Pingusson-Bau steht auf einer „Roten Liste“
Das ehemalige Kultusministerium wird jetzt bundesweit als gefährdetes Denkmal wahrgenommen.
Die „Rote Liste“des Verbandes Deutscher Kunsthistoriker (Bonn) versteht sich als bundesweit ausstrahlendes „Denkmalgewissen“. Die Initiative ist noch jung, erst seit Dezember 2019 am Start – aber der hier zu Lande zum Politikum gewordene Saarbrücker Pingusson-Bau hat es bereits zu einer Nominierung geschafft. Immerhin trägt das 50er-Jahre-Baudenkmal nicht das Etikett „akut gefährdet“, obwohl Saar-Bauminister Klaus Bouillon (CDU) keinen Zweifel daran lässt, dass er die 53 Millionen Euro, die eine Sanierung kosten würde, für fehlinvestiert hielte. Als Option will er das Kabinett auch über einen Abriss entscheiden lassen.
Martin Bredebeck, Vorstandsmitglied im Kunsthistoriker-Verband (Berufsfeld Denkmalpflege) und zuständig für die „Rote Liste“, kann darüber nur staunen. Denn der Pingusson-Bau besitzt für ihn „Symbolwert“für das Saarland, das doch so große Stücke halte auf sein „europäisches“Image und die Brückenfunktion zu Frankreich. „Die Frage der Politik müsste nicht lauten, kann man es sich leisten, das Gebäude zu sanieren, sondern kann man es sich leisten, es abzureißen“, sagt Bredenbeck. Der Kunsthistoriker kennt das Pingusson-Gebäude persönlich durch eine Verbandstagung und ist überzeugt von dessen Hochwertigkeit: „In Saarbrücken wollte Frankreich auf deutschem Boden ein besonders starkes Zeichen mit hochkarätiger Architektur setzen.“Das Pingusson-Ensemble zeuge zudem davon, „mit welchem Optimismus und mit welcher Aufbruchsstimmung in der Nachkriegszeit Großstadtarchitektur angegangen wurde“. Ein solches Gebäude gibt es laut Bredenbeck nicht beliebig oft in Deutschland.
Insgesamt stehen 16 gefährdete Kandidaten auf der Liste, vom jüdischen Tempel (1844, Hamburg) über ein barockes Fischerhaus in Neubrandenburg bis hin zur 50er-Jahre-Stadthalle in Bad Godesberg. Es ist dies eine nationale Plattform, die die engen Fesseln der meist nur vor Ort geführten Erhaltungs-Debatten lockert und für bundesweite Sensibilisierung sorgt. Um es auf die Liste zu schaffen, reichen deshalb sentimentale oder lokalpatriotische Argumente nicht aus, meint Bredenbeck. Nominierungen müssten begründet sein, eine Redaktionsgruppe des Verbandes entscheide. Im Fall des Pingusson-Baus sei der Landesvorsitzende des Bundes deutscher Architekten, der Saarbrücker Architekt Peter Alt, initiativ geworden. Die Texte für den Internet-Auftritt verfasste die saarländische Architekturkritikerin Marlen Dittmann. Sie endet wie folgt: „Die ehemalige französische Botschaft ist nicht allein großartige Architektur, sondern Erinnerungszeichen an eine Zeit, als das Saarland in Europa und für die europäische Vereinigung eine wichtige Rolle spielte. Im zweiten Halbjahr 2020 hat Deutschland die Präsidentschaft im Europarat – Zeit, endlich zugunsten von Erhaltung und Renovierung des Pingusson-Baus zu entscheiden.“
Diesen Appell unterstützt auch die Vorsitzende des Saarländischen Vereins für Denkmalschutz, Heidi Kügler: „Wir kämpfen weiter, es muss endlich etwas passieren“, sagt sie der SZ. Wie schnell es plötzlich mit Verkauf und Abriss gehen könne, lehre das aktuelle Beispiel des früheren Rot-Kreuz-Krankenhauses in St. Arnual. Die Baugenossenschaft Saarland eG hat es gekauft und plant auf dem Areal nun eine Wohnanlage. Für Kügler verfestigt sich der Eindruck, dass die Landesregierung die Sanierung des Pingusson-Denkmals ebenfalls so lange hinauszögere, bis einem Besitzer, sei es das Land selbst oder ein Käufer, der Erhalt wirtschaftlich nicht mehr zumutbar sei.
Tatsächlich streitet sich die Saar-Politik seit annähernd zehn Jahren um die ehemalige französische Botschaft, verstärkt seit 2014, nachdem das Kultusministerium auszog und ein Leerstand eintrat. Unzählige Gutachten wurden in Auftrag gegeben, im Herbst 2019 sollte eine Wirtschaftlichkeitsberechnung des Karlsruher Ingenieurbüros IKL vorliegen, im März 2020 weitere Zahlen, auf deren Grundlage sich der Ministerrat mit dem Thema befassen sollte. Öffentlich gemacht wurde bislang nichts davon.