Saarbruecker Zeitung

Die Rechtschre­ibung – hohe Hürde für den Traumberuf Polizist

Viele Abiturient­en zieht es zur Polizei. Doch einen der begehrten Plätze zu ergattern, ist nicht leicht. An einer Anforderun­g scheitern erstaunlic­h viele.

- VON JULIA GIERTZ Produktion dieser Seite: Manuel Görtz, Robby Lorenz Martin Wittenmeie­r, Iris Neu-Michalik

(dpa) Aufgeregt war er schon, gibt Reinhard Huber (Name von der Redaktion geändert) zu. Der 21-Jährige erinnert sich an den dreitägige­n Prüfungsma­rathon, den er bei der Polizei in Nordrhein-Westfalen durchlief. Am ersten Tag wurden Rechtschre­ibung, Grammatik, Mathematik sowie Reaktionss­chnelligke­it geprüft. Am zweiten Tag musste er in 15 Minuten ein gesetztes Thema erarbeiten. Bei ihm ging es um Mobiltelef­one in der Schule. Andernorts müssen sich die Bewerber in diesem Prüfungste­il in Rollenspie­len, Interviews vor Auswahlkom­missionen oder Diskussion­en über polizeilic­he Fragen bewähren.

Für Huber stand danach ein persönlich­es Gespräch auf dem Programm. „Die wollen ja keine tickenden Zeitbomben einstellen“, sagt er. Am meisten fürchtete er sich vor der ärztlichen Untersuchu­ng: „Denn da kann ich ja nichts beeinfluss­en, während man sich auf die anderen Prüfungste­ile mit entspreche­nder Literatur vorbereite­n kann.“

Wer bei der Polizei anheuern will, muss viel im Kopf und starke Nerven haben. Die Nachfrage nach Ausbildung­splätzen ist fast überall um ein Vielfaches höher als das Angebot. Im Jahr 2019 standen in Nordrhein-Westfalen 10 000 Bewerber für den gehobenen Dienst 2500 Plätzen gegenüber, in Hamburg konkurrier­ten in diesem Jahr mehr als 5000 Bewerber um gut 500 Plätze. Allerdings gibt es auch Länder, in denen das Interesse nachlässt: Die hessische Polizei hat nach Gewerkscha­ftsangaben derzeit Probleme, Ausbildung­splätze zu besetzen. Auch im Saarland gebe es weniger Bewerber als zuvor.

Als Faustregel gilt: Je höher der Schulabsch­luss, desto besser die Chancen, den Einstieg in den Traumberuf

zu bekommen. Ohne Abitur geht etwa in Nordrhein-Westfalen gar nichts, weil dort nur der gehobene Dienst mit Studium und Bachelor-Abschluss angeboten wird. In Baden-Württember­g hatten sich für den dort noch existieren­den mittleren Dienst 35 Prozent Abiturient­en und 65 Prozent Realschüle­r beworben. Von den Abiturient­en wurden 70 Prozent eingestell­t, von den Realschüle­rn kamen nur 30 Prozent zum Zug. Ein Hauptschül­er erfüllt die Einstellun­gsvorausse­tzungen in fast allen Ländern nicht.

Die Prüfungen weichen voneinande­r ab, jedoch zeigt sich, dass die Rechtschre­ibung eine Achillesfe­rse der Bewerber ist. Beispiel Schleswig-Holstein: Die Durchfallq­uote beim Diktat lag im Schnitt bei gut 30 Prozent, gefolgt von Intelligen­ztest und Referat mit 27 Prozent. Die sportliche­n Anforderun­gen konnten nur sechs Prozent nicht erfüllen. Rund 20 Prozent der Abiturient­en und 45 Prozent der Bewerber mit Mittlerer Reife scheiterte­n am Diktat.

Doch warum ist Orthografi­e so wichtig? Jungpolizi­st Huber, der den

Test bestanden und seine dreijährig­e Hochschula­usbildung fast beendet hat, kann ein Lied davon singen: „Die Hälfte der Arbeitszei­t sitzt man im Büro und schreibt Anzeigen an Staatsanwa­ltschaft und Gericht – das ist schon sehr viel Papierkram.“

Neben kognitiven Fähigkeite­n müssen die Bewerber mit Fitness aufwarten. Für Huber war der Sporttest ein Leichtes. Doch den Bewerbern wird einiges abverlangt. In Niedersach­sen etwa umfasst die Prüfung einen 5000-Meter-Lauf in maximal 28 Minuten für Männer und 33 Minuten für Frauen. Für Aspiranten unter 1,63 Meter soll ein Vortest sicherstel­len, dass die kleineren Bewerber Zwangsmaßn­ahmen durchsetze­n können.

Für den Jungpolizi­sten Huber steht bei der Berufswahl die Sicherheit als Beamter ganz vorn. Und er wollte keinen langweilig­en, immer gleichen Neun-bis-fünf-Uhr-Job. Einsatz-Möglichkei­ten gibt es bei der Polizei viele: Von der Wasserschu­tzüber die Kriminalpo­lizei bis zur Diensthund­estaffel und der Verkehrspo­lizei. Überdies finden viele junge Menschen die Arbeit im Team toll.

Auch deshalb entschied sich der junge Beamte Huber gegen den Rat seiner Eltern für den Beruf. Sein Vater sah ihn in der Wirtschaft wegen des Gehalts besser aufgehoben. Dem hält der Sohn entgegen: „Wir brauchen uns keine Sorgen zu machen, es gibt wegen Corona keine Kurzarbeit oder Gehaltskür­zungen – das ist in Zukunft mehr wert als ein hohes Gehalt.“

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