Die Rechtschreibung – hohe Hürde für den Traumberuf Polizist
Viele Abiturienten zieht es zur Polizei. Doch einen der begehrten Plätze zu ergattern, ist nicht leicht. An einer Anforderung scheitern erstaunlich viele.
(dpa) Aufgeregt war er schon, gibt Reinhard Huber (Name von der Redaktion geändert) zu. Der 21-Jährige erinnert sich an den dreitägigen Prüfungsmarathon, den er bei der Polizei in Nordrhein-Westfalen durchlief. Am ersten Tag wurden Rechtschreibung, Grammatik, Mathematik sowie Reaktionsschnelligkeit geprüft. Am zweiten Tag musste er in 15 Minuten ein gesetztes Thema erarbeiten. Bei ihm ging es um Mobiltelefone in der Schule. Andernorts müssen sich die Bewerber in diesem Prüfungsteil in Rollenspielen, Interviews vor Auswahlkommissionen oder Diskussionen über polizeiliche Fragen bewähren.
Für Huber stand danach ein persönliches Gespräch auf dem Programm. „Die wollen ja keine tickenden Zeitbomben einstellen“, sagt er. Am meisten fürchtete er sich vor der ärztlichen Untersuchung: „Denn da kann ich ja nichts beeinflussen, während man sich auf die anderen Prüfungsteile mit entsprechender Literatur vorbereiten kann.“
Wer bei der Polizei anheuern will, muss viel im Kopf und starke Nerven haben. Die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen ist fast überall um ein Vielfaches höher als das Angebot. Im Jahr 2019 standen in Nordrhein-Westfalen 10 000 Bewerber für den gehobenen Dienst 2500 Plätzen gegenüber, in Hamburg konkurrierten in diesem Jahr mehr als 5000 Bewerber um gut 500 Plätze. Allerdings gibt es auch Länder, in denen das Interesse nachlässt: Die hessische Polizei hat nach Gewerkschaftsangaben derzeit Probleme, Ausbildungsplätze zu besetzen. Auch im Saarland gebe es weniger Bewerber als zuvor.
Als Faustregel gilt: Je höher der Schulabschluss, desto besser die Chancen, den Einstieg in den Traumberuf
zu bekommen. Ohne Abitur geht etwa in Nordrhein-Westfalen gar nichts, weil dort nur der gehobene Dienst mit Studium und Bachelor-Abschluss angeboten wird. In Baden-Württemberg hatten sich für den dort noch existierenden mittleren Dienst 35 Prozent Abiturienten und 65 Prozent Realschüler beworben. Von den Abiturienten wurden 70 Prozent eingestellt, von den Realschülern kamen nur 30 Prozent zum Zug. Ein Hauptschüler erfüllt die Einstellungsvoraussetzungen in fast allen Ländern nicht.
Die Prüfungen weichen voneinander ab, jedoch zeigt sich, dass die Rechtschreibung eine Achillesferse der Bewerber ist. Beispiel Schleswig-Holstein: Die Durchfallquote beim Diktat lag im Schnitt bei gut 30 Prozent, gefolgt von Intelligenztest und Referat mit 27 Prozent. Die sportlichen Anforderungen konnten nur sechs Prozent nicht erfüllen. Rund 20 Prozent der Abiturienten und 45 Prozent der Bewerber mit Mittlerer Reife scheiterten am Diktat.
Doch warum ist Orthografie so wichtig? Jungpolizist Huber, der den
Test bestanden und seine dreijährige Hochschulausbildung fast beendet hat, kann ein Lied davon singen: „Die Hälfte der Arbeitszeit sitzt man im Büro und schreibt Anzeigen an Staatsanwaltschaft und Gericht – das ist schon sehr viel Papierkram.“
Neben kognitiven Fähigkeiten müssen die Bewerber mit Fitness aufwarten. Für Huber war der Sporttest ein Leichtes. Doch den Bewerbern wird einiges abverlangt. In Niedersachsen etwa umfasst die Prüfung einen 5000-Meter-Lauf in maximal 28 Minuten für Männer und 33 Minuten für Frauen. Für Aspiranten unter 1,63 Meter soll ein Vortest sicherstellen, dass die kleineren Bewerber Zwangsmaßnahmen durchsetzen können.
Für den Jungpolizisten Huber steht bei der Berufswahl die Sicherheit als Beamter ganz vorn. Und er wollte keinen langweiligen, immer gleichen Neun-bis-fünf-Uhr-Job. Einsatz-Möglichkeiten gibt es bei der Polizei viele: Von der Wasserschutzüber die Kriminalpolizei bis zur Diensthundestaffel und der Verkehrspolizei. Überdies finden viele junge Menschen die Arbeit im Team toll.
Auch deshalb entschied sich der junge Beamte Huber gegen den Rat seiner Eltern für den Beruf. Sein Vater sah ihn in der Wirtschaft wegen des Gehalts besser aufgehoben. Dem hält der Sohn entgegen: „Wir brauchen uns keine Sorgen zu machen, es gibt wegen Corona keine Kurzarbeit oder Gehaltskürzungen – das ist in Zukunft mehr wert als ein hohes Gehalt.“