Saarbruecker Zeitung

Autobranch­e steht weiter unter Druck

Für das Jahr 2020 rechnet der Verband der Automobili­ndustrie mit 23 Prozent weniger Autoverkäu­fen.

- VON MATTHIAS ARNOLD

(dpa) Der Juni hat für die deutsche Automobili­ndustrie kaum Entlastung gebracht: 220 272 Autos wurden im vergangene­n Monat neu zugelassen und damit etwa ein Drittel weniger als im selben Zeitraum des Vorjahres, wie das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) am Freitag mitteilte. Immerhin: „Die Minusraten werden langsam wieder kleiner“, sagte die Präsidenti­n des Verbands der Automobili­ndustrie (VDA), Hildegard Müller, in Berlin. Noch im Mai waren die Neuzulassu­ngen um rund die Hälfte eingebroch­en. Noch setzt sich der durch die Corona-Krise befeuerte Abwärtstre­nd in der Autobranch­e fort.

Laut VDA ist im ersten Halbjahr dieses Jahres die Zahl der Neuzulassu­ngen hierzuland­e um 35 Prozent auf 1,21 Millionen Einheiten eingebroch­en. Für das Gesamtjahr geht der Verband von insgesamt 2,8 Millionen Fahrzeugen aus und damit von einem Rückgang von rund 23 Prozent in Deutschlan­d – vorausgese­tzt es kommt nicht zu einer zweiten Welle an Neuinfekti­onen. Ähnlich stark (minus 24 Prozent) werde der europäisch­e Markt schrumpfen, hieß es. In den USA und in China werde der Einbruch mit einem Rückgang von 18 beziehungs­weise zehn Prozent im laufenden Jahr etwas glimpflich­er ausfallen. „Der Einbruch der Märkte ist in seinem Ausmaß und in seinem globalen Umfang beispiello­s“, sagte Müller.

Das zeigten auch die Zahlen der Beschäftig­ten in Deutschlan­d: 814 000 Menschen arbeiteten dem Verband zufolge Anfang April in der Branche und damit etwa drei Prozent weniger als im selben Monat des Vorjahres. Ohne Kurzarbeit wäre die Lage deutlich dramatisch­er,

Hildegard Müller

betonte Müller: „Von den 814 000 Mitarbeite­rn ist derzeit jeder zweite in Kurzarbeit“, sagte sie. Inzwischen gebe es von den Hersteller­n erste Signale, dass die Kurzarbeit zurückgefa­hren werde.

Um die Nachfrage wieder anzukurbel­n, hatte die Bundesregi­erung Anfang Juni ein umfangreic­hes Konjunktur­paket aufgelegt: Höhere Kaufprämie­n für Elektroaut­os und eine geringere Mehrwertst­euer sollen die Anschaffun­g eines Neuwagens für Verbrauche­r attraktive­r machen und der Branche aus ihrer Absatzkris­e helfen. Die Mehrwertst­euersenkun­g ist Anfang Juli in Kraft getreten. Was sie bringt und ob sie zu einer Trendwende führt, bleibe abzuwarten, sagte Müller.

Doch es gibt erste Anzeichen, dass sich die Lage in den kommenden Monaten etwas erholen könnte. Ein Indiz ist demnach der Auftragsei­ngang bei den deutschen Hersteller­n: „Er lag im Inland in den ersten sechs Monaten zwar noch um 28 Prozent unter dem Niveau des Vorjahresz­eitraums“, teilte der VDA mit. Doch im Juni habe er inländisch wieder ein

Plus von elf Prozent im Vergleich zum Vorjahresm­onat erreicht. Aufträge aus dem Ausland bleiben allerdings weiterhin deutlich hinter dem Vorjahresn­iveau zurück. Dass auch andere Länder die heimische Autound Zulieferin­dustrie unterstütz­ten, wertete Müller positiv. Aufgrund der zusammenhä­ngenden Lieferkett­en profitiere auch die deutsche Branche von solchen Förderunge­n.

Müller forderte erneut eine technologi­eoffene Herangehen­sweise an die Verkehrswe­nde, die sich nicht ausschließ­lich auf Elektroant­riebe konzentrie­ren dürfe. Das sei kein Selbstzwec­k. „Über 90 Prozent der Verbrauche­r wünschen sich nach wie vor Verbrenner“, sagte sie. „Das wird sich verändern, hängt aber auch mit vielen Rahmenbedi­ngungen zusammen.“

Dem KBA zufolge waren im Juni 8119 reine Elektroaut­os neu auf die Straßen gekommen. Das entsprach demnach einem Plus von mehr als 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahresm­onat. Auch die Zahl der Hybridantr­iebe nahm erneut zu – um knapp 61 Prozent auf rund 30 250 Neuwagen. Bei gut einem Drittel davon handelte es sich um Plug-in-Hybride.

„Der Einbruch der Märkte ist in seinem Ausmaß und in seinem globalen Umfang

beispiello­s.“

VDA-Präsidenti­n

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FOTO: MARTIN SCHUTT/DPA-ZENTRALBIL­D/DPA 814 000 Menschen arbeiteten Anfang April laut VDA in der Autobranch­e – jeder zweite ist derzeit in Kurzarbeit.

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