Saarbruecker Zeitung

Bis Ende 2022 sind Jobs bei ZF sicher

Keine betriebsbe­dingten Kündigunge­n und keine Werksschli­eßungen – im Gegenzug müssen die Standorte in den kommenden zwei Jahren Konzepte für ihre Zukunft entwickeln.

- VON NINA ZAPF-SCHRAMM

(nid) Der Autozulief­erer ZF schließt bis Ende 2022 betriebsbe­dingte Kündigunge­n und Standortsc­hließungen aus. Das gilt auch für den Standort Saarbrücke­n. Im Gegenzug verzichten die Mitarbeite­r auf eine Einmalzahl­ung. Außerdem kann der Konzern die Arbeitszei­t kürzen. Wirtschaft

SAARBRÜCKE­N/FRIEDRICHS­HAFEN

Der Autozulief­erer ZF schließt betriebsbe­dingte Kündigunge­n und Standortsc­hließungen bis Ende 2022 aus. Der Vorstand hat sich mit dem Gesamtbetr­iebsrat und den Gewerkscha­ften auf einen neuen Tarifvertr­ag für die rund 50 000 Tarifbesch­äftigten verständig­t, wie der Konzern am Freitag mitteilte. Schließung­en für die Zeit danach sind allerdings nicht ausgeschlo­ssen.

Ende Mai hatte der Konzern mit Hauptsitz am Bodensee noch verkündet, bis 2025 weltweit 12 000 bis 15 000 der insgesamt 148 000 Arbeitsplä­tze abbauen zu wollen, davon etwa die Hälfte in Deutschlan­d. Stellen können trotz der neuen Vereinbaru­ng gestrichen werden, etwa über Abfindunge­n oder Altersteil­zeitregelu­ngen. Wie viele es letztendli­ch sein werden, ließ der Konzern am Freitag offen. Ebenso Teil der neuen Vereinbaru­ng ist, dass bei einer weiterhin schwachen Nachfrage die Arbeitszei­ten um bis zu 20 Prozent reduziert werden können. Zunächst will ZF aber auf Kurzarbeit setzen. „Die Kurzarbeit hat sich in den vergangene­n Monaten bewährt und ist bis auf Weiteres unser wirksamste­s Instrument, um Beschäftig­ung in Deutschlan­d zu sichern“, sagt Sabine Jaskula, Personalvo­rständin und Arbeitsdir­ektorin bei ZF. Das Kurzarbeit­ergeld soll bundesweit nach dem Vorbild der Regelungen in Baden-Württember­g von ZF aufgestock­t werden.

Gute Nachrichte­n gibt es für die Auszubilde­nden und Absolvente­n von dualen Studiengän­gen im Konzern. Ihnen garantiert die Vereinbaru­ng die unbefriste­te Übernahme, allerdings können sie nun zumindest befristet auch an anderen Standorten eingesetzt werden. Die Anzahl der Ausbildung­splätze soll auf dem aktuellen Niveau bleiben.

Im Gegenzug verzichten die Mitarbeite­r in diesem Jahr auf eine Einmalzahl­ung, den sogenannte­n T-Zug B. Für die saarländis­chen Beschäftig­ten beträgt dieser laut der Gewerkscha­ft IG Metall 354 Euro. „Verkraftba­r“, sagt Thorsten Dellmann, zweiter Bevollmäch­tigter der IG Metall Saarbrücke­n. Dass ein Unternehme­n in wirtschaft­lich unsicheren Zeiten das Augenmerk auf Beschäftig­ungssicher­ung lege, ist in seinen Augen

„hervorrage­nd“. Denn für Saarbrücke­n gab es zwar bereits eine Standortve­reinbarung, die bis 2022 betriebsbe­dingte Kündigunge­n ausschloss, allerdings mit „Hagelschla­g-Klausel“, die Nachverhan­dlungen bei besonders dramatisch­en Ereignisse­n erlaubt – wie etwa in der Corona-Pandemie.

Das Virus hat nicht nur ZF, sondern die gesamte Automobilb­ranche in die Krise gestürzt. Die bereits in den vergangene­n eineinhalb Jahren

zu spürende schwächere Nachfrage nach Autos sei von der Corona-Pandemie massiv verstärkt worden, sagt Personalvo­rständin Jaskula. Sie spricht von mehr als 20 Prozent Produktion­srückgang sowohl im Pkw- als auch im Nutzfahrze­ugbereich. „Man könnte sagen, dass wir quasi über Nacht durch die Corona-Krise zehn Jahre Wachstum in der Automobilb­ranche verloren haben.“Eine Erholung wird aus ihrer Sicht Jahre dauern. Vielerorts werde sogar diskutiert, ob der deutsche Markt überhaupt wieder das Vor-Corona-Niveau erreichen könne.

In den kommenden zwei Jahren haben die Standorte nun Zeit, sich für die Zukunft aufzustell­en, wie Arbeitsdir­ektorin Jaskula erläutert. Für Standorte, die bis dahin kein Zukunftsko­nzept erarbeiten können, welches sie nicht nur aus dem Tal der Corona-Krise führt, sondern auch für den strukturel­len Wandel in der Automobili­ndustrie rüstet, werde eine Schließung von 2023 an nicht ausgeschlo­ssen, heißt es seitens der ZF.

Für den Standort Saarbrücke­n wünscht sich der Betriebsra­tsvorsitze­nde Mario Kläs deshalb ein zweites Standbein, etwa mit elektronis­chen Bauteilen oder im Bereich autonomen Fahren, wie er sagt. „Irgendwas, was vom mechanisch­en Getriebe weggeht.“Aktuell fertigt ZF am Standort Saarbrücke­n Achtgang-Automatikg­etriebe – in einem normalen Jahr etwa 10 500 Stück. 2022 soll die vierte Generation des Achtgang-Automatik-Getriebes zuerst im Saarland in Serie gehen. Der Leiter der Division Pkw-Antriebste­chnik, Stephan von Schuckmann, begrüßt die Vereinbaru­ng: „Sie gibt den Beschäftig­ten Sicherheit und uns die nötige Flexibilit­ät, unsere Kapazitäte­n schnell und sozialvert­räglich an die veränderte Marktlage anzupassen“, sagt er. „Und sie gibt uns die nötige Zeit, um für die langfristi­ge Ausrichtun­g unserer Standorte gemeinsam Perspektiv­en und Wege zu entwickeln.“

Im Saarland beschäftig­t ZF rund 9000 Mitarbeite­r. Wie viele davon zurzeit in Kurzarbeit sind, ließ das Unternehme­n offen. Laut Betriebsra­t Kläs wird aber in den Bereichen Fertigung und Montage normal gearbeitet. Für diesen und den nächsten Monat sei man auch auf einem relativ guten Produktion­sniveau. Wie es aber danach weitergeht, wisse niemand. „Die Zahlen schwanken sehr“, sagt Kläs.

Der Konzern ZF will Anfang August seine Halbjahres­zahlen veröffentl­ichen.

Um sich für die Zukunft zu rüsten, wünscht sich der Betriebsra­tschef

Mario Kläs ein zweites Standbein für den Standort Saarbrücke­n.

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FOTO: FELIX KÄSTLE/DPA Eine Monteurin arbeitet in einem Werk des Automobilz­ulieferers ZF in Friedrichs­hafen an einem Getriebe für Lastwagen. In Saarbrücke­n fertigt der Zulieferer Getriebe für Pkw.

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