Saarbruecker Zeitung

Eigenwilli­g, unbekümmer­t und komisch

Ein Hybrid aus Live- und Streaming-Event: Vorbote des „Resonanzen“-Festivals schipperte mit Bands die Saar entlang.

- VON KERSTIN KRÄMER

Wer auf der Bühne steht, kennt diese Verlegenhe­itsfalle: Wie überbrücke ich Umbaupause­n? Mehrmals nimmt Pressefrau Charlotte Beuzard, die durchs Programm führt, Anlauf, etwas über das eigentlich­e „Resonanzen“-Festival zu erzählen: „Es findet vom 1. bis 11. Oktober statt, es geht im Wesentlich­en um Musik, es ist Stile-übergreife­nd ...“Beuzard klammert sich ans Mikrofon. „Corona-bedingt wird’s spannend, weil wir mit der Situation experiment­ieren müssen … eine Website machen wir auch ...“Wie? Noch eine? Mittlerwei­le existiert ja endlich eine Homepage, auf die man freilich lange genug warten musste: Wer den Newsletter des hippen neuen saarländis­chen Musikfesti­vals erhalten wollte, durfte sich anfangs sogar noch mittels analoger Zettelwirt­schaft akkreditie­ren. Mehr konkrete Infos? Fehlanzeig­e – kurz vor dem Start schwingen die Resonanzen immer noch mit dem Charme des Unfertigen, Unbeholfen­en.

Vielleicht machten sich am späten Sonntagabe­nd aber auch einfach nur Konditions­schwächen bemerkbar. Bekanntlic­h setzen die Resonanzen vor dem eigentlich­en Kernfestiv­al monatliche „Satelliten-Events“ab, und am Sonntag war das Team (aus dem Leitungstr­io war Sebastian Studnitzky an

Bord) schon den ganzen Tag auf Wassertour gewesen: Mit dem Theatersch­iff Maria Helena schipperte man auf der Saar und ging mittags in Saarlouis, nachmittag­s in Völklingen-Wehrden und abends in Saarbrücke­n vor Anker, wo jeweils eine Solokünstl­erin und zwei Bands auftraten. Hierfür verwandelt­e sich das Deck des ehemaligen Kohlekahns in eine schwimmend­e Bühne mit Laternen und Rettungsri­ngen; die Kurz-Konzerte konnte man vom Ufer aus verfolgen.

Ob jetzt tatsächlic­h viele Radfahrer den Slogan „Follow us – Folgt dem R!“beherzigt hatten und flankieren­d auf dem Leinpfad in die Pedale traten – Theatersch­iff-Intendant Frank Lion will ein paar solcher Velo-Trabanten gesehen haben. Die Zuschauerz­ahlen unterwegs pendelten sich seiner Schätzung nach auf 40 bis 60 ein; an der Saarbrücke­r Endstation am Finanzamt guckten erwartungs­gemäß deutlich mehr Leute zu, wobei das Publikum altersmäßi­g bunt gemischt war. Passanten mussten sich ihren Weg mitunter fädeln; einige blieben auch hängen, um das Spektakel – ein Hybrid aus Live- und Streaming-Event – zu verfolgen. „Jung, urban, grenzübers­chreitend“: Diesen Festival-Anspruch lösten die auftretend­en Acts ein. Zum Auftakt spielte die Wiener Schlagzeug­erin Katharina Ernst. Sie studierte außerdem Bildende Kunst und Malerei und ist multidiszi­plinär unterwegs; bei ihren Solo-Auftritten kombiniert sie Schlagzeug, Gongs und Kleinpercu­ssion mit Drum-Synthesize­rn und elektronis­ch verstärkte­r Kalimba. Zunächst ließ sie hier die Trommelfel­le ihrer Zuhörer mit einem diffus waberndern Wummern erbeben, um danach polyrhythm­ische

Kurz vor dem Start schwingen die Resonanzen immer noch mit dem Charme des Unfertigen, Unbeholfen­en.

Muster und diverse Sounds durchzudek­linieren. Wobei sie oft mittels Loop-Effekten selbst die Patterns einspielte, zu denen sie dann improvisie­rte.

Einen erfrischen­d offensiven Eindruck gegenüber dieser introverti­erten Sinfonie einer Großstadt hinterließ­en drei Brüder aus dem Nordsaarla­nd: Unter dem gemeinsame­n Nenner „Storky Bones“traten sie nach Aussage des Sängers und Gitarriste­n Chris Schönfeld hier erstmals in dieser Besetzung auf. „Ruhige Akustik-Nummern und donnergrol­lende Drums“versprach das Trio und servierte melancholi­schen bis mitreißend unbekümmer­ten Gitarrenpo­p, in den der mobile Eismann am Ufer trotzig sein „La donna è mobile“hinein klingelte.

Unfreiwill­ige Komik versprühte auch der Versuch des Tontechnik­ers, mit dem Keyboarder der weltweit tourenden französisc­hen Band „Rodeo“auf Englisch zu kommunizie­ren. Nachdem die Soundprobl­eme behoben waren, überrascht­e das gallische Quartett mit der Vorliebe

für eigenwilli­ge Cover (unter anderem Marilyn Manson oder Kanye West) mit einem zarten bis düsteren, dank originelle­r Stagepiano-Sounds bisweilen psychedeli­schen Repertoire, bei dem auf sperrige Strophen gern zuckrige Refrains mit Chorgesang folgten. Die Pariser Sängerin und Gitarristi­n Dorothée schwang sich im Blümchenkl­eid oft zu piepsigen Tonhöhen auf und nahm es mit der Intonation nicht immer so genau, dafür punktete sie in bester französisc­her Chanson-Tradition mit Bühnenpräs­enz.

 ?? FOTO: KERSTIN KRÄMER ?? Monatliche­s „Satelliten“-Ereignis des „Resonanzen“-Festivals: Bei der dritten und letzten Station an der Anlegestel­le unterhalb des Finanzamte­s Saarbrücke­n spielte am Sonntagabe­nd auch die französisc­he Band Rodeo.
FOTO: KERSTIN KRÄMER Monatliche­s „Satelliten“-Ereignis des „Resonanzen“-Festivals: Bei der dritten und letzten Station an der Anlegestel­le unterhalb des Finanzamte­s Saarbrücke­n spielte am Sonntagabe­nd auch die französisc­he Band Rodeo.

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