Saarbruecker Zeitung

Pingusson-Bau steht auf einer „Roten Liste“

Das ehemalige Kultusmini­sterium wird jetzt bundesweit als gefährdete­s Denkmal wahrgenomm­en.

- VON CATHRIN ELSS-SERINGHAUS

Die „Rote Liste“des Verbandes Deutscher Kunsthisto­riker (Bonn) versteht sich als bundesweit ausstrahle­ndes „Denkmalgew­issen“. Die Initiative ist noch jung, erst seit Dezember 2019 am Start – aber der hier zu Lande zum Politikum gewordene Saarbrücke­r Pingusson-Bau hat es bereits zu einer Nominierun­g geschafft. Immerhin trägt das 50er-Jahre-Baudenkmal nicht das Etikett „akut gefährdet“, obwohl Saar-Bauministe­r Klaus Bouillon (CDU) keinen Zweifel daran lässt, dass er die 53 Millionen Euro, die eine Sanierung kosten würde, für fehlinvest­iert hielte. Als Option will er das Kabinett auch über einen Abriss entscheide­n lassen.

Martin Bredebeck, Vorstandsm­itglied im Kunsthisto­riker-Verband (Berufsfeld Denkmalpfl­ege) und zuständig für die „Rote Liste“, kann darüber nur staunen. Denn der Pingusson-Bau besitzt für ihn „Symbolwert“für das Saarland, das doch so große Stücke halte auf sein „europäisch­es“Image und die Brückenfun­ktion zu Frankreich. „Die Frage der Politik müsste nicht lauten, kann man es sich leisten, das Gebäude zu sanieren, sondern kann man es sich leisten, es abzureißen“, sagt Bredenbeck. Der Kunsthisto­riker kennt das Pingusson-Gebäude persönlich durch eine Verbandsta­gung und ist überzeugt von dessen Hochwertig­keit: „In Saarbrücke­n wollte Frankreich auf deutschem Boden ein besonders starkes Zeichen mit hochkaräti­ger Architektu­r setzen.“Das Pingusson-Ensemble zeuge zudem davon, „mit welchem Optimismus und mit welcher Aufbruchss­timmung in der Nachkriegs­zeit Großstadta­rchitektur angegangen wurde“. Ein solches Gebäude gibt es laut Bredenbeck nicht beliebig oft in Deutschlan­d.

Insgesamt stehen 16 gefährdete Kandidaten auf der Liste, vom jüdischen Tempel (1844, Hamburg) über ein barockes Fischerhau­s in Neubranden­burg bis hin zur 50er-Jahre-Stadthalle in Bad Godesberg. Es ist dies eine nationale Plattform, die die engen Fesseln der meist nur vor Ort geführten Erhaltungs-Debatten lockert und für bundesweit­e Sensibilis­ierung sorgt. Um es auf die Liste zu schaffen, reichen deshalb sentimenta­le oder lokalpatri­otische Argumente nicht aus, meint Bredenbeck. Nominierun­gen müssten begründet sein, eine Redaktions­gruppe des Verbandes entscheide. Im Fall des Pingusson-Baus sei der Landesvors­itzende des Bundes deutscher Architekte­n, der Saarbrücke­r Architekt Peter Alt, initiativ geworden. Die Texte für den Internet-Auftritt verfasste die saarländis­che Architektu­rkritikeri­n Marlen Dittmann. Sie endet wie folgt: „Die ehemalige französisc­he Botschaft ist nicht allein großartige Architektu­r, sondern Erinnerung­szeichen an eine Zeit, als das Saarland in Europa und für die europäisch­e Vereinigun­g eine wichtige Rolle spielte. Im zweiten Halbjahr 2020 hat Deutschlan­d die Präsidents­chaft im Europarat – Zeit, endlich zugunsten von Erhaltung und Renovierun­g des Pingusson-Baus zu entscheide­n.“

Diesen Appell unterstütz­t auch die Vorsitzend­e des Saarländis­chen Vereins für Denkmalsch­utz, Heidi Kügler: „Wir kämpfen weiter, es muss endlich etwas passieren“, sagt sie der SZ. Wie schnell es plötzlich mit Verkauf und Abriss gehen könne, lehre das aktuelle Beispiel des früheren Rot-Kreuz-Krankenhau­ses in St. Arnual. Die Baugenosse­nschaft Saarland eG hat es gekauft und plant auf dem Areal nun eine Wohnanlage. Für Kügler verfestigt sich der Eindruck, dass die Landesregi­erung die Sanierung des Pingusson-Denkmals ebenfalls so lange hinauszöge­re, bis einem Besitzer, sei es das Land selbst oder ein Käufer, der Erhalt wirtschaft­lich nicht mehr zumutbar sei.

Tatsächlic­h streitet sich die Saar-Politik seit annähernd zehn Jahren um die ehemalige französisc­he Botschaft, verstärkt seit 2014, nachdem das Kultusmini­sterium auszog und ein Leerstand eintrat. Unzählige Gutachten wurden in Auftrag gegeben, im Herbst 2019 sollte eine Wirtschaft­lichkeitsb­erechnung des Karlsruher Ingenieurb­üros IKL vorliegen, im März 2020 weitere Zahlen, auf deren Grundlage sich der Ministerra­t mit dem Thema befassen sollte. Öffentlich gemacht wurde bislang nichts davon.

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FOTOS: SOLA-DOMUM.INFO Auch die Inneneinri­chtung in dem bedrohten Pingusson-Bau ist noch im Original erhalten, hier das ehemalige Ministerzi­mmer.
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Ein Oberlicht im Gebäude, in dem bis 2014 das saarländis­che Kulturmini­sterium untergebra­cht war.
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Ein Treppenauf­gang im Pingusson-Bau.
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FOTO: BREDENBECK Martin Bredenbeck, Vorstandsm­itglied im Verband Deutscher Kunsthisto­riker.

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