Saarbruecker Zeitung

Das Huhn wird für Städter zum Trendtier

Frische Eier von den eigenen Hühnern – diesen Traum verwirklic­hen sich auch Großstädte­r immer öfter. Wer will, kann die Haltung auch erst einmal testen. Tierschütz­er sehen den derzeitige­n Trend kritisch.

- Produktion dieser Seite: Volker Meyer, Martin Wittenmeie­r, Oliver Schwambach FOTO OBEN: PICTURE ALLIANCE

Frische Eier von den eigenen Hühnern – diesen Traum verwirklic­hen sich auch Großstädte­r immer öfter. Wer will, kann die Haltung auch erst einmal testen. Tierschütz­er sehen das „Urban Livestock Farming“allerdings kritisch.

(dpa) Gackernde Hühner und krähende Hähne sind keine Seltenheit in Großstädte­n mehr. „Nach dem Urban Gardening kommt das Urban Livestock Farming“, sagt Astrid Masson, Betriebsle­iterin der Domäne Dahlem in Berlin mit Blick auf den Trend zu urbaner Nutztierha­ltung. Es habe einen Generation­enwechsel gegeben. „Viele jüngere Menschen ab 30 interessie­ren sich nun dafür.“Im Klischee sei eine Oma oder ein Opa Hühnerhalt­er, sagt der Präsident des Bundes Deutscher Rassegeflü­gelzüchter, Christoph Günzel. „Mit dem Dioxinskan­dal vor etwa zehn Jahren ging es los. Und der Bio-Trend sorgt auch dafür, dass das Interesse an eigenen Hühnern steigt.“

Zu den Trend-Vorreitern gehört Vanessa Janßen aus Berlin-Rudow. In ihrem Garten scharren und picken seit Sommer 2019 sechs Hybridhenn­en, Kreuzungen verschiede­ner Rassen mit guter Legeleistu­ng. Das Regiment führt ein Federfüßig­er Zwerghahn. „Ich habe schon seit einigen Jahren daran gedacht, mir Hühner zuzulegen – als Verwerter für Essensrest­e und um eigene Eier zu haben“, erzählt die 40-Jährige. Eine Freundin mit Hühnern habe sie schließlic­h ermutigt. Den Stall baute die gelernte Tierpflege­rin und Ergotherap­eutin selbst. „Seitdem wir die Hühner haben, brauchten wir für unsere fünfköpfig­e Familie keine Eier mehr kaufen und können auch immer wieder Eier verschenke­n.“

Auch im Internet tauschen sich inzwischen zehntausen­de Hühnerfans bundesweit in den sozialen Netzwerken über Ställe, Rassen und Futter aus oder posten Bilder ihrer gefiederte­n Freunde.

Hühner sind Experten zufolge als Einstieg in die Nutztierha­ltung gut geeignet, aber man sollte sich vorher gut informiere­n. „Die Hühnerhalt­ung ist nicht unaufwendi­g. Einfach Tiere kaufen und mit ihnen in das Thema hineinwach­sen ist nicht gerade tierfreund­lich“, sagt etwa Antje Feldmann, Geschäftsf­ührerin der Gesellscha­ft zur Erhaltung alter und gefährdete­r Haustierra­ssen (GEH). Sie empfiehlt, sich bei

Züchter-Vereinen oder in Seminaren und Büchern zu bilden, bevor man sich Tiere anschafft.

Außerdem rät die Expertin, mit den Nachbarn erst einmal zu klären, ob sie mit dem tierischen Lärm leben können. Das Gackern und Krähen sei längst nicht so akzeptiert wie der Lärm von Autos, Laubbläser­n und Rasenmäher­n, mahnt Feldmann. Sie plädiert außerdem dafür, Hühner immer mit Hähnen zu halten. Alles andere ist ihren Worten nach nicht artgerecht. „Hähne geben eine Herdenstru­ktur vor und warnen die Hennen auch vor Gefahren, etwa durch Greifvögel aus der Luft“, erklärt Feldmann.

Wer erst einmal testen möchte, wie es ist, Federvieh im Garten zu haben, kann Hühner zunächst auch nur einmal mieten. Anbieter aus verschiede­nen Bundesländ­ern sind online zum Beispiel auf der Internetse­ite www.mieteeinhu­hn. de zu finden.

Tierschütz­er sehen die Vermietung allerdings kritisch. „Tiere sind keine Gegenständ­e, die man ständig herumreich­en kann, sie wollen eine gewisse Kontinuitä­t“, sagt Beate Kaminski vom Berliner Tierheim. Die Haltung in der Stadt sieht sie zwiegespal­ten. Es gebe viele Halter, die alles richtig machten. Doch das sei längst nicht bei allen so. Das Tierheim habe beispielsw­eise erst vor kurzem Hühner aufgenomme­n, die jemand in Kartons auf einem Hochhausba­lkon gehalten hatte. Die Tiere hatten sich im Stress gegenseiti­g verletzt. www.mieteeinhu­hn.de

„Ich habe schon seit einigen Jahren daran gedacht, mir Hühner zuzulegen – als Verwerter für Essensrest­e und um eigene Eier

zu haben.“

Vanessa Janßen

Hühnerhalt­erin

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FOTO: BRITTA PEDERSEN/DPA Hühnerhalt­erin Vanessa Janßen muss sich keine Sorgen mehr darum machen, dass ihre Familie mit genügend Eiern versorgt ist.

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