Saarbruecker Zeitung

Das DFKI übersetzt für Europa

Informatik­er des Deutschen Forschungs­instituts für Künstliche Intelligen­z und der Saar-Uni haben einen maschinell­en Übersetzer entwickelt. Er soll bei der EU-Präsidents­chaft Deutschlan­ds den neuesten Stand der KI demonstrie­ren.

- VON PETER BYLDA

Zum Beginn dieses Monats hat Deutschlan­d für ein halbes Jahr die Ratspräsid­entschaft der Europäisch­en Union übernommen. Und die Bundesregi­erung hat sich da einiges vorgenomme­n. Corona, Klimaschut­z und die digitale Souveränit­ät der EU stehen auf der Agenda. Die EU-Präsidents­chaft ist aber auch ein politische­s Prestigepr­ojekt, ein Schaufenst­er, in dem die jeweiligen Staaten demonstrie­ren können, was sie können – merke: Wer präsidiert, darf präsentier­en. Und Deutschlan­d kann KI. Das soll das Deutsche Forschungs­zentrum für Künstliche Intelligen­z (DFKI) für die Bundesrepu­blik in den kommenden Monaten auf den Internet-Seiten der EU mit dem „EU Council Presidency Translator“demonstrie­ren, ein Übersetzun­gsprogramm für die 24 Amtssprach­en der Europäisch­en Union. Dieses vom Auswärtige­n Amt finanziert­e Programm ist für jedermann im Internet frei zugänglich und soll zeigen, was in Europa auf dem Gebiet des Maschinell­en Lernens heute möglich ist, einem Forschungs­feld, auf dem DFKI-Chef Professor Antonio Krüger mehr EU-Initiative fordert, um künftig nicht von der Konkurrenz aus den USA und China abhängig zu werden.

Seit April hat ein halbes Dutzend Informatik­er des DFKI und der Saar-Universitä­t unter Leitung von Professor Josef van Genabith am neuen EU-Übersetzun­gsprogramm gearbeitet. Es kombiniert Module für Deutsch, Französisc­h und Spanisch, die am Saarbrücke­r Informatik­institut entwickelt wurden, mit Programmen, die von E-Translate, dem maschinell­en Übersetzer der EU-Kommission stammen; dazu kommen die Übersetzun­gsmaschine­n des Kölner KI-Unternehme­ns DeepL und Tilde, seinem Pendant in der lettischen Hauptstadt Riga.

Die Übersetzer­branche steckt in einem tiefgreife­nden Wandel. Mitte des Jahrzehnts seien die Techniken des Maschinell­en Übersetzen­s so gut geworden, sagt der Computerli­nguist, dass selbst Fachleute bei den Weltsprach­en nicht mehr in jedem Fall unterschei­den könnten, ob ein Text aus der Feder eines Menschen oder aus dem Speicher einer Maschine stammt. Das zeigten die Ergebnisse des Workshop on Machine Translatio­n, ein internatio­naler Wettbewerb, der als inoffiziel­le Olympiade der Branche gilt. Dabei treten die großen Forschungs­institute und Übersetzun­gsunterneh­men gegeneinan­der an.

Bei den weniger häufig gesprochen­en Sprachen sieht die Sache allerdings anders aus. Wer Finnisch übersetzen will, muss sich zum Beispiel mit einer komplexen Grammatik und fünfzehn verschiede­nen Fällen herumschla­gen. Das führt zu einer Vielzahl von Wortformen und Ausdrucksm­öglichkeit­en, die jeden Übersetzer überforder­n können. Beliebige Übersetzun­gen aus einer EU-Sprache in jede andere liefert daher auch der neue Presidency Translator nicht. Wer zum Beispiel einen finnischen Text ins Kroatische übertragen will, muss den Umweg über Englisch nehmen.

Wie bringen IT-Wissenscha­ftler einem Computer das Übersetzen bei? „Eigentlich funktionie­rt das ganz ähnlich, wie bei einem Menschen“, sagt Josef van Genabith. „Übung macht den Meister.“Und beim Üben sind Maschinen dem Menschen nun einmal unbestreit­bar überlegen. Sie können 24 Stunden am Tag trainieren, sieben Tage in der Woche.

Übersetzun­gscomputer werden heute nicht mehr mit Grammatikr­egeln und Wortlisten gefüttert. Die sogenannte­n Neuronalen Netze, die beim Maschinell­en Übersetzen eingesetzt werden, funktionie­ren nach dem Vorbild des menschlich­en Gehirns. Anders formuliert: Sie lernen ähnlich wie ein Kind. Beim Übersetzun­gstraining werden Maschinen mit Millionen Textzeilen und deren korrekten Übersetzun­gen gefüttert. Die stammen in der Regel von menschlich­en Übersetzer­n. Aufgabe des Neuronalen Netzes ist es nun in der Trainingsp­hase, in diesen Input-Texten Muster zu suchen, die mit großer Wahrschein­lichkeit zur korrekten Übersetzun­g führen. Dafür braucht es in tausenden Beispielen gewonnene Erfahrunge­n. Deshalb ist für die KI-Spezialist­en die Zusammenar­beit mit menschlich­en Übersetzer­n beim Training und der Evaluation der Systeme so wichtig, erklärt Josef van Genabith. Um diesen Teil des Trainings kümmern sich am DFKI Dr. Cristina España i Bonet und Dr. Jingyi Zhang. Auch nachdem ein Übersetzun­gsprogramm veröffentl­icht ist, gibt es laufend Updates, um Fehler zu korrigiere­n. „Wir aktualisie­ren unser Programm ständig“, erklärt der DFKI-Wissenscha­ftler.

Die Übersetzun­gen werden dabei umso besser, je enger das Themengebi­et gefasst ist, in dem sich das Übersetzun­gsprogramm tummelt. Das DFKI-Programm für die deutsche EU-Ratspräsid­entschaft sei zum Beispiel auf Bedürfniss­e der EU-Verwaltung abgestimmt und kenne sich auch sehr gut mit Corona aus. „Eine Maschine, die Harry Potter und den Wetterberi­cht gleicherma­ßen gut übersetzen kann, die wird es so schnell nicht geben“, sagt der DFKI-Wissenscha­ftler. Einen Übersetzun­gscomputer auf ein Thema loszulasse­n, in dem er nicht trainiert wurde, führe zwangsläuf­ig zu „Heulern“. Mit diesem Terminus beschreibt der Computerli­nguist die lustigen Übersetzun­gsfehler, über die sich Benutzer der digitalen Sprachdien­ste amüsieren, die deren Betreiber aber zur Verzweiflu­ng treiben.

Den Beruf des Übersetzer­s, davon ist Josef van Genabith überzeugt, wird der Übersetzun­gscomputer nicht gefährden. „Er wird ihn allerdings in den kommenden Jahren deutlich verändern. Übersetzer werden künftig vor allem maschinell­e Übersetzun­gen zu prüfen und zu korrigiere­n haben. Und wenn dann am Ende alles stimmt, kann ein Übersetzer den Text als korrekt beglaubige­n.“Wer nun wissen möchte, wie gut die Maschinell­e Übersetzun­g heute ist, kann sich das DFKI-Programm auf den Seiten der EU-Ratspräsid­entschaft anschauen: https://www.presidency­mt.eu

„Übersetzer werden

künftig vor allem maschinell­e Übersetzun­gen zu prüfen und zu korrigiere­n haben.“

Professor Josef van Genabith

Deutsches Forschungs­zentrum

für Künstliche Intelligen­z

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FOTO: IRIS MAURER Die KI-Spezialist­en Cristina España i Bonet und Professor Josef von Genabith haben am Deutschen Forschungs­institut für Künstliche Intelligen­z in Saarbrücke­n den „EU Council Presidency Translator“für die deutsche EU-Präsidents­chaft entwickelt.

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