Streit im Saarland über mehr Polizei-Befugnisse
Seit Monaten wird über ein Gesetzesvorhaben der großen Koalition gestritten. Bringt es mehr Sicherheit oder führt es in den „Überwachungsstaat“?
Es ist schon Jahre her, dass im Saarland über ein Gesetzesvorhaben zur Polizei derart heftig gestritten wurde. Das „Polizeidatenverarbeitungsgesetz“hat nicht nur einen komplizierten Namen; der 90-seitige Gesetzentwurf der Landesregierung, der zu Beginn des Jahres in erster Lesung vom Landtag debattiert wurde, ist ebenfalls schwere Kost. Im Prinzip verfolgt der Gesetzentwurf zwei Ansinnen: Zum einen sollen damit europäische Datenschutzvorgaben, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und Forderungen des Unabhängigen Datenschutzzentrums umgesetzt werden. Dieser Teil ist weitgehend unstrittig. Der Streit dreht sich um den zweiten Teil des Gesetzentwurfs: die Ausweitung polizeilicher Befugnisse. Darauf hatten sich CDU und SPD im Grundsatz bereits in den Koalitionsverhandlungen 2017 geeinigt. Eine Maßnahme – der Einsatz von Bodycams in Wohnungen – ist nun jedoch innerhalb der Koalition umstritten.
Grundsätzlich gegen die Ausweitung der Polizei-Befugnisse ist ein Bündnis, das sich eigens für den Kampf gegen den Gesetzentwurf gegründet hat. Ihm gehören Die Linke, die Linksfraktion im Landtag, Jusos, Junge Grüne, Linksjugend und weitere linke Gruppierungen an. Sie sehen das Saarland damit auf dem Weg in einen „Überwachungsstaat“, während die Polizeigewerkschaften zufrieden mit dem Entwurf sind.
Videoüberwachung wird ausgeweitet
Die saarländische Polizei soll künftig Ansammlungen und Veranstaltungen per Videoaufzeichnung überwachen dürfen, wenn durch diese Veranstaltungen erfahrungsgemäß größere Gefahren ausgehen oder diese Veranstaltungen von terroristischen Gefahren bedroht sind. Bisher müssen für eine Videoüberwachung hingegen „tatsächliche Anhaltspunkte“dafür vorliegen, dass Personen dort Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung begehen. „Die Videoüberwachung dient dem Schutz der Allgemeinheit“, erklärt das Innenministerium dazu. Zudem soll die Videoüberwachung an Kriminalitätsbrennpunkten in Zukunft auch ohne einen konkreten Anlass ermöglicht werden. Bei Veranstaltungen wie zum Beispiel Weihnachtsmärkten oder Stadtfesten oder an Orten, an denen oftmals Straftaten begangen werden, kann zukünftig – wie in anderen Ländern auch und sofern eine Gefahr vorliegt – Videoüberwachung eingesetzt werden, unter anderem auch, um mögliche Anschläge auf solche Veranstaltungen und Orte zu verhindern.
Elektrische Fußfesseln auch für Gefährder
Bislang gibt es dieses Instrument nur bei entlassenen, ehemals sicherungsverwahrten Sexualstraftätern. Künftig soll die Fußfessel auch präventiv, also zur Abwehr einer Gefahr,
eingesetzt werden können, um den Aufenthaltsort zum Beispiel von Sexualstraftätern oder „Gefährdern“zu überwachen. Gefährder sind laut Innenministerium Personen, die Anschläge vorbereiten oder diese unterstützen. Voraussetzung für den Einsatz der Fußfessel ist, dass „bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen“, dass die Person eine schwere Straftat plant oder dass „das individuelle Verhalten dieser Person die konkrete Wahrscheinlichkeit dafür begründet“, dass sie eine terroristische Straftat begehen wird.
Auch Kontakt-, Aufenthaltsverbote oder Aufenthaltsgebote sollen möglich sein. Liegen also belastbare Hinweise oder Erkenntnisse vor, dass sich zum Beispiel ein Sexualstraftäter immer wieder Kindertagesstätten nähert und sich eine Gefahr abzeichnet, soll über die elektronische Fußfessel der Standort dieser Person überwacht werden können. „Nähert sich die Person bestimmten verbotenen Bereichen, erhält die Polizei ein Signal und kann direkt einen Streifenwagen zur Kontrolle entsenden“, erklärt das Innenministerium.
WhatsApp-Nachrichten können entschlüsselt werden
Die Polizei im Saarland soll in Zukunft verschlüsselte Telefonate, E-Mails oder Messenger-Unterhaltungen wie WhatsApp von Gefährdern oder Straftätern überwachen dürfen, um schwere Straftaten und Terroranschläge zu verhindern. Die Maßnahmen sollen nach der Vorgabe des Gesetzentwurfs erlaubt sein, wenn damit eine gegenwärtige Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person abgewehrt wird oder wenn „konkrete Vorbereitungshandlungen für sich oder zusammen mit weiteren bestimmten Tatsachen die begründete Annahme rechtfertigen“, dass eine Person eine schwere Straftat begehen wird. Das saarländische Innenministerium nennt Beispiele: Wird ein Anschlag über WhatsApp geplant, ein Amoklauf angekündigt oder der sexuelle Missbrauch eines Kindes verabredet, könne die Polizei bislang nicht auf die verschlüsselte Kommunikation zugreifen. Durch das neue Gesetz werde dies der Polizei ermöglicht. Es müsse also der Eintritt eines schweren Schadens unmittelbar bevorstehen. Eine solche Maßnahme bedürfe grundsätzlich der Genehmigung durch einen Richter.
Kfz-Kennzeichen werden erfasst und mit Polizeidaten abgeglichen
Fahrzeugkennzeichen sollen künftig automatisiert mit den zur polizeilichen Beobachtung oder Fahndung ausgeschriebenen Kennzeichen abgeglichen werden können. Damit sollen zum Beispiel Kfz-Diebstähle besser aufgeklärt und das Verbringen der Fahrzeuge aus dem Saarland ins Ausland verhindert werden, wie das Innenministerium erläutert. Die Regelung soll verfassungskonform ausgestaltet werden, nachdem eine frühere Regelung im Polizeigesetz nach einem Richterspruch aus Karlsruhe 2008 nie angewandt und 2014 gestrichen wurde. Wird im Saarland ein Auto gestohlen oder sind die Kennzeichen eines von Straftätern genutzten Pkw bekannt (etwa bei überregionalen Wohnungseinbruchsbanden), sollen die Kennzeichenlesesysteme auf den möglichen Fluchtwegen – etwa auf der Autobahn – aufgestellt und scharf geschaltet werden können. Fährt das gesuchte Fahrzeug an diesem Gerät vorbei, erhält die Polizei einen Alarm und kann gezielt nach dem Fahrzeug fahnden und die Polizei in Rheinland-Pfalz oder in Frankreich informieren. Alle anderen Kennzeichen, so das Innenressort, würden direkt und automatisch gelöscht.
Körperkameras für die Polizei auch in Wohnungen
Polizeibeamte sollen bei Einsätzen in Wohnungen Körperkameras tragen dürfen, um sich besser vor Übergriffen zu schützen, wenn sie zum Beispiel bei häuslicher Gewalt einschreiten müssen. Der Einsatz muss dabei zur Abwehr einer dringenden Gefahr für Leib und Leben der Polizeibeamten erforderlich sein. Zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit gibt es unterschiedliche Auffassungen. Die SPD im Landtag zweifelt, nachdem ein Trierer Polizeirechtler eindringlich vor den Plänen gewarnt hatte. Das CDU-geführte Innenministerium hat bei der Polizeihochschule in Münster ein Gutachten in Auftrag gegeben, das die Pläne für verfassungsmäßig hält. Ausgang offen. Worum es geht: Kommt es in einer Wohnung zu handfesten Streitigkeiten und ist zu befürchten, dass auch gegen die herbeigerufenen Polizisten Gewalt angewendet wird, soll zukünftig die Körperkamera nach vorheriger Androhung eingeschaltet werden können, um das Geschehen aufzuzeichnen. Die Kamera zeichnet laut Innenministerium nur das Geschehen auf, das der Polizist vor Ort sieht. Täter sollen so von Angriffen auf die Beamten abgehalten werden. Die Daten werden laut Ministerium spätestens nach einem Monat gelöscht. Sollten sie als Beweis für eine Straftat und für eine Gerichtsverhandlung benötigt werden, dürfen sie dafür verwendet werden.