Von Frauen und dem Leben nach dem Tod
Hans Schröders künstlerische Welt kreiste um Menschen, Schöpfung und sinnliche Akte. Kommenden Dienstag wäre er 90 geworden.
Das Saarland hat einige durchaus große Künstlerinnen und Künstler hervorgebracht. In loser Folge wollen wir ein wenig in der Kunstgeschichte unserer Region forschen und Menschen vorstellen, die zu Lebzeiten einen guten Namen in der Kunstszene hatten. Den Auftakt machen wir mit Hans Schröder, der am 28. Juli 90 Jahre alt geworden wäre. Sein Freund und Weggefährte Thomas Albrecht hat sein Grab besucht und erinnert sich für uns.
Es erfordert schon ein wenig Durchhaltevermögen, bis man im bewaldeten Dickicht des alten Saarbrücker Hauptfriedhofs das Grab 37 im Feld 26 unter mächtigen, efeubesetzten Fichten ausfindig gemacht hat. Dort, unter einer dunklen geschliffenen Grabplatte, ruht Hans Schröder, „* 28.7.1930 + 6.4.2010“zeigt eine Inschrift die Lebensspanne des bekannten Saarbrücker Künstlers, der kommenden Dienstag 90 Jahre alt geworden wäre. Kurz vor seinem 80. Geburtstag war er nach einer Knieoperation unerwartet verstorben. Seine Witwe Michaela Schröder hatte die Grablege nach Entwürfen ihres Mannes anlegen und links und rechts neben der Grabplatte mit zwei skulpturalen Kompositionen des Künstlers schmücken lassen.
In der Komposition geht es um Auferstehung und Leben nach dem Tod. Je länger der Blick auf der bronzenen Abschiedsvorstellung des Künstlers verweilt, desto schlüssiger erscheint sie: Hier glaubt ein Bildhauer an die Auferstehung und das Leben danach, die Überwindung von Leid und Kreuz und an ein Hinüberwechseln in eine bessere Daseinsform.
Mensch und Schöpfung waren immer zentrales Thema des Mannes, der über ein halbes Jahrhundert eine Fülle von Werken in Bild und Skulptur schuf. Dabei waren Lebensweg und künstlerische Laufbahn Hans Schröders alles andere als gradlinig: Zusammen mit zwei Geschwistern hineingeboren in die angesehene Saarbrücker Fleischund Wurstwarenfabrikantenfamilie, konnte er sich nicht dazu entschließen, das Fleischerhandwerk zu erlernen. Es drängte ihn zur Kunst, so dass er zunächst das Goldschmiedehandwerk in Hanau erlernte. Auch die Welt des Sports faszinierte den jungen Mann, der mit 15 Jahren einem Boxverein beitrat und sogar einen Saarlandmeistertitel im Schwergewicht erringen konnte. Als ihm – wie seinem Vorbild Michelangelo Buonarotti – bei einem Kampf das Nasenbein zerschmettert wurde, gab er die Boxerkarriere auf und setzte fortan seine Visionen von Sport und Bewegung umso intensiver mit künstlerischen Mitteln um.
Der hochbegabte Zeichner arbeitete zeitweise in Paris als Dekorateur und Goldschmied – unter anderem im Atelier von Pierre Cardin – und setzte seine intensiven Aktzeichenstudien abends an der Grande Chaumière fort. Zurück in Saarbrücken studierte Hans Schröder Anfang der 1950er Jahre an der neu gegründeten Werkkunstschule in der Bildhauerklasse von Theo Siegle,
die jedoch bereits nach zwei Semestern wieder geschlossen wurde.
Der künstlerische Durchbruch gelang Schröder, als der Kunsthistoriker Wilhelm Weber, damaliger Direktor der Pfalzgalerie Kaiserslautern, auf die Qualität seiner figürlichen Arbeiten aufmerksam wurde und 1957 eine erste Ausstellung organisierte. Schröders Statuette „Nicole“gehört noch heute zum Bestand des Museums.
Es begann der Aufstieg eines Künstlers, der sich dem Realismus als Ausdrucksform verschrieben hatte, die unter den damaligen kulturpolitischen Vorgaben der Westmächte in der jungen Bundesrepublik mehr oder weniger verpönt war. Schröder schuf auch einzigartig lebensnahe Tier- und Sportlerplastiken und immer mehr Frauenportraits und -darstellungen in allen nur denkbaren, vor allem auch erotischen Formen. Er hatte nationale und internationale Ausstellungserfolge in Paris, Essen, Bonn, München, Tbilissi (Georgien), Luxemburg und oft im Saarland. Die Moderne Galerie des Saarlandmuseums widmete ihm 1982 eine eigene Ausstellung. Die Stadt St.Ingbert verlieh ihm im gleichen Jahr den angesehenen Albert-Weisgerber-Preis für Bildende Kunst. Und der damaligen Ministerpräsidenten Oskar Lafontaine überreichte ihm 2002 den Saarländischen Verdienstorden.
Im Saarland sind viele seine Werke auch heute noch im öffentlichen
Raum zu finden; sei es der „Elefant“im Saarbrücker Zoo, der „Zeitungsleser“im Hof der Saarbrücker Zeitung, „Bulle und Bär“in der Sparkasse Saarbrücken am Neumarkt, die Willi-Graf-Büste im Saarbrücker Rathaus, die lebensgroßen Frauenakte „Badende“vor dem Saarlouiser Stadtbad oder „Francesca“im Park von Schloss Borg in Perl, die „Helena“auf dem Homburger Marktplatz oder das „Paar“am Eingang der Tagesklinik Tiefenthal am Saarbrücker Sonnenberg, um nur einige herausragende Beispiele zu nennen. Viele seiner Skulpturen, die die Schönheit weiblicher Gestalt und die Kraft des menschlichen Eros geradezu hymnisch feiern, finden sich auch in renommierten Privatsammlungen im In- und Ausland. Auch religiöse Themen wie die Schöpfungsgeschichte und den Sündenfall – zu bewundern im Treppenaufgang der St.Ingberter Stadtbücherei – nahm Schröder vielgestaltig in sein Repertoire auf.
Ein Höhepunkt seines Schaffens für liturgische Räume stellt der Osterleuchter mit dem Titel „Resurrectio“für die Pfarrkirche St. Josef in Heckendalheim dar, eine Stiftung des ehemaligen Rundfunkintendanten Professor Hubert Rhode und seiner Frau Magdalena. Hier werden Frauen der Heilsgeschichte von Maria Magdalena bis Edith Stein aber auch ein Ungläubiger Thomas, Moses und Aaron sowie Sündenfall und Auferstehung in einem aufregend ungewohnten heilsgeschichtlichen Mix aus Altem und Neuem Testament nebeneinander gestellt.
Das charmant-lebensfrohe wie auch zeitgeschichtlich vielschichtige und unübersehbare Schaffen Hans Schröders hat letztlich einen großen Beitrag zum kulturellen Renomée des Saarlandes geleistet. Seine Werke laden auch heute noch jeden kunstinteressierten und lebenswie sinnenfrohen Saarländer zur Wiederentdeckung ein.