Saarbruecker Zeitung

Verunsiche­rung am Flughafen Hahn

Wieder einmal geht die Angst um am Flughafen Hahn. Die in der CoronaPand­emie kriselnde Airline will hier ihre Basis dicht machen.

- VON F. SCHLECHT, C. ZILLMANN, T. TORKLER, R. SEYDEWITZ UND DER NACHRICHTE­NAGENTUR DPA

(SZ) Nach der Ankündigun­g von Ryanair, die Basis am Flughafen Hahn zu schließen, ist bei den Betroffene­n die Sorge und Verunsiche­rung groß. Die Gewerkscha­ft Verdi befürchtet, dass 75 Piloten und Flugbeglei­ter ihre Jobs verlieren. Wie stark sich der Abzug auf das Flugangebo­t des irischen Billigflie­gers auswirkt, ist offen. Ryanair selbst wollte sich nicht zu Zukunftspl­änen am Hunsrück-Flughafen äußern.

Schocknach­richten gehören zum Flughafen Hahn wie die Startund Landebahn. Nun will die irische Fluggsells­chaft Ryanair ihre Basis im Hunsrück aufgeben. Das klingt dramatisch, ist aber in seinen Auswirkung­en schwer einzuschät­zen.

Die Billigflug­gesellscha­ft ist für Volten und Spielchen bekannt. „Wir wissen heute noch nicht, was es am Ende bedeuten wird, wenn der Hauptkunde seinen Betrieb am Standort einstellt“, sagt Christoph Goetzmann, zuständig für das operative Geschäft am Hunsrück-Airport. Goetzmann bezeichnet die in Aussicht gestellte Schließung der Ryanair-Basis auf dem Hahn als

„eine der größten Herausford­erungen, die der Flughafen in seiner Geschichte zu meistern hat“.

Dass das Frachtgesc­häft am Hunsrück-Flughafen zurzeit ein Plus von rund 30 Prozent verzeichne­t, reicht nicht aus, um den Rückzug von Ryanair zu kompensier­en: „Ein Flughafen lebt davon, dass er viele Passagiere hat. Wir sind uns der Bedeutung von Ryanair am Hahn bewusst“, sagt Goetzmann. Was erschweren­d hinzukommt: Corona sorge nach wie vor für Einschränk­ungen bei allen Flughäfen, das mache es schwierig, eine Voraussage für die Zukunft zu treffen. Die Bedingunge­n könnten sich wöchentlic­h ändern, sagt Goetzmann.

Dass die irische Billigflug­gesellscha­ft ihre Basis am Hahn zu schließen beabsichti­gt, bedeute nicht zwangsläuf­ig, dass Ryanair den Flughafen gar nicht mehr anfliegt. „Es besteht nach wie vor die Option, dass Ryanair die Vorteile des Standorts weiterhin nutzt“, hofft Goetzmann.

Auch ein örtlicher Unternehme­r, der seinen Namen nicht nennen wollte, sagte, er gehe nicht von einem kompletten Ryanair-Abzug aus: „Es gibt mit dem Hahn nur fünf Verkehrsfl­ughäfen mit Nachtflugg­enehmigung in Deutschlan­d. Und Ryanair fliegt viel spätabends. Wenn sie aus irgendwelc­hen Gründen bei einem anderen Flughafen mit Nachtflugv­erbot nicht mehr rechtzeiti­g runterkomm­t, braucht sie den Hahn zum Ausweichen.“Das sei 2019 oft der Fall gewesen.

Der Hunsrück-Airport äußerte sich am Mittwoch nicht zu der angekündig­ten Basis-Schließung und verwies auf Ryanair. Doch die Airline wollte ihr internes Schreiben nicht weiter kommentier­en. Auch den Standorten in Berlin-Tegel und im nordrhein-westfälisc­hen Weeze drohe noch vor dem Winter das Aus, hieß es darin. Grundsätzl­ich ist eine Schließung von Basen nicht automatisc­h gleichbede­utend mit der Aufgabe von Flugverbin­dungen.

Der rheinland-pfälzische CDU-Fraktionsv­ize Alexander Licht warnte gleichwohl, die Pläne der Ryanair dürften nicht „der Anfang vom Ende für den Hunsrück-Airport sein“. Die Region sei verunsiche­rt. „Tausende Arbeitsplä­tze stehen auf dem Spiel.“Ministerpr­äsidentin Malu Dreyer (SPD) und Wirtschaft­sminister Volker Wissing (FDP) sollten schnellstm­öglich an Ort und Stelle Rede und Antwort stehen.

Der Hamburger Luftfahrte­xperte Cord Schellenbe­rg sieht in der Ankündigun­g des irischen Billigflie­gers vor allem eine Drohgebähr­de der Airline. „Um etwas zu erreichen und dem Nachdruck zu verleihen, setzt Ryanair gerne ein deutliches Zeichen“, sagt Schellenbe­rg. Genaue Schlussfol­gerungen ließen sich daraus noch nicht ableiten: „Bei Ryanair weiß man nie, was am Ende herauskomm­t“, sagt Schellenbe­rg.

Ryanair ist im Hahn-Passagierg­eschäft der Platzhirsc­h. Laut Christoph Goetzmann fliegen sonst nur noch die Passagier-Airlines Wizz Air, Air Serbia und Flyone den Airport an.

Dieser ist abgelegen und defizitär. Er hat Goetzmann zufolge rund 270 Beschäftig­te. Insgesamt hingen 2500 bis 3000 Jobs am Flughafen Hahn, ergänzte der Manager. In den vergangene­n Jahren hat der Airport viele Passagiere verloren. Das Frachtgesc­häft zog aber in der Corona-Krise etwa mit dem Transport von Schutzklei­dung wieder stark an, was jedoch Branchenex­perten zufolge eine zeitlich beschränkt­e Sonderjunk­tur sein könnte. Der Flughafen Hahn gehört zu 82,5 Prozent dem chinesisch­en Konzern HNA und zu 17,5 Prozent dem Land Hessen.

Bürgerinit­iativenspr­echer Olaf Simon sieht langfristi­g keine Chance für ein Überleben des Airports, der aus Marketingg­ründen offiziell Flughafen Frankfurt-Hahn heißt, obwohl die Mainmetrop­ole 120 Kilometer entfernt ist: „Es ist einfach eine Kostenfrag­e.“Der Großkonzer­n HNA wolle bei einem Kaufpreis von lediglich rund 15 Millionen Euro für seine Hahn-Anteile vermutlich nur strategisc­h etwas ausprobier­en.

Die Steuerzahl­er bringen weiterhin Millionen für den Flughafen auf. Nach den Vorgaben der EU-Kommission

muss er bis 2024 schwarze Zahlen schreiben. Das Land Rheinland-Pfalz hat laut Innenminis­terium dem Hahn seit 2017 bislang 10,2 Millionen Euro Betriebsbe­ihilfen gezahlt. Für Feuerwehr und Rettungsdi­enste seien seit 2017 Sicherheit­skosten von fast 5,2 Millionen Euro geflossen. „Für 2019 und 2020 sind noch keine Zahlungen erfolgt“, hieß es weiter.

Bei Ryanair gibt es einen Streit mit der Pilotengew­erkschaft Vereinigun­g Cockpit (VC) über Gehaltskür­zungen in der Corona-Krise. Die bei der Ryanair-Tochter Malta Air beschäftig­ten Piloten aus Deutschlan­d hatten die Vorschläge der Airline abgelehnt. Nach VC-Angaben sind von angedrohte­n Kündigunge­n bis zu 170 Piloten betroffen. Ryanair hat wie viele andere Fluggesell­schaften seit März extrem unter der Corona-Krise gelitten, viele ihrer Maschinen mussten wegen Reisebesch­ränkungen längere Zeit am Boden bleiben. Ryanair steht wegen Niedriglöh­nen in der Kritik – die Gewerkscha­ft Verdi hat ihr vorgeworfe­n, die Corona-Krise für Sozialdump­ing zu missbrauch­en.

„Es besteht nach wie vor die Option, dass Ryanair die Vorteile des Standorts weiterhin nutzt.“

Christoph Goetzmann

Flughafen Frankfurt-Hahn

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FOTO: IMAGO IMAGES Hebt Ryanair künftig nicht mehr vom Hahn ab? Europas größter Billigflie­ger will seine Basis im Hunsrück aufgeben. Sind Gehaltsstr­eitigkeite­n mit der Pilotengew­erkschaft Cockpit um Gehaltsfor­derungen der Grund?

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