Das Saarland hat wieder eine Abgeordnete in Brüssel
Die ÖDP-Politikerin Manuela Ripa aus Saarbrücken gehört jetzt dem EU-Parlament an. Dort ist sie die einzige Saarländerin. Was hat sie vor?
Für Manuela Ripa ist es ein „Traumjob“, für den sie sich aber gar nicht groß umstellen muss. Ihr neuer Arbeitsplatz im Europäischen Parlament in Brüssel ist nur ein paar Häuserblocks von der saarländischen Landesvertretung entfernt, in der die Juristin bisher Themen wie Umwelt, Landwirtschaft, Energie und Gesundheit bearbeitete. Das Parlament kennt sie, seitdem sie 2006 als Mitarbeiterin beim damaligen FDP-Europa-Abgeordneten Jorgo Chatzimarkakis anfing. „Ich komme nicht rein, schaue mich erst mal groß um und frage mich: Wo bin ich hier? Ich weiß, was mich erwartet“, sagt Ripa.
Die 44-jährige Saarbrückerin, aufgewachsen im Stadtteil Scheidt, ist gerade für die kleine Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) ins EU-Parlament nachgerückt, seit Donnerstag ist es ganz offiziell. Der einzige Vertreter der ÖDP im Parlament, der Münchner Physik-Professor Klaus Buchner (79), hatte sein Mandat zuvor abgegeben. Ripa ordnet die ÖDP als „konservativ-ökologisch“ein, in Brüssel hat sie sich der Grünen-Fraktion angeschlossen und will dort „der ökologische Stachel im Fleisch“sein.
Damit endet in Brüssel eine für das Saarland wenig ruhmreiche Episode europäischer Politik. Erstmals nach Einführung der Direktwahlen zum Europäischen Parlament 1979 war das Saarland seit der EU-Wahl am 26. Mai 2019 nicht mehr mit einem Abgeordneten in Brüssel vertreten (das wesentlich kleinere Luxemburg stellt übrigens sechs Abgeordnete). Ein Problem, denn Abgeordnete könnten Landsleuten Türen zur EU-Kommission öffnen oder ihnen bei Anliegen auch schon mal direkt helfen, sagt Jo Leinen (SPD), der von 1999 bis 2019 der EU-Volksvertretung angehörte. Auch gehe es in Brüssel um für das Saarland wichtige Themen wie die Zukunft der Stahlbranche.
Manuela Ripa lebt Europa gewissermaßen bereits im Kleinen. Ihr Vater, der aus Kalabrien stammt, war Diplomat im italienischen Konsulat in Saarbrücken, ihre Mutter, ursprünglich aus der Nähe von Venedig, unterrichtete in Saarbrücken italienische Kinder in ihrer Muttersprache. Nach dem Abitur studierte die „italienische Saarländerin“, die im Kindergarten Deutsch lernte, in Saarbrücken Rechtswissenschaft mit Schwerpunkt Europarecht. Ihren Plan, sich für eine Laufbahn in der EU-Kommission zu bewerben, begrub sie, als sie 2006 als Referentin bei Chatzimarkakis anfing und später dessen Abgeordnetenbüro leitete. Aus der beruflichen Verbindung wurde eine private, seit sechs Jahren sind beide verheiratet.
Bevor Ripa 2011 in die Brüsseler Saar-Vertretung wechselte, arbeitete sie – damals noch mit FDP-Parteibuch – vorübergehend für FDP-Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler. „Es hat nicht so ganz gepasst. Unsere Ideen gingen weit auseinander“, sagt sie heute. Der Ökoliberalismus, für den Chatzimarkakis stand, habe ihr gefallen. Der damalige Generalsekretär der Saar-FDP fühlte sich einer „blau-grünen Generation“zugehörig und schlug 2007 vor, FDP („Altbürgertum“) und Grüne („Neubürgertum“) zu fusionieren. In Berlin habe sie eine andere FDP kennengelernt, eine, der es nur darum gehe, die Wirtschaft nach vorne zu bringen, egal, wie Tiere gehalten würden. „Ich könnte das mit meinem Gewissen nicht vereinbaren“, sagt sie.
Als Chatzimarkakis wegen der Politik der Liberalen in der Griechenland-Krise mit seiner Partei brach und 2018 zur ÖDP ging, nahm er Ripa mit. In eine Partei, die damals im Saarland nicht mehr existierte und von „Chatzi“als neuem Landeschef erst wiederbelebt werden musste. Eine Partei, die landesweit gerade
„Ich liebe es, Mutter zu sein, aber ich möchte andererseits auch für einen besseren Planeten kämpfen. Das wird spannend sein, diesen Spagat hinzukriegen.“
Manuela Ripa
Frisch gebackene Europa-Abgeordnete aus Saarbrücken mit zwei kleinen Kindern
einmal 30 Mitglieder hat (Grüne: 1700) und in der man deshalb auch schnell Karriere machen kann.
Von den Grünen und den anderen Parteien unterscheide sich die ÖDP dadurch, dass sie keine Firmenspenden annehme („Nur so kann man nur zu 100 Prozent unabhängig sein“) und dass sie wachstumskritischer sei („Wir können nicht so weitermachen“), sagt Ripa. Die ÖDP sei auch direktdemokratischer als die Grünen. In Bayern setzte sie per Volksbegehren das Rauchverbot in der Gastronomie und einen besseren Artenschutz durch. Und die Familie habe bei der ÖDP einen größeren Stellenwert, findet Ripa.
Apropos Familie: Ripa will mit ihren zwei Töchtern (vier und sieben Jahre) zeigen, dass sich politische Karriere im EU-Parlament und Familie vereinbaren lassen, sie will Vorbild für andere Frauen sein. „Ich liebe es, Mutter zu sein, aber ich möchte andererseits auch für einen besseren Planeten kämpfen. Das wird spannend sein, diesen Spagat hinzukriegen.“Ihr Plan: keine politischen Meetings morgens, wenn die Kinder noch im Haus sind, wenig Abendtermine. „Wenn abends die Kinder im Bett sind, sitze ich am Schreibtisch.“
Inhaltliche Schwerpunkte will sie unter anderem beim Artenschutz setzen. „Wir haben ein dramatisches Insektensterben, das ist auch menschengemacht“, sagt Ripa. „Wir brauchen mehr Lebensräume für Insekten, viel mehr Ökolandbau und viel weniger Flächenversiegelung.“2019 gehörte sie zu den Initiatoren des Europäischen Bürgerinitiative
„Rettet die Bienen“, das inzwischen zurückgezogen wurde, um ein inhaltlich ähnliches, aber schlagkräftigeres Begehren zu unterstützen. Für Weichmacher und andere Umweltgifte in Lebensmittelverpackungen oder Kinderspielzeug will sie strengere Grenzwerte und eine bessere Kennzeichnung erreichen.
Dann will sie im Parlament für ein verpflichtendes Fleisch-Siegel kämpfen: Verbraucher sollen auf der Verpackung auf Anhieb sehen können, unter welchen Bedingungen die Tiere vor ihrer Schlachtung gehalten wurden. „Ich sehe in der Massentierhaltung den Kern allen Übels“, sagt Ripa. „Die Menschen haben ein Recht, wenn sie ein Stück Fleisch essen, dass dieses Fleisch gesund und nicht Antibiotika-verseucht ist.“Multiresistente Keime drohten zur nächsten Pandemie zu werden.
Ganz auf Fleisch verzichten will auch Manuela Ripa nicht. Hin und wieder wird im Hause Ripa/Chatzimarkakis ein Sonntagsbraten zubereitet. „Mir geht es darum, dass wir bewusster unsere Lebensmittel kaufen und den Wert des Fleisches bewusster wahrnehmen.“
Alles wichtige Themen, aber die saarländischen Stahlarbeiter werden mit Ripa kaum über Sonntagsbraten und Artenschutz reden wollen. „Ihr Engagement für Bienen und Naturschutz in Ehren“, sagt der Ex-Abgeordnete Leinen, „aber sie wird sich breiter aufstellen müssen. Anlaufstelle für saarländische Interessen zu sein, das kann man von einer EU-Abgeordneten schon erwarten.“
Dazu muss man sagen, dass Manuela Ripa immer auch die „Dekarbonisierung“der saarländischen Wirtschaft als einen Schwerpunkt ihrer Arbeit nennt. In Brüssel gehört sie dem Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie an. „Ich möchte, dass wir eine CO2-freie Stahlproduktion im Saarland haben“, sagt sie. Dazu müsse erneuerbarer Wasserstoff importiert werden. „Pipelines aus Nordafrika oder Spanien könnten ihn hier herüber bringen“, schlägt sie vor. Der Wasserstoff könne in bestehenden Gaspipelines transportiert werden.
Dass ihr Mann Generalsekretär des europäischen Wasserstoff-Verbandes in Brüssel ist, habe sie gegenüber dem EU-Parlament bereits transparent gemacht. „Ich verheimliche nichts.“