Als „Knüppel“kommt er von Völklingen wieder heim
Seit ein paar Tagen läuft der Abtransport des Gasometers. Der Stahl kommt zum Recyceln nach Fürstenhausen. Die SZ besuchte die Arbeiten.
Hier kommt man nicht rein. Nicht einfach so. Und auch ein im Voraus ausgemachter Termin wird von dem Herrn vom Security Werkschutz UGL genauestens überprüft. Schließlich: Da könnte ja jeder kommen, um noch ein paar Erinnerungsbilder zu schießen vom gesprengten Gasometer. Das ist erstens gefährlich und zweitens nicht erlaubt. Das Gelände ist bekanntermaßen kein öffentliches. Globus wird hier einen Einkaufsmarkt bauen. Noch aber gehört die Fläche, auf der der Gasometer liegt, Saarstahl. So lange, bis der weg ist, weiß der Torwächter, dann hat auch an diesem Platz nur noch Globus das Sagen.
Weg sein werden die Überreste des Gasometers so in nunmehr ein bis zwei Wochen. Man liegt gut in der Zeit. Da sind sich Martin Reinicke, Pressesprecher von Saarstahl, und Hans Gihl, Chef der Abrissfirma, einig. Vergangene Woche, als die SZ aufs Gelände durfte, liegt er noch da, der Koloss. Noch ist kaum zu erkennen, dass er von seinen 75 Metern Höhe schon was verloren hat. Der einstige Durchmesser von 48 Metern allerdings, der ist sozusagen platt. Drei Bagger nagen an ihm und um ihn herum. Drei Container sind bereits gut gefüllt. Die drei Lkw sind mit der ersten Fuhre unterwegs nach Fürstenhausen. Dort, so erzählt Reinicke der SZ, wird der Stahl erst einmal bei der Schwesterfirma, der Metallurgischen Gesellschaft Saar (MGS) gelagert.
Bis dahin geht die Arbeit auf dem Gelände im Bereich des ehemaligen Hüttenparks Hand in Hand, oder Baggerschaufel in Baggerschaufel. Von 7 bis 17 Uhr wird gearbeitet. Nonstopp. Kevin Markary in Bagger eins hat den Riesen-Nager mit der Schrottschere. Große Batzen beißt er aus dem einstigen Neunkircher Wahrzeichen. Ein Teil kommt auf den Haufen. Zu große Teile werden weitergereicht an Uwe Theobald. Der faltet die zusammen, als seien sie
Origami-Papier. Also nicht er, sondern seine Spezial-Baggerschaufel. „Zu groß“, erklärt Gihl, „dürfen die Stücke nicht sein, sonst geht nicht genug in den Container.“Carsten Marx räumt sozusagen hinterher. Er hat den Bagger mit dem Magnet- und Sortiergreifer und häufelt die kleinen Teile. Er ist es auch, der die Container belädt. Auch die Auffangmatten, die ausgelegt waren, um den Sturz des Gasometers aufzufangen, zieht er aus den Eingeweiden des dicken Blauen, schüttelt sie aus und legt sie auf den Sammelberg. Die werden natürlich wiederverwendet. Wobei: Vergleichbares wird es vermutlich so schnell nicht mehr geben, und gab es bisher auch nicht für die Firma Hartsteinwerk Gihl GmbH aus Eppelborn-Calmesweiler. „Ich habe schon viel abgerissen, sehr viele Verschrottungen gemacht. Aber noch nichts in dieser Dimension“, sagt der Chef. Und ist sich bewusst, Teil eines historischen Ereignisses zu sein.
Mit ihm sind das sechs Leute seiner Firma und drei Lkw-Fahrer, die hier seit Montag täglich zehn Stunden arbeiten. Die Bagger allerdings, die sind immer in festen Händen. „Wahrscheinlich können die in zwei Wochen nichts Blaues mehr sehen“, lacht Gihl. Ein Bagger wartet noch am Rande, ausgestattet mit einer Schrottschere, ist zum Einsatz bereit und wird immer mal wieder Makary und seinen Bagger beim Kleinschneiden unterstützen. Richtig eng werden, das kann es eigentlich nicht mehr. Eigentlich, so sagt Gihl auf SZ-Anfrage, gebe es nun nichts mehr, was einen Strich durch die Rechnung machen kann. Die Zitterpartie war die Zeit bis zur Sprengung. Für das, was jetzt gemacht wird, gilt: Die Arbeiten sind völlig wetterunabhängig.
Drei bis vier Touren pro Lkw werden pro Tag gefahren. Das heißt: Pro Tag kommen 120 bis 140 Tonnen der insgesamt 1000, die der Gasometer „auf die Waage“brachte, weg. Auf dem Platz heißt das: Ausschneiden, kleinfalten, aufräumen, Container füllen. Für die Lkw: leere Container abstellen, gefüllte Container aufladen, ab nach Fürstenhausen.
Bei der Firma MGS werden die Überreste der Landmarke nicht übermäßig lange liegen, gleich verarbeitet werden sie allerdings auch noch nicht, weiß Reinicke. „Das kommt ganz auf die Fahrweise im Stahlwerk an“, erklärt er. In Völklingen werden die Teile zerkleinert, dann geht es ab in die Schütte. „Das ist ja das Tolle an Stahl, das der zu hundert Prozent recycelbar ist. Da fällt gar nichts weg“, gibt es Lob für diesen Rohstoff. Sprich: Aus 1000 Tonnen Gasometer werden wieder 1000 Tonnen Stahl. Der Neunkircher Gasometer vermischt sich mit anderem zu recycelndem Stahl, wird eingeschmolzen und zu sogenannten „Knüppeln“, also Rohlingen, geformt. Derart vermischt und verändert kehrt er dann sogar noch einmal in seine Heimatstadt zurück. Denn ein Teil der Knüppel wird auch ins Saarstahl-Walzwerk in Neunkirchen kommen. Dort werden Draht und Federn draus.