­ftliche Friedenspf­licht“dafür. Geprüft werden solle auch, wie Dumpingpre­ise für Fleisch im Supermarkt rechtlich zu unterbinde­n seien.

Der Bundesrat stimmte neuen Regeln für die Schweineha­ltung zu. Das Fixieren von Sauen in engen „Kastenstän­den“soll damit deutlich beschränkt werden. So sollen Kastenstän­de im Deckbereic­h der Ställe nach einer Übergangsz­eit von acht Jahren nicht mehr zulässig sein – Sauen sollen nur noch direkt bei der Besamung fixiert werden dürfen. Generell soll eine Gruppenhal­tung mehr Platz im Stall gewährleis­ten. In dem Stallberei­ch, in dem die Ferkel zur Welt kommen, soll eine Kastenstan­dhaltung künftig höchstens fünf statt bisher 35 Tage zulässig sein, wie der Bundesrat erläuterte. Hintergrun­d ist auch ein Urteil des Oberverwal­tungsgeric­hts Magdeburg von 2016, das zu enge Kastenstän­de beanstande­t hatte.

Bauernpräs­ident Joachim Rukwied sprach von einer „sehr schmerzhaf­ten“Entscheidu­ng, die in jedem Betrieb größere Baumaßnahm­en nötig mache. Dies werde gerade kleine und mittlere Betriebe verstärkt zum Ausstieg zwingen. Die Tierschutz­organisati­on Vier Pfoten sieht einen „ersten Teilerfolg“. Der Weg bis zur endgültige­n Abschaffun­g der Metallkäfi­ge sei aber noch sehr lang. Die Verbrauche­rorganisat­ion Foodwatch kritisiert­e, die Lösung sei „von Tierschutz weit entfernt“.

Saar-Landwirtsc­hafts- und Verbrauche­rschutzmin­ister Reinhold Jost (SPD) bezeichnet­e den Beschluss zur Nutztierha­ltung und insbesonde­re zur Kastenhalt­ung der Schweine am Freitag als „einen ersten wichtigen Schritt, dem weitere folgen müssen“. Er hätte sich jedoch kürzere Übergangsf­risten gewünscht, so Jost.

Der Bundestag beschloss am Freitag außerdem das Gesetz zur Digitalisi­erung im Gesundheit­swesen. Die Koalitions­fraktionen Union und SPD stimmten dafür. FDP, Linke und AfD votierten dagegen, die Grünen enthielten sich. Die Neuregelun­g ermöglicht es unter anderem, dass sich Patienten elektronis­che Rezepte auf das Smartphone laden und dann in der Apotheke einlösen können.

Ferner stimmte der Bundestag dafür, dass neue Solaranlag­en auch in Zukunft über die Ökostrom-Umlage gefördert werden. Das Parlament verabschie­dete nach langem und heftigem Streit in der schwarz-roten Koalition auch eine Regelung für Mindestabs­tände zwischen neuen Windrädern und Wohnhäuser­n – es bleibt damit künftig den Bundesländ­ern überlassen, ob sie so eine Regelung wollen und wie sie sie ausgestalt­en.

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FOTO: ISTOCKPHOT­O Das Tierwohl beschäftig­t Bundestag und Bundesrat. Zur Finanzieru­ng besserer Stallbedin­gungen sind Preisaufsc­hläge nicht ausgeschlo­ssen.

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