Wie Japan Olympia retten will
In einem Jahr sollen die Spiele beginnen. Die Organisatoren testen bei den Wettkampfstätten, wie man der Pandemie begegnen kann.
(dpa) Die Uhr tickt wieder. 365 Tage zeigte sie an diesem Donnerstag am Tokioter Zentralbahnhof an. Nach der Verlegung der Olympischen Spiele beginnt der Countdown von vorne. Wegen der anhaltenden Coronavirus-Pandemie ist es aber ein Wettlauf mit der Zeit. Die Sommerspiele hätten ursprünglich an diesem Freitag beginnen sollen. „Nur noch ein Jahr. Es liegt eine Mammutaufgabe vor uns“, sagte Thomas Bach, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, am Donnerstag.
Das Bangen bei Olympia-Machern und Athleten, ob die Spiele am 23. Juli 2021 eröffnet werden können, geht weiter. Die Japaner haben aktuell andere Sorgen: Von Olympia-Fieber ist keine Spur mehr. Vor einem Jahr war es noch die brutale Sommerhitze, die den Olympia-Machern die größte Sorge bereitete – jetzt ist es die Corona-Krise. Am Donnerstag meldete Tokio erstmals mehr als 300 Neuinfektionen – ein Rekord, der die Aussichten weiter trübt.
Dennoch bleiben die Organisatoren zuversichtlich, die Probleme in den Griff zu bekommen. Yoshiro Mori, Chef des Organisationskomitees (OK), gab zwar zu, dass bei einem Anhalten der aktuellen Lage Spiele nicht möglich wären, betonte aber: „Ich glaube nicht, dass diese Situation noch ein Jahr anhalten wird.“Auch Bach bleibt optimistisch. Der IOC-Chef hofft auf ein „großes Comeback-Festival des Sports auf der internationalen Bühne“.
Während alle Welt zweifelt, ob die Spiele 2021 überhaupt stattfinden können, nutzen Japans Verantwortliche derzeit einen Teil der 43 Olympia-Wettkampfstätten als eine Art gigantisches Laboratorium: Vor Ort wollen sie testen, welche Maßnahmen zum Schutz von Athleten, Zuschauern und anderen Beteiligten ergriffen werden könnten. Experimente, wie sie noch kein Olympia-Gastgeber durchführen musste.
So wurden in der Saitama Super-Arena, wo Basketball gespielt werden soll, die Mixed-Zonen für Interviews der Medien mit Athleten umstrukturiert, berichtete der staatliche japanische Fernsehsender NHK. Dazu gehört die Installation
Thomas Bach
von Trennscheiben aus Acryl zwischen Reportern und Athleten. Außerdem ist angedacht, die Sportler zum Training und zu den Wettkämpfen auf mehrere Busse zu verteilen, um Abstand halten zu können. Zu den rund 400 Vorschlägen für mögliche Corona-Maßnahmen gehören auch bargeldloses Bezahlen an Verkaufsständen in der Arena, die Pflicht zum Tragen von Masken sowie eine Reihe von Verboten: kein lautes Anfeuern der Mannschaften, keine lauten Durchhalteparolen, Gesänge sowie Umarmungen unter den Athleten selbst sowie Trink- und Essensverbote in den Umkleidekabinen. Im Olympischen Dorf, wo bis zu 11 000 olympische und 4400 paralympische Athleten unterkommen sollen, könnten ebenfalls Bewegungseinschränkungen eingeführt werden. Zumal die Athleten Zimmer, Cafeterias und Busse mit anderen teilen müssen.
Auch Japans wieder gestartete Baseball
und Fußballligen dienen als Experimentierfelder. Kein Skandieren, kein „High-Five“-Abklatschen, keine Umarmungen und keine Finger benutzen beim Pfeifen: Das droht auch den Fans bei Olympia. Die Idee, Wettkämpfe ganz ohne
Zuschauer abzuhalten, wies Mori zurück. Die Erwägung von Bach, nur eine reduzierte Zuschauerzahl in die Arenen zu lassen, ist für den OK-Präsidenten das absolute „Worst Case“-Szenario.
Auch zur Einreise ins Land gibt es mehr Fragen als Antworten. Olympia-Ministerin Seiko Hashimoto erklärte kürzlich, Japan erwäge Reiseerleichterungen für ausländische Olympia-Teilnehmer. Die Grenzen sind wegen Corona weiter geschlossen. Dabei will sich das eher verschlossene Japan mit der Ausrichtung der Spiele eigentlich als weltoffenes Land präsentieren. Müssten Athleten aus Übersee nach der Einreise erst mal in eine zweiwöchige Quarantäne, stellt sich die Frage nach geeigneten Unterkünften, die Anschluss an sichere Trainingseinrichtungen bieten. Konkretes zu all diesen Fragen wird es von Seiten der Olympia-Macher nicht vor diesem Herbst geben.
Gleiches gilt für die Frage der horrenden Zusatzkosten in Folge der Verschiebung der Spiele. Schätzungen gehen von zwei bis sechs Milliarden Dollar aus. So ist unklar, wie die Käufer der mehr als 41 000 Wohnungen, die aus den Unterkünften der Athleten im Olympischen Dorf entstehen sollen, entschädigt werden. Diese können nun erst ein Jahr später bezogen werden. Laut lokalen Medien wurden 940 der Wohnung verkauft, viele Verträge seien besiegelt. Zugleich haben die Olympia-Macher damit begonnen, die Sponsoren um zusätzliche Mittel zwecks Deckung der Zusatzkosten wegen der Verlegung zu bitten.
Was aber, wenn die Spiele am Ende doch nicht 2021 stattfinden können? Eine nochmalige Verschiebung soll es nicht geben. Japans Organisatoren bevorzugten jedoch eine abschließende Entscheidung eher im Frühjahr nächsten Jahres, hieß es.
„Es liegt eine Mammutaufgabe vor uns.“
IOC-Präsident