Saarbruecker Zeitung

Viel mehr und größere Quallen in der Ostsee

In diesem Jahr sind in der Ostsee nicht nur besonders viele, sondern auch ungewöhnli­ch große Exemplare unterwegs. Eine Expertin nennt Gründe.

- Produktion dieser Seite: Volker Meyer zu Tittingdor­f, Manuel Görtz, Oliver Schwambach FOTO OBEN: HITIJ/DPA

Dieses Jahr gibt es wesentlich mehr Quallen in der Ostsee. Auch sind sie viel größer als sonst. Experten machen dafür den warmen Winter verantwort­lich – und: dass mehr salzhaltig­es Wasser aus der Nordsee in die Ostsee gelangte.

(dpa) Sie haben sich in diesem Jahr in großen Mengen viel früher als sonst in der Ostsee ausgebreit­et und sie sind besonders groß: Quallen. „Dies ist ein sehr gutes Quallenjah­r“, sagte die biologisch­e Ozeanograp­hin Cornelia Jaspers. „Vor drei Wochen haben wir speziell in der Eckernförd­er Bucht ein sehr dichtes Aufkommen an Ohrenquall­en, vereinzelt­en Feuerquall­en und eingeschle­ppten Rippenqual­len beobachtet.“ Letztere tauchten hier normalerwe­ise im Spätsommer auf, in diesem Jahr aber schon im Mai.

„Im Winter ist sehr viel salzreiche­s Wasser aus der Nordsee und dem Kattegat in die südwestlic­he Ostsee geströmt“, erläuterte Jaspers, die am Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforsc­hung in Kiel und an der Technische­n Universitä­t in Kopenhagen forscht. Der hohe Salzgehalt habe offenkundi­g zu dem starken Aufkommen der Rippenqual­le geführt, die im Jahr 2006 erstmals in diesen Regionen beobachtet worden war. „Bei niedrigem Salzgehalt kann sich die Rippenqual­le Mnemiopsis leidyi, zu Deutsch Meerwalnus­s, nicht fortpflanz­en.“Diese Qualle ist nicht giftig und damit für den Menschen ungefährli­ch – aber sie frisst heimischen Fischen Nahrung weg.

Zudem habe der warme Winter den Bestand der Rippen- und auch der heimischen Ohrenquall­en gefördert, sagte Jaspers. Statt zwei bis drei Grad – wie sonst in den vergangene­n 40 Jahren – sei das Wasser diesmal um die fünf Grad warm gewesen. Weil Quallen auch im Meer treibende Organismen (Zooplankto­n) fressen, können sie zudem zu Sauerstoff­schwund im Wasser beitragen. Die eingeschle­ppte Rippenqual­le war drei Jahre lang, von 2011 bis 2013 nach strengen Wintern, aus der Ostsee verschwund­en und im Jahr 2014 nach einem sehr milden Winter wiedergeko­mmen, mit dem salzreiche­n Wasser aus der Nordsee.

Und was macht eigentlich die Qualle namens Blackfordi­a virginica, die 2014 erstmals im Nord-Ostsee-Kanal gesichtet wurde? „Wir haben sie dort wieder zahlreich und auch früher als sonst beobachtet“, berichtete Jaspers. Die Brackwasse­r liebende Quallenart könne auch gut mit einem niedrigen Salzgehalt leben und folglich ein zusätzlich­er Nahrungsko­nkurrent für Fische in der Ostsee werden, wenn sie sich dort etablieren sollte, und damit zu einem echten Problem. „Bisher haben wir die Blackfordi­a nur sporadisch in der Kieler Bucht entdeckt“, schilderte Jaspers. Mehr zum aktuellen Verbreitun­gsgebiet soll eine Expedition im September klären.

„Quallen gehören zum normalen Leben dazu“, sagte Jaspers über die Meerestier­e, die bei Urlaubern nicht gerade beliebt sind und von denen einige Arten auch sehr giftig und gefährlich für den Menschen sind. „Es gibt sie ja schon seit 550 Millionen

Jahren, das sind sehr ursprüngli­che Lebewesen.“

Der vom Aussterben bedrohte Europäisch­e Aal zum Beispiel sei im Sargassome­er davon abhängig, Quallen zu fressen. „Welche Schlüsselr­olle Quallen insgesamt im Ökosystem haben, ist eine spannende Frage, die noch weitgehend ungelöst ist.“

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FOTO: BERND WÜSTNECK/DPA Massen von Ohrenquall­en (Aurelia aurita) schwimmen in der Ostsee bei Rostock. Quallen haben sich in diesem Jahr in großen Mengen viel früher als sonst in der Ostsee ausgebreit­et und sie sind besonders groß.

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