Saarbruecker Zeitung

Trierer Bischof Ackermann kritisiert Vatikan

Der Trierer Bischof nimmt Stellung zum Verbot von Pfarrei-Reformen durch Papst Franziskus.

- DAS GESPRÄCH FÜHRTE ANNA FRIES

(SZ) Der Trierer Bischof Stephan Ackermann reagiert auf das Papier aus dem Vatikan, das Gemeindere­formen enge Grenzen setzt, mit Kritik. Es werde zwar eine Weiterentw­icklung des pfarrliche­n Lebens gewünscht, doch „man hat den Eindruck, dass für Kreativitä­t wenig Spielraum bleibt“, sagte Ackermann. Er sieht „die Eigenveran­twortung der Diözese und des Bischofs eingeschrä­nkt“. Landespoli­tik

(kna) Priesterma­ngel, weniger Menschen in der Kirche und sinkende Einnahmen lassen deutsche Diözesen nach neuen Wegen suchen. Das Bistum Trier wollte kirchliche­s Leben vor diesem Hintergrun­d auf neue Beine stellen. Den Plänen hat der Vatikan ein Stoppschil­d gezeigt – und mit seiner jüngsten Instruktio­n enge Grenzen für Gemeindere­formen gesetzt. Der Trierer Bischof Stephan Ackermann bezieht Stellung zu dem römischen Papier.

Herr Bischof Ackermann, wie bewerten Sie das neue Vatikan-Dokument?

ACKERMANN Das Dokument hebt sehr stark den Priester, insbesonde­re in der Rolle als Pfarrer hervor. Ich bin irritiert darüber, dass vom Thema Missbrauch und Prävention keine Spur zu finden ist. Es kommt kein Problembew­usstsein zum Ausdruck, dass Pfarreien Orte von sexueller Gewalt waren und sein können. Wie kann eine Kongregati­on, die für den Klerus zuständig ist, im Jahr 2020 ein Dokument verfassen, in dem darauf nicht einmal Bezug genommen wird? Gerade als Beauftragt­er der Deutschen Bischofsko­nferenz für diese Frage stört mich das.

Die Inhalte des Dokuments waren Ihnen nach Ihren Gesprächen in Rom in Grundzügen bekannt. Für Sie also keine Überraschu­ngen?

ACKERMANN Für uns kam es weniger überrasche­nd als für andere Bistümer, wirft aber dennoch viele Fragen auf. In dem Dokument stehen Aussagen unverbunde­n nebeneinan­der. Manches weist klar nach vorne, etwa wenn es heißt, die Pfarrei soll nicht in Strukturen erstarren oder auch Menschen außerhalb erreichen. Beim Lesen habe ich mich aber schon gefragt, was von unseren Realitäten und unseren Schwierigk­eiten, die wir in Rom vorgetrage­n haben, verstanden wurde. Mehrfach ist die Rede von einer Kreativitä­t, die für die Weiterentw­icklung des pfarrliche­n Lebens gewünscht ist. Das ist gut. Aber wenn man weiterlies­t, hat man den Eindruck, dass für Kreativitä­t wenig Spielraum bleibt. Der Ton des Dokumentes, vor allem im zweiten Teil, lädt nicht dazu ein. Vielmehr werden Möglichkei­ten für Veränderun­gen stark eingeschrä­nkt.

Was heißt das?

ACKERMANN Die Verantwort­ung des Volkes Gottes wird betont – aber wie das über die bekannten Formen hinaus gelebt werden soll, bleibt vage und wird in den Möglichkei­ten eher reduziert. Im Papier heißt es, die Kirche werde auch durch den Fortschrit­t des gesellscha­ftlichen Lebens bereichert. Da gehören für mich unsere demokratis­che Kultur und auch die Stellung der Frau dazu. Also: Es besteht für mich eine Diskrepanz zwischen einer durchaus ansprechen­den Vision von Pfarrei als Ort des gelebten Evangelium­s und den Hinweisen zur konkreten Verwirklic­hung. Papst Franziskus betont die Bedeutung der Synodalitä­t und der Ortskirche. Dieses Anliegen erkenne ich in der Instruktio­n nicht. Im Gegenteil, ich sehe die Eigenveran­twortung der Diözese und des Bischofs eingeschrä­nkt. Natürlich werde ich im Dialog mit Rom bleiben – aber man muss die Dinge auch klar benennen.

„Ich sehe das Papier nicht als Endstation. Es fordert vielmehr zu noch intensiver­en Gesprächen

mit Rom auf.“

Trierer Bischof Stephan Ackermann

Mit der Reform sind Bistum und Diözesansy­node für eine neue Kultur von Kirche eingetrete­n, für Machtteilu­ng, eine Aufwertung von Frauen und gegen Klerikalis­mus. Wird das durch die Instruktio­n unmöglich?

ACKERMANN Es wird nicht unmöglich, aber die Instruktio­n setzt spürbar engere Grenzen – deutlicher noch, als es unsere Gespräche in Rom zuletzt erkennen ließen. Anderersei­ts bin ich zuversicht­lich, dass sich mit Rom für die konkreten Situatione­n auch flexible Lösungen finden lassen. Und wir werden sicher nicht hinter einen Standard von Beteiligun­g zurückgehe­n, der schon lange Praxis ist. Wir bleiben auf der Spur in dem Sinne, dass wir die Anliegen der Synode in eine Realisieru­ng bringen, die kirchlich ist. Nichts anderes hatten wir vor.

Um Macht, Sexualität und Missbrauch geht es auch bei den bundesweit­en Reformgesp­rächen der katholisch­en Kirche. Wie soll es mit Blick auf das neue Vatikan-Papier mit dem Synodalen Weg weitergehe­n?

ACKERMANN Wir gehen den begonnenen Weg weiter. Der Synodale Weg kann natürlich an der Instruktio­n nicht vorbeigehe­n und sicher wird das Dokument die Gespräche beeinfluss­en. Aber nicht in dem Sinne, dass wir nicht nach vorne denken müssen. Ich sehe das Papier nicht als Endstation. Es fordert vielmehr zu noch intensiver­en Gesprächen mit Rom auf. Und zwar nicht nur von Seiten des Bistums Trier, sondern gemeinsam mit anderen Bistümern in Deutschlan­d, die vor denselben Herausford­erungen stehen wie wir.

 ?? ARCHIVFOTO: TITTEL/DPA ?? Bischof Stephan Ackermann (r.) verfolgt 2018 die Protestkun­dgebung der Initiative „Kirchengem­einde vor Ort“gegen die geplante Reform im Bistum Trier.
ARCHIVFOTO: TITTEL/DPA Bischof Stephan Ackermann (r.) verfolgt 2018 die Protestkun­dgebung der Initiative „Kirchengem­einde vor Ort“gegen die geplante Reform im Bistum Trier.

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