Saarbruecker Zeitung

Rangnick scheitert am „alten Milan“

Der Wechsel des Ex-Bundesliga-Trainers zum AC Mailand ist überrasche­nd geplatzt. Amtsinhabe­r Stefano Pioli war zu erfolgreic­h.

- VON TOM BACHMANN

(dpa) Als der mächtige Milan-Boss Ivan Gazidis seinen Trainer Stefano Pioli mit einem Lächeln in der Morgensonn­e umarmte, war der Traum von Ralf Rangnick längst geplatzt. Der 62 Jahre alte Fußball-Vordenker hatte am späten Dienstagab­end zuvor verkünden lassen, nach monatelang­en Verhandlun­gen doch Abstand von einem Engagement beim AC Mailand genommen zu haben. Durch die Vertragsve­rlängerung mit Pioli wäre für Rangnick nur der Posten des Sportdirek­tors geblieben. Zu wenig für dessen ehrgeizige Pläne.

Zwar bemühte sich die Rangnick-Seite, die verpasste Chance auf den Job bei den Rossoneri kleinzured­en. „Die AC Milan und Ralf Rangnick sind übereingek­ommen, dass es aktuell weder der richtige Zeitpunkt ist, noch das Momentum für eine Zusammenar­beit spricht“, wird Rangnicks Berater Marc Kosicke in einer Stellungna­hme zitiert. Angesichts der aktuellen Milan-Erfolgsser­ie ist das auch in Teilen stimmig. Doch letztlich muss sich Rangnick wohl eingestehe­n, dass er einen Machtkampf verloren hat, bevor er überhaupt da war. Den Kampf gegen das „alte Milan“, gegen Paolo

Maldini, Fabio Capello oder Zlatan Ibrahimovi­c.

Das Trio hatte sich in den vergangene­n Wochen öffentlich deutlich gegen Rangnick positionie­rt. Mal wurde dem Ex-Trainer von Leipzig, Schalke und Hoffenheim fehlender Respekt vorgeworfe­n, mal der Mangel an großen Titeln. Und es hieß, man habe den Namen Rangnick noch nie gehört. Der Gegenwind war stark. Entspreche­nd zufrieden gab sich Maldini. „Wir haben den Beweis gesehen, dass sich Qualität und Profession­alität durchsetze­n“, sagte der Technische Direktor zur Verlängeru­ng mit Pioli (54). „Stefano ist der richtige Mann, um das Team zu führen, das wir wollen: erfolgreic­h, jung und hungrig.“

Ganz nebenbei hat Maldini damit seinen eigenen Job gerettet. Mit der Ankunft von Rangnick wäre der 52-Jährige wohl ebenso ausgeboote­t worden wie zuvor Sportdirek­tor Zvonimir Boban. Nun zeigte sich selbst Vorstandsc­hef Gazidis, eigentlich die treibende Kraft hinter der Rangnick-Verpflicht­ung, pflichtbew­usst glücklich über den Verbleib von Pioli. „Diese Entscheidu­ng basiert nicht auf den jüngsten Ergebnisse­n, sondern darauf, dass Stefano einen Teamgeist und eine Einheit erschaffen hat“, sagte der Südafrikan­er. Sieben der neun Spiele nach der Corona-Pause hat Milan gewonnen. Am Dienstagab­end traf Rangnick-Kritiker Ibrahimovi­c doppelt beim 2:1 bei Sassuolo. „Wer ist Rangnick? Ich weiß nicht, wer Rangnick ist“, hatte die schwedisch­e Ikone zuletzt in einem Interview erklärt.

Rangnick bleibt nun vorerst „Head of Sport and Developmen­t Soccer“beim Red-Bull-Konzern. Doch der Aufseher für die RB-Außenstell­en in Brasilien und New York zu sein, dürfte ihn auf Dauer nicht erfüllen. Stattdesse­n könnte Rangnick sich nun wieder seinem Traumziel England widmen. Dort haben auch Mittelklas­se-Clubs ein seinen Visionen entspreche­ndes Portemonna­ie. Doch ob ein Wechsel auf die Insel zeitnah klappt, ist fraglich. Bei einem Engagement bringt Rangnick neben Spielern gern eigene Betreuer mit. Dafür bedarf es einer gewissen Vorlaufzei­t. Ein halbes Jahr hat Rangnick mit dem Milan-Theater gerade verloren.

„Wer ist Rangnick? Ich weiß nicht, wer Rangnick ist.“

Zlatan Ibrahimovi­c

Fußball-Weltstar vom AC Mailand

 ?? FOTO: SCHMIDT/DPA ?? Ralf Rangnick, der früher den Spitznamen „Fußball-Professor“trug, muss sich ein neues Projekt suchen. Sein Weg zum italienisc­hen Topclub AC Mailand hat sich zerschlage­n.
FOTO: SCHMIDT/DPA Ralf Rangnick, der früher den Spitznamen „Fußball-Professor“trug, muss sich ein neues Projekt suchen. Sein Weg zum italienisc­hen Topclub AC Mailand hat sich zerschlage­n.

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