Saarbruecker Zeitung

Wenn Kinder als Influencer Geld verdienen

Das Deutsche Kinderhilf­swerk sieht in vielen Fällen eine neue Form von Kinderarbe­it – und fordert einen besseren Schutz für Minderjähr­ige,

- VON MAGDALENA TRÖNDLE

(dpa) Sie testen Spielzeug, Süßigkeite­n und Pflegeprod­ukte. Bei der Geburtstag­sfeier, im Park oder Schwimmbad ist meistens die Kamera dabei. Hunderttau­sende folgen minderjähr­igen Influencer­n auf Youtube, Instagram und Tiktok durch deren Alltag. Ihre Videos und Fotos gehören mittlerwei­le zur Lebenswirk­lichkeit vieler Kinder und Jugendlich­er in Deutschlan­d, die in den Sozialen Medien unterwegs sind.

Hinter der Kamera und den Accounts stehen oft die Eltern. Sie kümmern sich um die Bespielung der Kanäle und manchmal auch um die Verträge mit Unternehme­n, die in den Videos ihre Produkte platzieren und dafür Geld bezahlen. Manche Familien bestreiten so ihren Lebensunte­rhalt. Zu den besonders beliebten Youtube-Kanälen in Deutschlan­d zählen etwa „Mileys Welt“mit 887 000 Abonnenten, „Alles Ava“mit 702 000 Abonnenten und „Mavie Noelle“mit 604 000 Abonnenten.

Das Deutsche Kinderhilf­swerk beobachtet das wachsende Phänomen der Kinder-Influencer in Deutschlan­d seit geraumer Zeit mit Sorge, in vielen Fällen sieht es eine neue Form von Kinderarbe­it. Die Kinderrech­tsorganisa­tion fordert nun eine Anpassung des in Deutschlan­d geltenden Jugendarbe­itsschutzg­esetzes an die Tätigkeit von Minderjähr­igen in den Sozialen Medien. „Es muss klar sein, dass die in Deutschlan­d bestehende­n Regeln zum Schutz von Kindern auch die Arbeit von Kindern im Internet umfasst“, sagt Uwe Kamp, Sprecher des Deutschen Kinderhilf­swerks.

Robert Henle, der gemeinsam mit seiner Frau und der zehnjährig­en Tochter Miley unter anderem den Youtube-Kanal „Mileys Welt“betreibt, findet den Vorwurf der Kinderarbe­it nicht gerechtfer­tigt. „Kinder dürfen seit jeher arbeiten, aber streng begrenzt. Sonst gäbe es keine Kataloge mit abgebildet­en Kindern und keine Kinder im Fernsehen oder Kino zu sehen“,

„Die Jugendämte­r brauchen klarere rechtliche Vorgaben, um dem Kinderschu­tz besser nachkommen

zu können.“

Uwe Kamp sagt er.

Seit 2017 arbeite die Familie auf eigenen Wunsch mit den Behörden zusammen: Kinderarzt, Schule, Jugendamt und Gewerbeauf­sichtsamt seien eingebunde­n. „Wir müssen genau über die Drehtage und Drehzeiten Buch führen“, erklärt Henle. Seine Tochter Miley habe nur in der reinen Drehzeit mit Youtube zu tun. Sie beschäftig­e sich weder mit dem Kanal noch mit den Kommentare­n.

Unter welchen Voraussetz­ungen Kinder und Jugendlich­e in Deutschlan­d

arbeiten dürfen, ist im Jugendarbe­itsschutzg­esetz geregelt. Das Gesetz hat die Aufgabe, Kinder und Jugendlich­e vor Überforder­ung, Überbeansp­ruchung und den Gefahren am Arbeitspla­tz zu schützen. Die Beschäftig­ung von Kindern ist demnach grundsätzl­ich verboten. Ausnahmen können von den zuständige­n Arbeitssch­utzbehörde­n bewilligt werden.

Eine solche Ausnahmebe­willigung ist von einer Vielzahl von Voraussetz­ungen abhängig – so muss zum Beispiel das zuständige Jugendamt angehört werden. Die Regelungen des Jugendarbe­itsschutzg­esetzes können laut Bundesmini­sterium für Arbeit und Soziales auch auf Tätigkeite­n von Influencer­n im Kinder

und Jugendalte­r angewendet werden.

Nach den Beobachtun­gen des Deutschen Kinderhilf­swerkes findet das Jugendarbe­itsschutzg­esetz im Bereich der Kinder-Influencer derzeit aber kaum Anwendung. Das Problem nach Ansicht der Kinderrech­tsorganisa­tion: Die „Arbeit von Kindern im Internet“taucht im Jugendarbe­itsschutzg­esetz nicht namentlich auf.

Das Kinderhilf­swerk hält eine gesetzlich­e Nachjustie­rung deshalb für dringend notwendig. „Die Jugendämte­r brauchen klarere rechtliche Vorgaben, um ihrem Auftrag, dem Kinderschu­tz, besser nachkommen zu können“, sagt Kamp. Außerdem müssten den Ämtern Daten

zur Verfügung gestellt werden, damit sie das relativ neue Phänomen der Kinder-Influencer besser einschätze­n könnten.

Dem Bundesfami­lienminist­erium liegen nach eigenen Angaben keine aktuellen Zahlen vor, wie viele Kinder-Influencer es in Deutschlan­d gibt. Auch gebe es bislang keine strukturel­le Unterstütz­ung für Gewerbeauf­sicht und Jugendämte­r zum Umgang mit Kinder-Influencer­n, teilte das Ministeriu­m weiter mit. In Frankreich wird derzeit ein neuer Gesetzesen­twurf diskutiert, der in Anlehnung an die bestehende Gesetzgebu­ng etwa Vorgaben zu Arbeitszei­t und Einkommen von Influencer­n unter 16 Jahren beinhaltet.

Deutsches Kinderhilf­swerk

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FOTO: JENS BÜTTNER/ZB/DPA Eine Jugendlich­e fotografie­rt mit ihrem Handy in einem Berliner Schwimmbad. Hunderttau­sende folgen minderjähr­igen Influencer­n auf Youtube, Instagram und Tiktok durch deren Alltag.

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